Die Tücken der Traumaverarbeitung – Persönliche Rückblicke Teil 3

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Über die Erlebnisse und Traumata der Räumung und über den Verlust des eigenen Zuhause ist bereits geschrieben worden. Dem ersten genannten Artikel kann ich mich in vielen Punkten einfach nur anschließen.
Ich will in meinem Beitrag den Fokus darauf legen, wie ich darum kämpfe, diese Traumata zu verarbeiten.

Meine erste große Verlusterfahrung war die Räumung von LAUtonomia. Mein erstes eigenes Zuhause, endgültig zerstört in meiner Abwesenheit, während ich in der Uni saß und nichts tun konnte. Dass wir keine Wiederbesetzung geschafft haben, war der Grund, warum ich schließlich mehr oder weniger im Hambi landete.
Das Trauma aber blieb unverarbeitet, bis in diesem Frühjahr ein persönliches Trauma dazukam, eine Verlusterfahrung, die zwar vom Wald geprägt war, vor der ich aber auch in einem bürgerlichen Leben nicht gefeit gewesen wäre.

Daraufhin war ich das erste Mal seit der LAUtonomia-Räumung wieder im dortigen Wald.
Den Waldweg herunterzulaufen löste einerseits ein Gefühl, zu Hause zu sein aus, andererseits war ein paar hundert Meter weiter schon das Ende zu sehen. Eine Szene wie aus der Unendlichen Geschichte.
Die ausgerissenen Baumstümpfe lagen noch da, der damals mit besetzte Jägerhochsitz stand noch. Ich fand an den Stellen, wo die besetzten Bäume hätten stehen sollen noch bearbeitetes Holz, Bauholz.

Eine Woche später gab ich die Uni auf und zog endgültig in den Hambacher Forst.
Für mich schien es die einzige Möglichkeit, mich nicht zu verlieren.

Aber eben als ich angekommen war, halbwegs meinen Platz gefunden hatte, begannen hektisch die Räumungsvorbereitungen. Dieweil ich die Bodenstrukturräumung im Wald miterlebte, begann die Baumhausräumung, als ich nicht im Wald war.

Während so viele liebgewonnene Menschen, Freundis und Mitbewohnis, eins nach dem anderen geräumt wurden,
übernahm ich Hintergrundarbeiten und musste ein ums andere Mal von der Nachtschicht aus dem Büro geprügelt werden, damit ich mal Pause mache.

Bis ich schließlich nicht mehr damit klarkam, all die Gewalt, all die Zerstörung nur vom Erzählen zu kennen – während mein Zuhause damit ebenso weg war wie das der Menschen, die es verteidigt haben bis zum Schluss, die auf den Bäumen waren. Also ging ich kurz vor Ende der Räumung noch in den Wald und ließ mich räumen.

Und während viele meiner Mitbewohnis wieder in den Wald zogen, verpasste ich den Anschluss.

Also suche ich mir andere Orte, von denen ich glaube, für meine Traumabewältigung förderlich zu sein.
Es tut gut, darüber reden zu können, aber es birgt Risiken.
Zum Einen fällt es mir leichter, über die erfahrene Repression und den Verlust des Zuhause zu reden, obwohl andere Traumata viel präsenter in meinem Kopf sind.
Zum Zweiten kommen von Externen oft so Rückfragen wie „Warum tust du dir das an?“ oder Versuche, das Handeln der Polizei zu rechtfertigen. Die Fragen mögen aus ehrlichem Interesse gestellt sein, drängen mich aber ebenso wie Rechtsstaatsapologetik in die Position, mich rechtfertigen zu müssen.
Ja, ich könnte die Traumata (über die ich rede) vermeiden. Millionen anderer Menschen können das nicht.
Und ja, ich kann nachvollziehen, dass es aus Sicht des Staates nur konsequent ist, unsere Träume, Hoffnungen, Ideen, unser Leben zu zerstören. Aber dass ein Arschloch ein in sich passendes Weltbild hat, in dem es OK ist, freizügig gekleidete Menschen auch ungefragt anzufassen, heißt noch lange nicht, dass er*sie es auch tun darf. Dann ist vielleicht einfach sein*ihr Weltbild scheiße.
Eine Welt, in der es OK ist, die Lebensgrundlage, Träume, psychische und physische Gesundheit, das Leben von anderen Menschen zu zerstören ist durch nichts zu rechtfertigen, sondern einfach scheiße. Konsequente Scheiße.
Ich würde gerne darüber diskutieren, aber jetzt grade muss ich mich um meine Traumata kümmern, also: Nein. Akzeptiert einfach, was ich mache oder lasst mich in Ruhe.

