Gedanken einer Waldbesetzerin zur aktuellen Situation

Disclaimer: Wie schon bei meinem letzten Text handelt es sich hier um eine hoch emotional gefärbte persönliche Perspektive.

2019: Ein schneller Kohleausstieg ist beinahe gesellschaftlicher Konsens. Als Zeitpunkt wird von 2035-2038 geredet. Eine riesige Zivilgesellschaftliche Bewegung sowie NGOs und einige Parteien bezeichnet das (absolut zurecht!) als viel zu spät. Unter dem Label „Fridays for Future“ streiken zehntausende Schüler*innen gegen unverantwortliche Klimapolitik, unter dem selben Label gehen 300.000 auf die Straße. Andere Bewegungen wie „Extinction Rebellion“ schießen aus dem Boden und bringen frische Ideen in den Protest. Beim letzten „Ende Gelände“ waren etwa 5.000 Menschen dazu bereit, für die Forderung nach einem schnellen Kohleausstieg das Gesetz zu brechen (fünfmal so viele wie beim ersten mal 2015). Das ganze ist eines der am meisten diskutierten politischen Themen.

2012: Kohleausstieg soll irgendwann nach 2050 sein. Interessiert aber niemanden so richtig. Die Kommentare der Mehrheit der Menschen, wenn sie von Garzweiler oder Hambach hören: „Wie, es wird noch Braunkohle gefördert?“ Die erste Waldbesetzung im Hambacher Forst ist bestenfalls lokal ein Thema, woanders eine Randnotiz.

Was ist dazwischen passiert? Wie konnte ein Thema, das seit Jahrzehnten da ist, plötzlich so in den gesellschaftlich Fokus geraten? Dazu gibt es vermutlich mehrere Erklärungsansätze. Aber ich denke, alle sind sich einig, dass wir ohne die Waldbesetzung und ohne illegale, teilweise militante, direkte Aktionen nicht an dem Punkt wären, wo wir heute sind.

Wenn man sich im Zeitraum 2012 bis Mitte 2018 anschaut, wann das Thema Beachtung gefunden hat, dann wird man beinahe jedes mal auf Ereignisse rund um den Hambacher Forst, auf andere Abseil- und Blockadeaktionen oder militante Aktionen und ab 2015 auch auf „Ende Gelände“ stoßen. Und vielleicht wird man feststellen, dass das Thema mit jeder Blockade, jedem Steinwurf, jeder Massenaktion, jeder Baumhausräumung, jedem Gerichtsprozess in Folge von solchen Ereignissen und jede*r Aktivist*im Knast ein wenig größer wurde (sofern es das Ereignis überhaupt in die Medien schaffte).

Und dann kam der Herbst 2018. Ich habe das ganze ja in meinem letzten Text ausführlich geschildert. Und irgendwie beschleunigte sich das Größerwerden des Thema in dem Zeitraum extrem, der mediale Hype wurde von Tag zu Tag größer. Und plötzlich hatten wir den Sprung zur Massenbewegung geschafft. Dass dann Greenpeace und Campact auf den Zug aufsprangen, war wahrscheinlich gar nicht so wichtig (auch wenn ihr rücksichtsloses Verhalten mit dem, das passierte, definitiv noch einer Entschuldigung bedarf).

Das Ergebnis dieses Monate langen Polizeieinsatzes? Auf der einen Seite riesige mediale Aufmerksamkeit für das Thema Braunkohle und Klimapolitik, eine gestoppte Rodung, man könnte sagen politischer Erfolg, der Grundstein für den Zustand, den ich ganz oben im Text beschrieben habe. Auf der anderen Seite ein Toter und ein Haufen traumatisierter Aktivist*innen, die teilweise sehr weit zerstreut sind, nicht wissen wohin mit sich, die teilweise von der ganzen Gewalt, die sie erlebt haben, zu kaputt sind, um auch nur ihren eigenen Lebensunterhalt auf die Reihe zu kriegen. Eine unbekannte Zahl an kaputten Menschen, bei denen nicht allen klar ist, ob das für sie persönlich wieder in Ordnung kommt. Es werden Narben bleiben, körperliche wie psychische.

