++ Deutsche Medien bewerten Aufstände in Ägypten mit zweierlei Maß ++ Mursi kommt mit Wirtschaftsvertretern morgen nach Berlin ++ Dort soll ein Abkommen für DESERTEC unterschrieben werden ++ Ein besonderes Interesse daran hat RWE, und das Konsortium Desertec Industrie Initiative ++ Proteste sind angekündigt ++
Es ist schon seltsam: Vor exakt 2 Jahren fieberte die deutsche Presselandschaft mit dem „arabischen Frühling“ mit und feierte den Sturtz des ägyptischen Staatschef Mubarak. Nachdem in der Zwischenzeit die Islamisten um den „neuen Pharao Mursi“ einen Gottesstaat aufbauen, der keinen Deut weniger brutal in Ausbeutung und Repression ist als das Regime unter Mubarak, erlangen die erneuten Widerstände derzeit ihren vorläufigen Höhepunkt zum zweiten Jahrestag der Revolution (1, 2, 3, 4). Denn die Menschen sind damals nicht auf die Straße gegangen damit sich die Namen ihrer Unterdrücker ändern, sondern damit die Unterdrückung aufhört. Die Methoden mit denen Mursi versucht an der Macht zu bleiben haben erschreckende Parallelen zu den Geschehnissen vor 2 Jahren: Die Polizei schießt scharf in die Demonstrationen und täglich gibt es Tote im zweistelligen Bereich. Aber eines ist anders als damals: Die deutsche Presse verurteilt nicht die Gewalt des Regimes, sondern die Gewalt der Aufständischen. Wer einer Armee scharf schießender Polizei entgegensteht soll sich friedlich erschießen lassen, wenn es nach den deutschen Medien geht, und keineswegs etwa versuchen die zum Tode verurteilten Freund_innen aus den Gefängnissen des Gottesstaates zu befreien.
Was ist diesesmal also anders als vor 2 Jahren? Hat sich etwa Mursi als ein besserer Geschäftspartner für die deutsche Wirtschaft erwiesen? Einiges spricht dafür: Am morgigen Mittwoch kommt Mursi auf Einladung der deutschen Bundesregierung nach Berlin, mit einer Wirtschaftsdelegation im Schlepptau. Ein ganz besonderes Interesse an diesem Besuch hat der auf die deutsche Politi sehr einflussreiche Konzern RWE. Als treibende Kraft der deutsche Wüstenstrominitiative DII hat RWE ein besonderes Interesse an der Unterzeichnung Mursis für ein Abkommen, dass dem Konsortium die Operationen in der Nordafrikanischen Wüste erlauben würde. Für die DII wird Paul van Son, Chef der Desertec Industrie Initiative mit dabei sein. Paul van Son war zuvor unter anderem der Verantwortliche für die niederländische RWE-Tochter „Essent„. Er freut sich dass „Experten mit Investitionen im dreistelligen Milliardenbereich bis 2050“ für das Wüstenstromprojekt „rechnen“ (Handelsblatt).
Die dahinterstehende Strategie von RWE: Vorgeben können erneuerbare Energien voranzutreiben und gleichzeitig neue Regionen für ihre Energieversorgung zu erschließen und zu verhindern, dass durch die erneuerbare Energien sich eine kleinteiligere, dezentralere Energieversorgung durchsetzt, die die Energieriesen nicht mehr unter Kontrolle hätten. Dieser geniale Schachzug liegt ganz in der Tradition der RWE-Geschäftspolitik. Mit einer Stromleitung von Köln bis nach Bludenz in Österreich erfand RWE 1924 die „Verbundwirtschaft“. Durch das Hin- und Herschieben des Stroms gelang es Spitzen und Täler im Verbrauch auszugleichen, so einen unschlagbar billigen Strom anzubieten und damit kleine Anbieter zu schlucken, Stromerzeugung und Macht zu zentralisieren. Diese Expansionspolitik ging einher mit einer „Gemischtwirtschaft“, was bedeutet dass „öffentliches und privates Kapital“ nach (privat-) „wirtschaftlichen Grundsätzen zusammenarbeiten“ (O-Ton RWE). Durch diese Verbundwirtschaft ist der Filz zwischen diesem Unternehmen und Politiker_innen auf allen Ebenen besonders intensiv.
In diesem Kontext ist es auch zu sehen, wenn die Bundesregierung um jeden Preis an einem Treffen mit Mursi festhalten will und die deutsche Presse ihn nicht wie Mubarak vor zwei Jahren „fallen lässt“. Denn so kurz vor diesem genialen RWE-Coup wäre es doch allzu schade, wenn dieser wegen ein paar Hundert erschossenen Demonstranten platzen sollte.
Wenn Mursi morgen in Berlin erwartet wird, wird es auch Proteste geben. Um 18 Uhr wird eine Kundgebung an der Ägyptische Botschaft stattfinden: Stauffenbergstraße nahe Neue Nationalgalerie
U/S Bahn Potsdamer Platz
Auserdem wird es am 31.01 eine Demonstration in Düsseldorf geben, die um 17:00 in der Innenstadt am Heinrisch-Heine -Platz startet.