Dear Life, i want my Meadow back – Persönliche Perspektive einer Aktivistin auf die Ereignisse der letzten Monate – Achtung, Gefühle!

Mit dem Rodungsstop für voraussichtlich mehrere Jahre, haben wir einen riesigen Sieg errungen. Warum also trauere ich?

Triggerwarnung: Polizeigewalt, psychische Gewalt, psychische Folgen von Gewalt, Suizid(versuche), der Tod von Steffen, Sex, Emo-Zeugs generell

Spätestens seit dem 28. August dieses Jahres haben sich die Ereignisse im Hambacher Forst überschlagen, und erst Mitte Oktober ist langsam wieder Ruhe eingekehrt, zumindest sind die Veränderungen und Ereignisse nicht mehr ganz so sichtbar. In der Zeit ist sehr viel passiert und vieles davon ist in der öffentlichen Wahrnehmung nicht sichtbar. Und überhaupt keine Beachtung findet die Frage, wie es mit all den Ereignissen und all den Veränderungen eigentlich den Aktivistis geht. Ich möchte hier eine sehr persönliche und emotionale Perspektive auf den „Hambacher Herbst“ darstellen und hoffe, dass andere meinem Beispiel folgen und es Lesis möglich machen, einen Blick hinter die Kulissen und unter die Vermummungen zu werfen. Also liebe Mitstreitis, schreibt doch auch mal einen Text darüber, wie ihr die Räumungen und die Zeit danach erlebt habt, was dabei in euch vor ging und wie es euch jetzt geht. Ich bin sicher diese Perspektiven sind für einige Leute bereichernd.

In dem Text hier geht es um persönliche Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen, nicht um politische Betrachtungen, strategische Überlegungen oder einen versucht neutralen Tatsachenbericht und ich würde euch alle bitten, ihn auch so zu lesen. Wenn euch Emo-Zeugs von Aktivistis nicht interessiert, dann solltet ihr hier vielleicht einfach aufhören zu lesen.

Ich muss wohl ein bisschen weiter ausholen. Meine erste Begegnung mit dem Hambacher Forst war ironischerweise das Klimacamp 2015. Ich war noch völlig geflasht von der Erfahrung meiner ersten Aktion des zivilen Ungehorsam (damals Ende Gelände), von dem Gefühl, einen kurzen Moment der Polizei überlegen zu sein, von dem Gefühl sich der Zerstörung tatsächlich in den Weg zu stellen und sie nicht nur mit Latschdemos und Petitionen zu kritisieren. Kurz darauf begegnete ich erstmals Hambis, die mich in den Wald einluden. Ich fand, dass das ganz nett klang. Und als ich auch noch vom Skillsharing-Camp hörte, das kurz darauf stattfand, beschloss ich, einfach mal eine Woche vorbeizuschauen. Aus einer geplanten Woche wurden über drei Jahre (mit gelegentlichem Urlaub natürlich). Das waren wohl die ereignisreichsten drei Jahre meines Lebens, die, die mich am meisten verändert haben und die, in denen ich am meisten gelernt habe. Neben sehr vielen praktischen Skills habe ich vor allem gelernt, dass ich nichts kampflos hinnehmen muss. Und schlicht und einfach selbstbestimmt zu leben, ohne irgendjemanden, der mir eine Alltagsstruktur vorgibt. Kurz gesagt, ich bin erwachsen geworden. Vor allem jedoch habe ich auf der Besetzung ein Zuhause gefunden, wie ich noch nie eins hatte. Ich war das erste mal Teil einer Gemeinschaft, in der ich mich wirklich gemocht gefühlt habe. Wusste, das ich mich auf Menschen verlassen konnte, wenn ich Hilfe brauchte. Dass es Leute gibt die auf mich aufpassen. Wusste, dass ich von Menschen gebraucht werde. Hatte zum ersten Mal das Gefühl, dass ich auch dann nicht wertlos bin, wenn ich einen Fehler gemacht habe. Habe die Kraft und die Unterstützung für mehrere Outings gefunden. Habe mich das erste Mal in meinem Leben ernsthaft verliebt. Und habe eine Gemeinschaft mit aufgebaut. Denn auch wenn viele Menschen über Jahre bleiben, gibt es auf der Besetzung ein riesiges Kommen und Gehen und die Gemeinschaft wird ständig von allen Menschen, die Teil von ihr sind, gemeinsam aufgebaut. Und natürlich habe ich auch viel Scheiße erlebt. Unglaublich viel Gewalt, meistens von Polizei. Ein Monat Knast. Traumatische Erfahrungen. Aber das war es sowas von wert…