Naja, trotz allem lässt sich nicht bestreiten, dass wir Waldbesetzer*innen unglaublich viel erreicht haben, mehr als alle Welt uns zugetraut hätte. Mir persönlich stellen sich jetzt drei Fragen:

Als erst mal etwas ganz banales, was viele vielleicht für egozentrisch und arrogant halten: Wie wäre es einfach mal mit einem Dankeschön? Ich habe nicht das Gefühl, dass denen, die die letzten fast sieben Jahre im Hambacher Forst ihre Freiheit und ihre physische und psychische Gesundheit riskiert haben und das ganze, auch als sich noch niemand dafür interessiert hat, als unbezahlten Vollzeitjob gemacht haben, von Bewegungen wie Ende Gelände, von den Leuten die auf der Großdemo am Hambi waren und von all den anderen, die sich über das freuen, was wir erreicht haben, besonders viel Dankbarkeit oder Wertschätzung bekommen. Klar, ich hab das aus Überzeugung gemacht und nicht weil ich etwas dafür erwarte. Aber ein bisschen enttäuschend ist das dann doch. Dazu kommt das Desinteresse an den Gerichtsprozessen, die Aktivist*innen wegen ihres Einsatzes in dieser Zeit gerade noch führen müssen, samt hoher Geldstrafen oder sogar Haft.

Die zweite Frage ist etwas praktischerer Natur: Braucht es die Waldbesetzung noch? Es fällt mir unglaublich schwer, diese Frage zu stellen und ich habe keine Antwort. Mit Rodungen ist in nächster Zeit nicht zu rechnen. Direkte Aktionen lassen sich vermutlich von woanders genauso effizient planen und durchführen, erst recht mit der neuen Situation. Und die Frage ist, ob dieses unglaubliche Potential an Aktionismus, Kreativität und Entschlossenheit nicht woanders, sogar in anderen politischen Themenfeldern, inzwischen nötiger gebraucht wird. Andererseits ist noch nicht sicher, ob der Wald nicht doch noch gerodet wird. Und die Besetzung ist weiterhin ein Zuhause für viele Menschen, die sonst nichts haben, und ein Raum für Veranstaltungen wie das Skillsharingcamp. Und letztendlich auch ein Symbol. Die Frage ob dieses Symbol auch in der neuen politischen Situation die Repression, den Stress oder die Energie wert ist oder ob die beim Aufbau neuer Besetzungen, beim Widerstand gegen Abschiebungen und Rechtsruck oder in ganz anderen Themen nicht besser aufgehoben ist, muss jede*r für sich entscheiden. Und auch, ob kleine radikale Aktionsgruppen bei dem Thema Kohle überhaupt noch viel erreichen können oder ob sie dafür alles getan haben, was sie konnten (ohne das es nie soweit gekommen wäre) und jetzt anderen den Kampf überlassen müssen. Die Frage tut verdammt weh. Ich habe für niemanden eine Antwort, gerade nicht mal für mich.

Das führt zur letzten Frage: Wie weiter? Sowohl für mich persönlich, als auch für die Besetzung und die Bewegung. Für mich persönlich ist sie leichter zu beantworten, die drei Optionen, die ich sehe, sind Suizid, Hedonismus oder eine neue sinnvolle Aufgabe. Für letzteres braucht es auch einen Ort, an dem ich leben und von dem aus sowas organisiert werden kann. Und natürlich ein Thema. Im großen Stil Abschiebungen verhindern? Vielleicht. Wenn ich wieder Kraft habe. Viel schwerer ist die Frage, wie es mit der Bewegung weitergeht. Im Hambi sowie bei allen damit assoziierten Menschen der letzten sieben Jahre sind unglaublich viele Skills, unglaublich viel Wissen und Erfahrung gesammelt worden. Das darf nicht einfach verloren gehen! Wir müssen irgendwie einen Weg finden, all das an andere Kämpfe weiter zu geben. Denn kleine radikale Aktionsgruppen könnten bei antifaschistischen, antirassistischen, antimilitaristischen, feministischen, Antirepressionskämpfen, der Verkehrswende und vielen weiteren Kämpfen genau solche Erfolge wie bei der Kohle erzielen!

Dieser Beitrag hat 21 Kommentare

  1. Kochkollektiv

    Vielen dank, du sprichst mir aus meiner Seele.
    Erstmal von mir und unserem Kollektiv sehr großen „Dank“ an alle Aktivisten im Hambi usw.
    Kann nur sagen, nicht unterkreigen lassen, mein mitlerweiler weit über 30 Jahre andeauernder Kampft gegen die herrschenden Zustände hat mich auch an verschiedene Punkte geführt, aber es ging dann immer mit vielen „tollen und schönen“ Menschen an einem anderen Punkt weiter.

  2. G

    DANKE! Ein großes Dankeschän an alle Leute, die ihr Leben für das Klima eingesetzt haben und es weiter einsetzen! Ich bin euch sehr dankbar, dass ihr auf große Probleme aufmerksam macht. Dass ihr da seid, wo ich gerne wäre, wenn ich nicht alte gerettete Tiere zu verosrgen hätte und deswegen unmobil bin.
    Diese „Tropfen auf den heißen Stein“, diese kleine Dinge, dieser zivile Ungehorsam oder persönlicher Widerstand sind so wichtig! Da zählt jeder kleine Tropfen, jede Idee gegen Ausbeutung und Zerstörung von Natur, Mensch und Tier, in der wir alle leben.
    Ja, klimaschonendes Leben und vor allem reduziertes Wohnen, Konsumverweigerung sind natürlich nicht gewünscht in der neoliberalen Weltordnung, aber das wird sich doch durch persönliche Tropfen ändern lassen. Ist jedenfalls meine Hoffnung!