Und auch diesem Satz aus einem anderen Artikel muss ich mich anschließen:
„Am Ende tut Liebeskummer dann doch mehr weh als jede staatliche Repression.“
Je mehr uns angetan wird, desto wütender werden wir. Aber während unsere Wut auf RWE, die Polizei und Gerichte schlimmstenfalls hilflos ist, verletzt uns unsere Wut auf Menschen, die wir eigentlich lieb haben, am allermeisten selbst.
Und gleichzeitig entsteht dadurch eine Situation, die wesentlich komplexer ist als so eine Räumung oder Razzia. Und das wiederum führt dazu, dass das persönliche Trauma schwerer zu erzählen und schwerer zu verarbeiten ist.

Aber nur die Mischung aus allen Gewalt- und Verlusterfahrungen macht mich richtig fertig.

Dieser Beitrag hat 7 Kommentare

  1. Peter

    Evtl. wirst Du außer Mitleid keine Reaktionen auf Deinen Artikel bekommen.
    Ich weiß nicht, ob das überhaupt Deine Absicht sein könnte und ich glaube auch kaum, dass Dir das in irgendeiner Form helfen würde.
    Sicher wirken so viele Traumata niederschmetternd. Auf einen Schlag sind die Probleme auch niemals loszuwerden.
    Aber einzelne Sachen wirken für sich genommen vielleicht weniger bedrohlich und können so leichter angegangen und bewältigt werden.
    Vielleicht ließe sich das ein oder andere Problem sogar einfach abhaken. Der Vergangenheit nachzutrauern macht in den wenigsten Fällen Sinn.
    Es ehrt Dich natürlich, dass Du Dich so stark einsetzt.
    Ich würde es an Deiner Stelle aber besser nicht riskieren, dass noch weitere Traumata dazukommen könnten.
    Gefahrensituationen vorerst komplett fernzubleiben ist sicher keine verkehrte Maßnahme.
    Irgendwas wird Dir schon auch einfallen, wo Du Dir Selbstvertrauen und Erfolgserlebnisse holen kannst, um schnell und gut aus der misslichen Lage herauszukommen.
    Ich bin da ganz optimistisch.

    1. Ekim

      Die erste These kann ich widerlegen. Ich kann die Gefühle, die der Artikel in mir ausgelöst hat, schwer beschreiben, was wahrscheinlich mehr ein allgemeines Problem von mir ist, aber Mitleid ist definitiv nicht dabei.
      Wahrscheinlich ist Mitleid in dem Fall tatsächlich auch nicht sonderlich hilfreich, aber vielleicht war es schon hilfreich, überhaupt diesen Text geschrieben zu haben.
      Und vielleicht ist dieser Text nicht nur eventuell für das ihn verfassende Wesen, sondern auch für andere, die ähnliches erlebt und gefühlt haben hilfreich.
      Vielleicht hilft dieser Text Menschen, auch ohne eine direkte Lösung zu bieten, zeigt Menschen, dass sie nicht alleine sind mit ihren Gefühlen, dass sie nicht die einzigen sind, die ein Trauma nicht einfach so wegstecken. Und, dass das alles andere als ein Zeichen von Schwäche ist.
      Natürlich ist der Vergangenheit nachzutrauern und das ewige ‚Was-wäre-wenn‘-Spiel nicht sinnvoll. Aber das menschliche Gehirn ist nun mal verdammt gut darin und vielleicht ist es eben manchmal notwendig, sich mit der Vergangenheit auseinander zu setzen, bevor mit der Zukunft weiter gemacht werden kann.
      Lebenswege aufzugeben, um Traumata zu verhindern, kann am Rande der Selbstzerstörung sinnvoll sein, ist aber oft ein schneller Weg ins Nirgendwo.