Naja, soviel zu den letzten drei Jahren. Aber eigentlich soll es hier ja um die letzten Monate gehen. Es war August, ich war gerade über einen Monat unterwegs gewesen und freute mich auf ein paar Sommerwochen im Hambi, mit dem Ort und den Menschen, die ich in den letzten drei Jahren so sehr zu lieben gelernt hatte. Ich konnte damals noch nicht ahnen, dass es den Alltag der letzten Jahre für mich nie mehr geben wird (ich kann mich nicht mal mehr an den letzten unbeschwerten Tag im Hambi ohne Räumungsstress erinnern). Es fing an, als ich am Buirer Bahnhof ankam und mich ein sehr guter Freund empfing, mit der Info dass wir demnächst mit einer komplett-Räumung zu rechnen haben. Ich hab das Ganze noch nicht völlig ernst genommen, ich dachte mir, das müsste ja ein wochenlanger rießiger Polizeieinsatz sein… Tja, so viel dazu. Also nichts mit Alltag und Ankommen, stattdessen Räumungsvorbereitung und Mobilisierungspläne. Stressige Plena, viel (berechtigte) Panik, geplante Polit-Camps für die nächsten Monate absagen.

Die nächsten Tage immer mal wieder (im Verhältnis zu dem was noch kommen würde) kleinere Polizeieinsätze und Barrikadenräumungen. Ja, stressig und oft brutal, aber nichts, was wir nicht gewohnt waren. Bis zum 22. August. Hier wurden das erste mal in der Geschichte des Hambacher Forstes Schusswaffen gezogen. Dass es nicht wir waren, die diese neue Eskalationsstufe betraten, sondern die Polizei, ist wohl auch unseren größten Gegnern klar. Das ganze passierte während einer Kleinbus-Kontrolle, bei der die Insassis des Busses keinerlei Widerstand leisteten. Es wurde nicht nur auf die Köpfe der Insassis des Busses gezielt, sondern auch auf die eines weiteren angehaltenen Autos, die als Anwohnis, die mit der Besetzung sympathisieren, bekannt waren.

Am 24. August ging es direkt weiter und der Einsatz näherte sich langsam den Dimensionen, die wir in den nächsten Tagen erreichen würden. Der Vorwand war, dass eine Kunstinstallation geräumt werden sollte. Das war übrigens auch der Einsatz, bei dem der Wallkürenritt+Kettensägengeräusche abgespielt wurden. Die Erläuterungen zum historischen Kontext dieses Stückes spare ich mir mal. Am nächsten Tag ging der Einsatz weiter, die Polizei hatte Spaß daran, Pfefferspray auf Toilettenpapier zu sprayen und willkürlich Wohnräume am Boden zu zerstören, alles Schikanen, die wir aus den letzten Jahren gewohnt sind. Zeitgleich wurde eine vom Versammlungsrecht geschützte Demo in Köln komplett festgenommen. Naja, den letzten Funken Glauben an den Rechtsstaat habe ich schon die letzten drei Jahre verloren.

Und dann kam der 28. August und der für mich persönlich heftigste Polizeieinsatz, den ich je erlebt habe. Die komplette Verwüstung des Wiesencamps, Verhöhnung und psychologischer Terror durch offensichtlich darauf geschulte Beamte, allgemein das krasseste was ich je an psychischer Gewalt erlebt habe. Dazu sämtliche Datentrager beschlagnamt (Texte, Fotos… Die meisten werden wissen was an solchen Geräten oft so alles hängt, ich hab sie trotz Fax an die Staatsanwaltschaft bis heute nicht zurück bekommen), auch ein Ausweisdokument (das ich keinem Beschlagnahmungsprotokoll auftaucht) habe ich nicht zurück bekommen. Der Hauptzweck der Razzia war ganz offensichtlich uns psychisch zu zermürben und kaputt zu machen und bei mir hat das trotz vieler vorheriger Polizeigewalterfahrungen verdammt gut funktioniert. Und es ging nicht nur mir so. Die Stimmung war so sehr am Boden wie es nur geht, das Ganze hat sich dann in Konflikten untereinander oder gegen sich selber gerichteter Gewalt manifestiert. Hier bekam ich das erste (aber nicht das letzte mal) Suizidversuche von Aktivistis mit, teilweise von Menschen die mir sehr am Herzen liegen. Ich merkte, dass ich ein paar Tage Urlaub brauchte. Mir war klar, dass die Räumungen fast täglich beginnen konnten, aber mir war auch klar dass, wenn ich direkt weiter mache, das mit einem Burn-out oder sogar einem Suizid enden würde. Also ein paar Tage weg.