    „Alle sagen, das ist Unmöglich! Da kam eine, die das nicht wusste und hat es einfach gemacht!“
    Aktiv bleiben gegen Zerstörung und Ausbeutung!

    Herzliche Grüße in den Wald!
    G

    Danke, ihr habt ein Wunder vollbracht!

  3. Frietogo

    DANKE
    Ich habe nie etwas von euch mitbekommen. Ich war zu jung, zu ängstlich vor politischen Themen und der Angst vor Ablehnung der Leute um mich herum. Aber danke, dass ihr es trotzdem getan habt.
    Ich hoffe, dass du es schaffst einen Weg zu finden wieder etwas zu tun, was dir Spaß macht, wo du gerne deine Energie reinsteckst. Egal ob in der Feministischen, Antimilitaristischen Szene oder sonst wo ist.
    DANKE für deine Texte und deinen Kampf

    Liebe Grüße und ein GROSSES FETTES DANKESCHÖN an alle Aktivisti aus dem Wald und sonst so

    F

  4. Kamikatze

    Erst einmal vielen Dank für Dein bzw. Eurer Engagement. Auch in Namen der vielen anderen Menschen, die mir immer wieder schreiben, wie dankbar sie für Euren Einsatz sind.
    Und ja du hast Recht. Es muss weitergehen! So viel ist im Wandel. So viele sind im Aufbruch.So viele sind endlich wach geworden.

    Trotzdem solltest du erst einmal an dich denken und ich hoffe für dich das du einen Weg findest mit dem erlebten umzugehen.

    Fühl dich von allen Supporten gedrückt.
    Wir sind im Herzen immer bei Euch Aktivisten.

    Danke

  5. Tina

    Auch von mir vielen Dank für Euren Einsatz! Ohne Euch wäre ich nicht zur Bewegung gekommen, war immer frustriert wusste nicht was ich tun kann. Die Möglichkeit, letzten Herbst zu unterstützen, hat den Umschwung gebracht. Vielen Dank!

    Wie weiter, ist wirklich die spannende Frage. Das zerstörerische System ist am Bröseln, das ist m.E. an der Gewalt erkennbar, mit der die weitere fossile Energienutzung verteidigt wird, genauso wie an der Gewalt, mit der die Festung Europa verteidigt wird. Vielleicht ist es wirklich ein Schritt, weg von den konkreten Orten, wo die Zerstörung passiert, hin zu den Orten, wo die Entscheidungen über die Zerstörungen getroffen werden. Wahrscheinlich ist beides wichtig, genauso wie das Verhindern von Abschiebungen oder die Seenotrettung auch zum Kampf dazu gehören.

  6. schnuppe

    DANKE und zwar von herzen. DANKE. fuer all das kaempfen und durchhalten. und hinhalten, von seele und koerper. ueber all so lange jahre, so lange tage und schwere stunden. ich hoffe die guten erfahrungen werden die schlimmen eines tages ueberdecken und zu kraft werden.
    denn die kraftlosigkeit ist zu hoeren, zwischen den zeilen und auch direkt darin. ich wuenschte ich koennte eine ’seelentransusion‘ geben und auffuellen, was so leer geworden ist.
    aber der kampfgeist der lodert noch. ich hoffe und wuensche, dass du fuer dich das richtige findest. ich glaube allerdings egal welches thema es sein wird, der wille, die kraft und das gute in dir, werden dir den weg leiten.
    DANKE, nochmal. von HERZEN! an dich, und all deine freund*innen und weggefaert*innen.

  7. ol&dirty!

    Auch von mir ein großes DANKE!
    Ich gehöre zu jener schon etwas in die Jahre gekommenen Generation, die sich gerne und lautstark über das Verschwinden radikaler Proteste beschweren. Die einzige Antwort, die ich darauf finde, ist eine ständige Suchbewegung, auch wenn leider eher selten was zu finden ist. (ein kleiner hint, da du selbst jetzt auch suchende bist: es müssen nicht immer die großen sachen sein, auch so manch kleines zahlt sich aus)
    dafür,dass ihr gemeinsam mit anderen (zad,…) orientierungspunkte bei dieser suche geliefert habt:
    merci beaucoup!

