*Dieser Artikel stellt eine individuelle Meinung einer Aktivistin aus der Besetzung dar. Für Risiken und Nebenwirkungen fragen sie ihre Autoritäten oder lesen den Verfassungsschutzbericht.
Es gibt viele, die sich selbst als Supporter*innen der Hambacher Forst-Besetzung bezeichen. Einige unterstützen den Protest in seiner Vielfältigkeit der Mittel. Ohne diese wäre die Bewegung nicht so stark wie sie zurzeit ist. Dann gibt es aber noch solche, die nicht verstehen warum Barrikaden verteidigt werden und denken sie wüssten am besten wie der Protest erfolgreich zu führen sei. Letztgenannte Gruppe redet regelmäßig mit den Schergen des Staates und lässt sich für seine Zwecke instrumentalisieren. Sie glauben der Wald wäre verloren, wenn Barrikaden militant verteidigt werden, weil die Schergen so eine Räumung des Waldes rechtfertigen können. Und damit tappen sie in die klassische Falle der Autoritäten.
Die Autoritäten sind gerade dann besonders in der Protestbekämpfung, wenn sie es schaffen den Protest auf die Mittel zu reduzieren und ihn in einen „friedlich-guten“ und einen „gewalttätig-bösen“ Teil aufzuspalten und gegeneinander auszuspielen. Gemeinsame Ziele wie die Abschaffung der Kohlekraft, der sofortige Stopp der Verdrängung von Mensch und Natur und das Leben ohne Autoritäten geraten so in den Hintergrund.
Alle die sich auf die hinlänglich bekannten Methoden des Staates einlassen und das Spiel mitspielen sind keine Supporter*innen auch, wenn sie sich selbst so nennen. Sie glauben eher an die Lügen des Staates als sich der strukturellen Gewalt bewusst zu sein, die von eben diesem ausgeht. Sie räumen lieber Barrikaden, wenn es ihnen befohlen, anstatt neue aufzubauen. Wofür? Glauben sie wirklich sie leisten damit einen wichtigen Beitrag für den Widerstand? Glauben sie Gesetzestreue wird vom Staat belohnt?
Es gibt genügend historische und auch alltägliche Erfahrungen, die eine andere Sprache sprechen. Sozial-ökologische Erfolge werden da erzielt, wo sich am effektivsten, mit einer Vielfalt an Mitteln gegen die Unterdrückung von Mensch und Natur gewehrt wird (z.B. der Widerstand indigener Gruppen gegen Kolonialisierung, die La ZAD-Besetzung in Frankreich, der Anarchismus in den Ukraine von 1918-1921, der Anarchismus im Großteil von Spanien 1936-39). Dort allerdings, wo sich ein Teil der Bewegung vom Staat vereinnahmen lassen hat und der gesamten Bewegung ein pazifistisches Protestmodell aufgedrückt hat, ist der Protest in Reformen gemündet, die nichts an den Ursachen der strukturellen Probleme geändert haben.
Die Kolonialisierung Indiens wurde durch den Abzug britischer Truppen lediglich neu organisiert – nicht aber abgeschafft, ganz zu schweigen von fehlenden sozialen Errungenschaften. Der Civil Rights Movement in den 1960ern in den USA hat nicht zur Abschaffung von Rassismus geführt, sondern diesen lediglich verschleiert. Pazifismus und Kooperation mit dem Staat führt mitnichten zum Erfolg von Protesten.
Denn Protest heißt einen Bruch mit dem Bestehenden zu erzeugen. Die bürgerlich-glänzenden Fassaden des hässlichen Systems zu zerstören. Uns selbst von den alltäglichen Fesseln des Gehorsams und der Unterdrückung zu befreien. Unser Leben selber in die Hand zu nehmen anstatt es von anderen bestimmen zu lassen. Protest heißt auch Solidarität. Solidarität mit den anderen Protestierenden auf der ganzen Welt. Solidarität mit denen, die eingeknastet werden. Ohne Mut gibt es keinen Protest. Denn, wer sich konsequent gegen das System stellt, geht das Risiko der Bestrafung durch den Staat ein. Weil der Staat sich selbst erhalten will und entstehende Alternativen mit allen Mitteln bekämpft, sobald sie ihm gefährlich werden.
Die Besetzung des Hambacher Forstes ist für den Staat gefährlich. Weil es längst nicht mehr „nur“ um den Wald geht, sondern um Anarchismus, also die Selbstorganisation des täglichen Lebens. Dem Staat ist die Besetzung ein Dorn im Auge, darüber dürften keine Zweifel bestehen. Eine Rechtfertigung für eine Räumung braucht er nicht. Vor wem muss sich der Staat schon rechtfertigen? Er hat die Macht. Er ist auch eng mit den Massenmedien verbunden. Und die verbreiten meist unhinterfragt die Presseerklärungen der staatlichen Marionetten, müssen diese sogar als „priviligierte Quellen“ bevorzugen. Wenn die Autoritäten in einem Protest eine Gefahr sehen kommt der shit storm der Medien egal welche Mittel in dem Protest benutzt werden.
Also, wer wirklich glaubt, die Marionetten könnten eine Räumung der Besetzung aufgrund militanter Gegenwehr rechtfertigen, sollte sich fragen: wem gegenüber erfolgt die Rechtfertigung? Und warum wird das einfach hingenommen, nichts dagegen unternommen? Das wäre wichtiger Support und Rückenwind für die gesamte Besetzung und würde sie gegen die psychischen und physischen Angriffe des Staates stärken. Anstatt uns zu schwächen und präventiv zu versuchen uns mögliche Optionen der Gegenwehr zu untersagen. Freie Menschen oder die, die es werden wollen entscheiden selbst über ihre Protestformen. Egal, was irgendwer sagt. Die Bewegung braucht keine selbst-ernannten Supporter*innen, die keine sind. Keine selbst-ernannten Führer, die sich öffentlich von Aktionen distanzieren. Sie braucht den wahren Support. Das heißt ganz oder gar nicht. Entscheidet euch auf welcher Seite ihr steht.