Als ich nach ein paar Tagen mäßig erholt zurück kam, befand sich der Hambi in einem Belagerungszustand. Ohne Bullenkontrolle hinein zu kommen, war möglich, aber nicht einfach. Und Bullenkontrolle hieß vor allem: Willkürliche Beschlagnahmung. Oder gar nicht erst reingelassen werden. Das war von Kontrolle zu Kontrolle unterschiedlich. Und die Beschlagnahmungen waren wirklich willkürlich. Teilweise waren die Bullen so inkompetent, dass sie beim Abtasten das Gramm Weed nicht bemerkt haben, teilweise auch wirklich gründlich. Manchmal wurden Schlafsäcke und Isomatten beschlagnahmt, manchmal auch kommentarlos durchgewunken. Dasselbe galt auch für Getränke in Glasflaschen. Oder Kletterzeug. Oder Mal-Pinsel. Oder für Sexspielzeug (kein Witz). Aber das Verrückte: man gewöhnt sich einfach an alles. Auch daran, in einem Belagerungszustand zu leben.

Am 12. September, am Vortag der eigentlichen Räumung, wurde dann von Seiten der Polizei der erste Schuss abgegeben. Er ging in die Luft. Aber ganz ehrlich, so aufgeheizt wie die Situation zu dem Zeitpunkt schon war, war das reines Glück.

Und dann, am 13. September., ging es mit der eigentlichen Räumung los. Noch mehr Stress, noch mehr Gewalt, noch mehr verletzte und traumatisierte Freund*innen. Ich spar mir jetzt mal die Details, die meisten, die das hier lesen werden das ganze ohnehin mehr oder weniger verfolgt haben. Doch neben all dem ist in der Zeit noch etwas anderes passiert, als schleichender Prozess. Unser Bekanntheitsgrad begann täglich zu wachsen. Plötzlich hatten wir mehrere Livestreams, die über die Räumungen berichtet haben, waren bundesweit im Radio und auf den Titelseiten vieler großer Zeitungen und die Berichterstattung war zu großen Teilen positiv. Namenhafte Satire-Sendungen, wie die Heute-Show, berichteten über uns. Am 17. und 18. August schrieb sogar zweimal der Postillon über uns, was endgültig gezeigt hat, dass wir inzwischen wirklich bedeutungsvoll geworden sind. Es strömten alle möglichen Menschen in den Wald, die vorher wahrscheinlich noch nie von uns gehört hatten… Ehrlich gesagt hatte ich in diesen Tagen das Gefühl, dass wir den medialen Kampf bereits gewonnen hatten.

Dann kam der 19. September, der wohl schwärzeste Tag in der Geschichte der Waldbesetzung. Ich muss wohl niemanden daran erinnern. Und nachdem ich schon davon ausgegangen war, dass mich nichts an Skrupellosigkeit der Polizei mehr schockieren kann, merkte ich, dass ich mich getäuscht hatte, als die Polizei die Räumungen noch am selben Tag fortsetzte.