  8. Loewenherz

    Leute, es war goldrichtig, ganz genau so, wie das jeder einzelne von Euch getan hat. Unendlich vielen herzlichen Dank! Ihr seid viel weniger allein, als Ihr Euch das jemals erträumt. Euer Freud und Leid wird eng geteilt. Ihr seid in vielem Vorbild und Eure Erfahrung wird fortentwickelt. Die Welt und Eure Mitmenschen brauchen jeden Einzelnen von Euch, ein langes Leben lang! Und ja, die Hambi-Besetzung muss und wird leben. Sie wird auf zwei Beinen stehen: Erstens im Hambi und zweitens wird sich eine zweite Heimat finden, in einem schönen Privatwald, immer in tiefstem Frieden.

  9. Lina

    Vielen Dank auch von mir!
    Ich habe es nie geschafft soweit zu kommen wie Ihr. Als ich die Möglichkeit einer Besetzung fürmich sah, war ich allein auf weiter Flur. Auch der Vorschlag in großer Runde fand keinerlei FreundInnen – Stichwort Mühlenberger Loch – später wurde ich auch unflexibler, mehr als Demos war nicht mehr drin.

    Wure Radikalität, Euren Mut, Euer Durchhaltevermögen und Eure Verantwortungsübernahme finde ich toll! Danke, dass Ihr so lange durchgehalten habt und weitermacht – wie auch immer. Übernehmt nur nicht die gesamte Verantwortung der ganzen Welt. Als Lösungsmöglichkeit schreibst Du auch Suizid auf. Ja, den Gedanken kennen wohl alle, die sehenden Auges durch die Welt gehen. Wenn aber ausgerechnet die sich verabschieden, dann wird es nicht besser werden. Für niemanden.
    Das meiner Meinung nach größte Problem ist, dass es an so vielen Ecken brennt. Und kaum jemand sich traut dies deutlich zu benennen und noch weniger trauen sich, daran zu rütteln.
    Ihr habt es getan. Ihr habt an den Gittern unseres Gefängnisses gerüttelt. Laut und deutlich und dabei gezeigt, dass es auch anders geht. Ihr habt anders gelebt. Ihr habt bewiesen, dass es anders geht. Und Millionen Menschen haben das gesehen. Einige vielleicht nur am Rande, aber sie haben gesehen, dass es andere Möglichkeiten gibt. Das ist mehr wert, als jeder noch so gute Vortrag.
    Dennoch möchte ich allen LeserInnen ein Video empfehlen, denn hier wird recht deutlich, was insgesamt (nicht nur individuell) zu tun ist.

    Video: „Die Grenzen des Kapitalismus und der sozial-ökologische Umbau“ https://www.megamaschine.org/videos-2/

    Herzliche Grüße und viele knuddelige Umarmungen <3

  10. Pumuckel

    Genauso unendlich dankbar wie ich euch allen im Hambacher Forst bin,
    sind es zig Menschen, davon bin ich fest überzeugt,ihr habt mich und zig andere Menschen „wach gerüttelt “ ,wohne nicht weit weg vom Wald, war viele Male dort, hab im letzten Herbst einen Polizeieinsatz hautnah miterlebt ,gesehen , wie brutal gegen wehrlose Menschen vorgegangen wurde, wie kann man so ein, für mich verwerfliches Verhalten , mit seinem Gewissen vereinbaren.?
    Wünsche allen betroffenen „Waldmenschen“ gute Genesung und alles erdenklich Gute für die Zukunft, lg aus der Nähe vom Hambi

  11. Peter

    Disclaimer: Emotionsloser Kommentar

    Damit es nicht so lang wird, konzentriere ich mich zudem auch mal mehr auf Einzelaspekte.

    Die Anregung, ein Dankeschön ausgesprochen zu bekommen finde ich weder egoistisch, arrogant noch sonstwie verwerflich.
    Du artikulierst einfach einen bescheidenen Wunsch/ein Bedürfnis, was besser sein kann, als die eigebnen Gefühle zu unterdrücken.
    Ich würde aber nicht meinen, dass Menschen, die öfters Dankeschön sagen, mehr Respekt zeigen als Menschen, die das weniger oft tun.
    Ich selbst habe das oft genug erlebt, dass Menschen, die sich vorbildlich und intensiv einsetzen nicht nur sehr selten ein Dankeschön gesagt bekommen, sondern auch noch kritisiert wurden, wenn mal was nicht so gut läuft.
    Schnell wird Engagement als Selbstverständlichkeit angesehen und dann werden auch noch Leute gelobt, die mal ausnahmsweise was getan haben.
    Das Problem ist meiner Meinung nach keine neuere Entwicklung, sondern das war auch schon vor der Erfindung des Smartphones so und das habe ich auch in jüngerem Alter schon so wahrgenommen.