  2. Moni

    Hallo.. Ich finde es richtig daß du dich hier zeigst und bei mir etötest du auch nicht nur Mitleid sondern neben tiefstem Mitgefühl auch vollsten RESPEKT für deinen Einsatz..Jeder der sich sowie „antut“ gehört für mich gefeiert und anerkannt. Es sind ganz besondere Menschen die fähig sind alles hinter sich zu lassen um dort zu sein wohin ihr Herz sie führt. Es ist und bleibt aus meiner Sicht absolut vorbildlich – u.z. natürlich inklusive Schach Momente u aller Zweifel und -sehr verständlicher-Wut. Ich habe noch nie irgendwoanders so eine echte Liebe unter Menschen gefühlt wie im Hambi—- Liebe Grüße zu dir..mögest du das alles verarbeitet kriegen!

  3. Bodha

    Mich hat der Artikel auch berührt. Ich denke schon lange, dass die Gewalt die da vom System angewendet wird seelisch nicht leicht verkraftbar ist. Vergiss niemals, dass du etwas sehr Wertvolles, Gutes und Richtiges gemacht hast. Ohne Leute wie dich wäre der Hambi längst weg und der Protest und das Bewusstsein in der Bevölkerung nie so groß geworden. Danke dafür! !! Und Kopf hoch. Was de Liebesenttäuschung angeht, wenn das noch dazu kommt und es einfach zuviel wird vielleicht holst du dir Hilfe. Das kann auch ein spiritueller Weg sein oder einfach nur alles was dir gut tut, um dich zu erholen.Finde es toll wie ehrlich, mutig und aufrichtig du bist und hier schreibst. The heart will be broken until it is open. … ein alter Sufism Spruch, der mir mal geholfen hat. Alles Gute für dich.

  4. Waldfrieden

    Eine für die Traumaverarbeitung hilfreiche und langfristig wirksame Methode zu finden, bleibt alleine der/ dem Betroffenen vorbehalten, dies schon aufgrund ihrer/ seiner ausschließlich individuellen Erfahrungen.

    Ob dazu eine kurzweilige oder vllt. längerfristige Abwesenheit/ Distanz vom direkten Ort des Geschehens notwendig ist, oder aber ein ununterbrochenes Engagement möglich sein kann und inwieweit es evtl. sogar wichtig für Traumatisierte ist, möglichst vor Ort oder in der Nähe „dran zu bleiben“, hängt von vielen Faktoren ab, die für NICHT-Betroffene aus Distanz betrachtet schwer nachvollziehbar sein dürften…

    SOLIDARISCHE GRÜSSE AN ALLE TRAUMATISIERTE 🙂

  5. Tip

    Wenn du ein paar Tage Ruhe brauchst und eine Couch zum Übernachten, dann frag doch mal bei Christian und Edith nach. Wenn du bei Lautonomia dabei warst wirst du sicher wissen wen ich meine.
    Danke für deinen Einsatz für den Urwald Weisswasser und für den hambi.

  6. Kito

    Traumabewältigung:
    Manchmal sitze ich abends, wenn ich mal allein bin in meiner Ecke und schaue mir einige der vielen Videos vom „Alten Wald“ bei Weißwasser an, der nun nicht mehr ist. Manchmal im Frühjahr/Sommer/Herbst geh ich noch zum Tagebaurand und beobachte Fledermäuse und Amphibien, höre den Ziegenmelker schnurren und die Kröten und Frösche, sammle Beeren und Pilze, wenn die denn sind und nehme Pflanzen fotografisch und per GPS auf. Ich treffe manchmal zufällig gute Bekannte aus den Orten, die es ebenfalls dort hinzieht, auf ein interessantes Gespräch. Dann weiß ich, man ist nicht allein und das Leben geht irgendwie weiter. Danke an NABU-Chris, Garten-Chris, Heinrich, Katrin, Jens, Ingo, Edith, Hans-Joachim den Urwaldmaler, viele andere auch wenn es keine LAUTIES sind und waren. Neujahrsgrüsse gehen an alle Hambilauties und alle, die Hunderttausenden die sich für den Umweltschutz/Naturschutz engagieren und ihn wie der bereits leider verstorbene Fritz leben.

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