Am 22. September begann das Skillsharing-Camp. In den letzten drei Jahren waren das immer die zwei schönsten Wochen des Halbjahres gewesen. Ich hatte mich schon Monate lang darauf gefreut und eifrig Werbung gemacht. Aber dieses Jahr gab es kein Skillshare in Wald und Wiese. Die Belagerungssituation hatte das Ganze unmöglich gemacht. Das sogenannte „Hambi-Camp Manheim“ gab der Veranstaltung Asyl, aber unter ihren Bedingungen. Und ehrlich gesagt wurde damit fast alles, was das Skillshare ausmachte gestrichen. Das Manheim-Camp bestand darauf, dass Workshops zensiert wurden und „bloß nichts militantes“ angeboten wurde. Eines der Dinge, die beim Skillshare und auf der Waldbesetzung im allgemeinen, immer so wichtig war, war, dass verschiedene Strategische Ansätze nebeneinander stehen und besprochen werden konnten und das sich niemand anmaßte Workshops diesbezüglich zu zensieren. Außerdem diese ewigen Plena als Entscheidungsstruktur. Ich werde jetzt nicht weiter erläutern warum Großplena oder Deliplena eine aus herrschaftskritischer Perspektive beschissene Methode sind, um Entscheidungen zu treffen. Das Skillshare-Camp hatte mehrfach bewiesen, dass es auch ohne geht und dass trotzdem keine Menschen in Machtpositionen Entscheidungen treffen müssen. Aber das Experiment wurde uns dieses Mal nicht erlaubt. Dazu so absurdes Zeug wie Regelungen zu Nacktheit, die schon auf den Klimacamps von fast allen Hambis immer blöd gefunden wurden. Es gab für dieses Skillshare einige neue Ideen für Konzepte und Experimente. Beispielsweise wollte eine Freundin von mir tauschlogikfreie Sexarbeit anbieten. Mit der neuen Situation in Manheim hat sie sich das letzten Endes nicht getraut.
Aber ich will nicht alles schlecht reden, es gab trotzdem tolle Workshops und Konzerte.

Die nächsten Tage standen für mich viel unter dem Konflikt möglichst viel gegen die Räumungen zu tun und im Wald zu sein, aber auch ein bisschen was vom Skillshare mitzubekommen und dort bewegungsinterne Bildungsarbeit zu betreiben. Ständiges Pendeln zwischen Wald, Wiese und Manheim, zwischendurch mal Aachen durch ne Festnahme, war äußerst anstrengend und nervenaufreibend. Die Räumungen und Festnahmen waren heftig, aber darüber wurde schon viel geschrieben und ich lass das jetzt mal aus. Und während alldem kamen immer mehr Menschen in den Wald, auch Menschen die längst nicht mehr zu dem politischen Spektrum gehörten das der Wald sonst so anzieht. Fragen, wie die Militanz-Debatte, mussten plötzlich neu ausgehandelt werden. Und ganz ehrlich, in einer Räumungssituation plötzlich darüber diskutieren zu müssen, ob man nicht doch lieber den Anweisungen der Polizei folgen sollte, hatte teilweise einen ähnlich zermürbenden Effekt wie die staatliche Repression.

Dann kam der 30. September. Und der Waldspaziergang. Es hat mich wirklich umgehauen wie viele Menschen da waren. Niemand konnte mehr die Augen davor verschließen, dass wir eine Massenbewegung geworden waren. Aber dort wurde noch etwas anderes sichtbar. Als die für mich persönlich beste und treffendste Rede zur aktuellen Situation gehalten wurde, wurde der Applaus plötzlich deutlich leiser, als kritisch über die Begriffe „Gewaltfreiheit“ und „Militanz“ geredet wurde.

Auch die nächsten Tage wurden es immer mehr Menschen im Hambi. Währenddessen, haben sich immer mehr Leute, die seit Jahren den Wald besetzen, ausgebrannt zurückgezogen und die Besetzung vorerst verlassen, zu viel war die Gewalt und der Stress der letzten Wochen gewesen, wir alle können irgendwann nicht mehr. Ich werfe das absolut niemandem vor. Gleichzeitig wurden trotz allem Widerstand die letzten Baumhäuser geräumt. Ich persönlich war schon längst am Ende meiner Kräfte und versuchte weiterhin mich für den Wald einzubringen, merkte aber, wie ich immer mehr ausbrannte. Gleichzeitig war ich mit den Massen an neuen Menschen überfordert, auch wenn ich mich natürlich sehr über sie gefreut habe. Aber trotz aller Freude ist es doch überfordernd, an einem Ort, an dem man jahrelang gelebt hat, plötzlich 95% der Menschen nicht mehr zu kennen und zu merken, wie sich eine völlig neue Gesellschaft und ein neues soziales Gefüge bildet, wie alle möglichen Dinge, was den Umgang und das Zusammenleben angeht, neu ausgehandelt werden mussten. Vielleicht bin ich auch einfach nicht besonders sozial anpassungsfähig. Ich hielt mich also an die wenigen Menschen die ich gut kannte und weil ich es nicht über mich brachte in den letzten Zügen zu gehen und mir eine Pause zu nehmen, bereiteten wir eine Kleingruppenaktion vor…