    Die Kritik der Großdemo und der NGO’s, die die Veranstaltung mitorganisiert haben, ist für mich einleuchtend und berechtigt.
    Die Kritik an z. B. Ende Gelände ist nicht so klar. Die machen halt ihr Ding, aber das ist ja denen ihre Sache.
    Dass es zwischen Aktivistis und anderen Organisationen keine tiefergreifende Kooperation gibt und es öfters zu Misstönen kommt, liegt meiner Meinung nach an wechselseitigen Gründen. Ein nicht unwesentlicher Faktor ist dabei auch, dass Ihr keine festen Vereinbarungen treffen/einhalten könnt, weil es keine Organisation bei Euch gibt, in der Menschen für andere mitentscheiden könnten.
    Grundsätzlich hat sich ja z. B. Greenpeace weder vor der Räumung noch nach der Großdemo viel um Euch geschert. Und Ende Gelände ist ja auch nur einmal im Jahr in der Nähe aktiv. Also richtig darüber aufregen müsstet Ihr Euch deshalb nicht.
    Sollte es überhaupt noch mal eine größere Demo/Veranstaltung geben, könntet Ihr das ja zur Sprache bringen und/oder zum Boykott aufrufen. Da das vielleicht aber gar nicht passieren wird, sehe ich da keinen Grund für länger andauernde Aufregung.

    Was die Prozesse angeht: Momentan läuft ein Prozess gegen eine Aktivistin vor dem LG Köln, die zwar nur ein oder zwei Wochen im Hambi war, aber die sich bewusst dafür entschieden hatte, sich inhaftieren zu lassen, obwohl sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit höchstens eine Bewährungssstrafe bekommen hätte. Also schon auch äußerst interessant. Sowohl für Menschen, die sie supporten wollen als auch, um allgemeine Aufmerksamkeit erzielen zu können. Informationen über den Termin sind von euch meiner Meinung nach nicht veröffentlicht worden (v. a. nicht da, wo sie hätten auf jeden Fall veröffentlicht werden müssen, nämlich beim abc Rhineland). Auch sonst sind die Informationen bzgl. Prozessterminen und -geschehen teilweise recht dürftig, z. B. ob gegen Urteile Rechtsmittel eingelegt wurden usw.
    Also wenn Ihr an Support interessiert seid, würde es sich durchaus empfehlen, hier besser zu informieren.

    Die drei Optionen Suizid/Hedonismus/neue Aufgabe habe ich grundsätzlich auch, auch wenn ich gedanklich z. B. vom Suizid weit entfernt bin. Das ist jetzt keine so starke Besonderheit, wie Du das andeutest.
    Du hast vollkommen Recht, dass die Lage momentan unübersichtlich ist, wie es mit der Besetzung weitergeht, was die drängendsten Probleme sind usw.
    Aber Du bräuchtest ja diesbezüglich keine Entscheidungen zu treffen, die Dich lange binden. Das Know-how ist allgemein da; Leute, die mal Teil der Besetzung waren, können das anderswo einbringen und andere Bewegungen können Euch um Rat fragen, wenn sie das möchten.
    Im Wald gibt es sicher viele Sachen zu tun, die Du machen kannst (z. B. Vermittlung von (teils überlebensnotwendigen) Skills an die neueren Besetzis), und sonst schließt du Dich halt anderen Initiativen an.
    Also meiner Meinung nach kannst Du ziemlich frei entscheiden und bräuchtest Dir nicht zu viele Gedanken zu machen.
    Ich weiß natürlich, dass das alles einfacher gesagt als getan ist, weil du sicher ja auch noch stärker unter den Erlebnissen der Räumung und deren Nachwirkungen leidest.
    Im Zweifelsfall würde ich an Deiner Stelle erst mal sehen, wieder in die Spur zu kommen und nur an Dich selbst zu denken und nicht an andere. Es ist zwar richtig, dass Du an ambitionierten Aufgaben Freude und Erfüllung finden kannst, aber da kannst du auch schnell wieder ähnliche Scheiße (Unvernunft, Leid) erleben.

    Egal ob das jetzt noch 1 Monat, ein halbes Jahr oder vielleicht im Extremfall 3 Jahre dauern könnte, bis du wieder voll leistungsfähig bist:
    Ich denke, Du hast sehr gute Chancen, aus der Krise gestärkt hervorgehen zu können und statistisch hast du noch jede Menge Lebenszeit vor dir, in der Du dann gesund und munter viele der Aufgaben erfolgreich angehen kannst, für die Du Dich einsetzen möchtest.

  12. Müsel

    Ich hatte das Glück, bei Euch ein paar Wochen vor der Großräumung dazuzustoßen, und bin glücklich über die damals so herzliche Aufnahme.
    Und neben all den hervorragenden Aktionen für die Sache: fast noch wichtiger fand und finde ich den herrschenden Grundspirit, den ihr prägtet und prägt. Und der von Vielen aufgenommen und im Herzen weitergetragen wird. Ihr habt einen Platz geschaffen, in dem Menschen eine Umgebung haben, in der sie ein wärmeres Miteinander leben (oder leben lernen können), in dieser kalten Zeit. Wo Schwächen nicht zu Ausgrenzung führen,Menschen sich nicht verstellen müssen und „Besitz“ nichts bedeutet.In dem Hierarchien und Konkurrenzdenken keinen Platz finden. Wo Menschen ein -auch geistiges- Zuhause fanden und finden, die in diesem Scheißsystem drumherum sonst längst kaputtgegangen wären. Wo Menschen sich überzeugen konnten, daß es ein anderes Miteinander geben kann und gibt, als zu dem uns die Konsumgesellschaft 2.0 erzieht.Ihr habt Menschen davor bewahrt, Zahnräder zu werden und zu sein! Ich habe auch schon mal auf einer Räumung alles verloren, und habe entschieden, diesen unseren Spirit in die nächste Aufgabe mitzunehmen, sei es profanes Schnorren oder sonst eine Tätigkeit, sei es die nächste Besetzung. So bin ich dann auch zu Euch gestoßen. Wir dürfen nicht verbittern, dafür haben wir viel zuviel Positives erreicht, und unsere Skills sind wertvoll, sie müssen weitergetragen werden ! Und das werden sie! Manchmal sogar von BesucherInnen die nur kurz da war’n aber sehr beeindruckt. Manchmal von uns. Du hast eine Botschaft mit jedem Schritt, den du tust. Und sie wird gebraucht und macht die Welt ein bischen wärmer und herzlicher. Und grad im Hambi war wieder zu erleben: In unseren Gemeinschaften ist niemand allein, es sind Menschen da, die helfen, die Wunden zu verarbeiten, die der Kampf für eine andere Welt mit sich bringt! So wie wir für andere da sind! Wir brauchen Ausdauer,und mit der Liebe und Hilfe untereinander werden wir sie haben!
    Das erste Schild nach meiner Ankunft im Barrio war :“If you see a job, it’s yours“. Den lieb ich. Denn alles, was voranbringt kann Job sein. Manchmal auch kurz innehalten und Batterien aufladen, manchmal spülen und manchmal mit Fremden Gedanken austauschen. Wir lassen uns doch nicht von anderen vorschreiben, was sinnvolle Tätigkeit ist! Dieses Scheißkapitalistische System und die Repression macht, klar, auch mich manchmal fertig. Diese Tatsache aber macht mich wiederum so sauer, daß ich jede Träne, jedes Leid wiederum an die Absender zurückschicken werde! Der Kampf geht weiter! Anarchie ist keine Illusion!
    In diesem Sinne alles Liebe, viel Kraft und bis bald!
    Müsel

  13. Baumfreundin

    Ich schließe mich allen an, die hier „Danke“ gesagt haben. Danke dafür, dass wir jetzt hoffentlich bald einen ordentlichen Kohleausstieg bekommen, denn das wäre ohne den „Hambi“ sicher nicht so.

    Aber noch ist es nicht so weit. Der Kohleausstieg, wo ist er denn eigentlich gerade? RWE baggert doch fleißig weiter, reißt Dörfer ab, und irgendwie steht das in keiner Zeitung…

    Wann bekommen wir denn nun den Kohleausstieg, bzw. wann gehen endlich die Kohlekraftwerke vom Netz? Wenigstens mal eins, so für den Anfang?

    Mir scheint die Politik hier irgendwie fest zu stecken. Die CDU/CSU will einfach nicht diejenige Partei sein, die Kraftwerke abschaltet (die keiner mehr braucht) und den Konzernen sagt, dass sie keine Entschädigung für den entgangenen Profit bekommen. Sie will irgendwie auch nicht diejenige Partei sein, die den Konzernen sagt, dass sie demnächst die Rechnung für den Klimawandel präsentiert bekommen, und zwar ganz offiziell und per Gesetz. Und die SPD? Ist hin- und hergerissen, zwischen Kumpeltum und traditioneller Verhaftung mit dem Bergbau und den Herausforderungen, die der Klimawandel mit sich bringt.

    Irgendwie wollen die da nicht so richtig. Und die Kohlekommissionsmitglieder sind schon längst zuhause. Jetzt muss aber ein Gesetz her! Und das scheint es noch lange nicht zu geben. So lange gibt es auch keinen Kohleausstieg, so lange machen RWE und Konsorten weiter und es ist das nächste profitable Geschäftsjahr zu Lasten der Atmosphäre…

    Für Dich – und viele andere, die ihre Energie gegeben haben – heißt das aber nicht, dass Du jetzt unbedingt weiter aktiv dieses oder jenes tun musst. Wir sind alle nur Menschen. Wer übermenschlich viel getan hat und jetzt selbst nicht weiß, wo er oder sie bleibt, der oder die muss natürlich erst einmal wieder Kraft schöpfen…

    Viel Glück für Dich – und sei nicht so hart: Ganz viele Menschen denken an Euch, und haben schon ganz viel Gutes getan…

  14. Baumfreundin

    Für die ganzen Umweltaktivisten, vor allem die jungen Leute, müsste es Beratungsstellen geben. Denn natürlich müssen die auch irgendwann von eigenen Einkünften leben, und nicht nur von Spenden, und brauchen eine Perspektive.

    Perspektiven, die können z.B. ein Studium sein, das mit BAföG gefördert ist, oder eine Ausbildung.

    Wo sind die Beratungsstellen für junge Umweltaktive, die nach einer Grundlage für ihr eigenes Sein suchen, welche ausnahmsweise einmal eine materielle sein darf/muss?

    Diese jungen Leute sind unsere Zukunft und sie müssen auch in ihrem mehr oder weniger „bürgerlichen“ Dasein unterstützt werden.

    Ein Beispiel: Ganz viele Alt-68er sind Lehrer geworden! Und was haben sie gemacht, als sie Lehrer waren? Urlaube geplant und sich auf die Pension gefreut? Nicht nur. Sie haben die Schüleris (u.a. mich in den 80er und 90er Jahren) über die Umweltthemen und den Klimawandel aufgeklärt. Und genau diese Saat ist mit den Schüleris, die jetzt auf die Straße gehen aufgegangen. Ein Hoch auf die Lehrer*innen! Und das zeigt doch, dass es echt sinnvoll sein kann, wenn ein junger Aktivist, eine junge Aktivistin sich – nachdem er/sie total ausgebrannt und erschöpft ist vom Engagement, sich von der „bürgerlichen“ Gesellschaft ein bisschen integrieren lässt, einen Platz findet und von dort aus weiter macht.

    Viel Glück! und: Wo sind die Beratungsstellen??

  15. Sailor

    Wer sich an illegalen Maßnahmen beteiligt (wie z.B. Waldbesetzung) darf sich nachher nicht beklagen, dass seine psyschische Stabilität abhanden gekommen ist. Wenn das so ist, hatte derjenige oder diejenige auch schon vorher einen an der Waffel. So eine Besetzung ist nichts für Warmduscher und Nervenschwache.
    Wollt das mal mit wenigen Sätzen auf den Punkt bringen.

    1. ink

      Meine „Einzelmeinung“ : Mutig ist, wer mögliche Gefahren und Risiken kennt und sich trozdem für Ziele einsetzt. Tapfer ist, wer „leiden gemacht wird oder wurde“ und sich trozdem noch weiter für Ziele einsetzt. Für z.B. wie bewundernwert oder wie dumm oder wie abstoßend ich „den Mut“ und „die Tapferkeit“ von Menschen halte, liegt an deren Zielen, Haltungen und Handlungen allen Lebewesen gegenüber!
      Alles klar?
      Ich bewundere „die sich für Naturerhalt / Naturrettung, Lebenserhalt / Lebensrettung“ einsetzen, sie haben „alles Recht der Welt auf maßlose Anerkennung und Trost / Hilfe “ und wenn gewünscht, meine mir mögliche Unterstützung!
      Beispiele für mich von verachternswertem Mut / Tapferkeit sind z.B.: hilflose und /oder ausgelieferte Personen mißhandeln, sturzbesoffen ein Fahrzeug fahren, aufgrund von Befehlen gegen Lebewesen gewaltsam vorgehen.

      P.S.: hey waldbesetzerin, zu euren spuren …wirkung… beim schreiben von „der mut“ und „die tapferkeit“ dachte ich gleich über bedeutung und sinn der artikel nach, hambi ist überall
      Liebe Grüße

    2. Udo

      Für mich hat eine*r einen an der Waffel der/die meint- mir geht es gut, weiter so.
      Die Geschichte zeigt dass Kulturen auf ihrem Höhepunkt zerfallen und verschwinden. Mein Problem ist jetzt dass ich in diesem Weltweiten Kulturkreis lebe, Kinder habe und den Zerfall in nie dageweser Größe vor uns sehe.
      Mein DANK gilt ALLEN die etwas zur rettung UNSERER Welt tun und mein Kampf den WEITER SO Schwätzern und deren Handlanger mit all ihrer Gewinnoptimierung.

  16. Waldmenschin in der Stadt

    Zu deinem Punkt, ob es die Waldbestzung noch braucht:
    JA.
    Es braucht sie als Symbol, aber vor allem als den Begegnungspunkt für Menschen, die in den von dir genannten Bereichen wirken und sich engagieren! Ich nehme gerade einige Wochen Auszeit vom Wald und kann von hier „draußen“ (der Stadt) gerade nochmal klarer erkennen, dass dieser Schutzraum und Freiraum und Experimentierraum in seiner aktuellen Form unersetzlich ist! ALlein dafür braucht es die Besetzung, denn die Bagger die da näher rollen sind bei Weitem nicht das einzige Problem, das es gesellschaftlich anzugehen gilt. Für den Austausch, das Vernetzen, das Sichzurückziehen, das Reflektieren und das Erfahren von Gemeinschaft alles an einem Ort ist der Hambi mit seinen darin lebenden und ihn immer wieder aufsuchenden Menschen unverzichtbar. Für mich persönlich ist er Zuhause und Ausgangspunkt für Prozesse, die so in dieser Form nicht geschehen könnten, wenn es die Besetzung nicht mehr gäbe. Abgesehen davon sind die (wir) BesetzerInnen AnsprechpartnerInnen für alle Interessierten, die in diesen Wald kommen. Und natürlich braucht es die Besetzung auch, um RWE nicht unbeobachtet dort wüten zu lassen. Aber natürlich ist RWE nur ein Beispiel, eine Repräsentantin für so vieles was schief läuft. Lassen wir das Leben im Wald und unsere Leben zu einiem großen Skillsharing werden. Ich glaube nicht, dass es dafür tatsächlich die Besetzung an dieser Stelle für immer braucht, aber jetzt grade im Moment sowas von auf jeden Fall. DANKE mir, dass ich bereit bin, meine eigenen Grenzen zu überwinden und auch immer wieder zu lernen, so dies grade nciht nötig oder möglich ist. Und DANKE euch, die ihr vor mir im Wald gewesen seid, dass ihr diesen Ort erhalten und geschaffen habt.

  17. G

    Danke! Macht bitte weiter!
    Bitte kein Suizid, dass würde ja nur wieder der Neoliberalen Politik in die Hände spielen! Menschen die sie nicht ausbeuten kann, die eigene Meinungen vertreten, verschwinden lautlos.

    Danke! Ihr seid großartig!
    Und habt soviel erreicht!
    Herzliche Grüße, g

    http://www.mein-grundeinkommen.de alle mitmachen!

  18. g

    Wie weiter?
    Im Widerstand weiter, bitte!

    die Verlierenden der gegenwärtigen Macht- und Wirtschaftsordnung sind:
    etwa 50 Mio Menschen pro Jahr
    800 Mio Menschn in Unterernährung
    1 Milliarde Menschen am Rande des Existenzminimums
    12 Mio Deutsche von Armut bedroht
    6 Mio jährliche Opfer durch Umweltzerstörung
    Zivile Opfer der Bomben etwa 1,3 Mio
    im Knast sind die Leute, die gegen Wirtschaft und Finanzen agieren

    Fakten aus: Warum schweigen die Lämmer??, Prof Mausfeld

    Deswegen! werden wir/ihr/DU so sehr gebraucht! Der Widerstand gegen Ausbeutung und Unterdrückung, ziviler Ungehorsam, so wie IHR es macht, ist zur Zeit das Wichtigste, finde ich!

    Danke, dass ihr so viele wichtige Dinge über die Umwelt und das System wisst, dass ihr so lebt, wie ihr es tut! Mit Körper, Geist und Seele gegen die Ausbeutung!
    Bitte, bleibt da weiter dran! Graswurzeln brauchen wir dringend!
    Herzliche Grüße!

  19. John F.

    Erstmal ein ganz großes Danke! an alle Aktivistis!
    Ihr seid richtig krasse Leute, was ihr geleistet habt ist Wahnsinn!
    Doch das ganze ist nicht vorbei, nicht bevor die verdammten RWE-Kapitalisten ihren letzten Bagger verschrottet haben und das letzte Kohlekraftwerk abgeschaltet ist!

    Ich als Mitglied einer F4F-Orgagruppe bin der Meinung, dass der Hambi ein so wichtiges Symbol des Klimakampfes geworden ist, dass er unbedingt weiter gehalten werden muss.
    Ich hoffe selber bei der nächsten Skillsharing-Woche teilnehmen zu können und könnte mir sogar vorstellen ganz die Schule zu schmeißen und mein Leben dem Aktivismus zu widmen.
    Jetzt abzubrechen wäre fahrlässig und könnte RWE und NRW dazu bringen den Wald doch noch zu roden.

    Mittlerweile ist der Bambi ja auch für viele ein zuhause geworden und ein Beispiel dafür, dass es keinen Staat braucht um ein funktionierende Gesellschaft zu haben!
    Es mag auch andere wichtige Sachen geben, aber der Kampf gegen die Klimakrise ist so unnormal wichtig, dass er ganz oben stehen sollte.

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