Doch die Ereignisse des 05. Oktober machten diese Aktion unnötig. Rodungsstop. Voraussichtlich für mehrere Jahre, die Rodungssaison galt auf jeden Fall als gekippt. Der Polizeieinsatz sollte beendet werden. Ich brauchte den ganzen Tag, um zu realisieren was das eigentlich bedeutete. Wir hatten (diese eine Schlacht) gewonnen? So richtig feiern konnte das niemand mehr, zumindest habe ich das so erlebt. Wir waren alle viel zu kaputt von den letzten Wochen. Und doch war es natürlich eine großartige Nachricht. Nun würde wieder Ruhe in den Wald einkehren, oder?

Schon am nächsten Tag (06. Oktober) stellte sich diese Annahme als fataler Irrtum heraus. Greenpeace und Campact (und eventuell weitere NGOs, hab den Überblick da nen bisschen verloren) hatten die letzten Wochen das Thema „Hambacher Forst“ für sich entdeckt, nachdem wir ihnen sechs Jahre lang herzlich egal waren. Aber plötzlich war das Thema medial präsent und eine Chance um Spendengelder und Mitglieder einzusammeln. Also wurde eine Großdemo organisiert. Dass der Grund dafür durch den Rodungsstop erstmal entfallen war, war egal, immerhin gab es, wie schon gesagt, Spenden und Mitglieder einzusammeln. Das war natürlich auch wichtiger, als den Menschen, die die letzten Jahre für den Wald gekämpft hatten und die letzten Wochen eine durchgehende Belagerung, sowie tägliche Gewalt und Repression durchmachen mussten, eine Pause sowie eine Möglichkeit, auf ihre Art zu feiern zu gönnen. Stattdessen wurde der Tag für uns ein weiterer Horrortag, der auf seine Art genau so eklig war wie die Razzien und Räumungen. Dass der Verkauf von tierischen Produkten und überteuertem Essen im Allgemeinen im Gegensatz zu dem steht, wofür wir kämpfen, war auch egal. Nationalsymbole auf einer Demo, obwohl die Waldbesetzung sich immer als antinational verstanden hatte? Eine maximal unpolitische Band um ja nirgends anzuecken, die vermutlich niemand von uns Waldbesetzis irgendwie leiden kann (ist ja nicht so dass es nicht einen Haufen Bands und Artists gibt, die die Waldbesetzung seit Jahren unterstützen, sowie weitere, die auf der Waldbesetzung zumindest eine gewisse Beliebtheit genießen)? Hebebühnen als Gag, trotz der Bitte, das aus Rücksichtnahme auf frisch traumatisierte Aktivistis zu lassen? Klar doch, alles für die Selbstdarstellungsschau der NGOs. Dass wir Waldbesetzis auf der Pressekonferenz der NGOs nicht mal eingeladen waren, war nur die Spitze des Eisberges. Greenpeace und Campact haben an diesem Tag eindeutig gezeigt, was sie für uns Waldbesetzis übrig haben. Nämlich nichts, aber unseren Kampf für ihre Zwecke missbrauchen geht trotzdem. Habe ich diesen Gruppen noch irgendwas zu sagen? Ja, zwei Mittelfinger und ein „verpisst euch aus dem Wald, ihr habt nichts für ihn oder für uns getan!“

Am nächsten Tag ging es mit dem Waldspaziergang weiter. Es waren nicht mehr ganz so viele Menschen da wie am Tag vorher, aber immer noch Massen. Ich nutzte das um meine ganze Wut auf die NGOs bei einem Redebeitrag mal rauszulassen. Und war von der positiven Resonanz überrascht. Auch im Gespräch mit vielen Leuten, die ich länger kannte, sowohl Waldbesetzis als auch bürgerliche Unterstützis, merkte ich, dass ich mit meiner Position hier lange nicht alleine war. Trotzdem fasste ich den Entschluss, die Besetzung möglichst schnell zu verlassen. Zumindest für einen längeren Zeitraum. Ich brauchte Urlaub und fühlte mich auf der Besetzung nicht länger zu Hause. Die Gerüchte einer Wiesenräumung am 09. Oktober überredeten mich aber noch, bis dahin zu bleiben. Ich hatte zwar keine Energie mehr, aber dachte mir, dieses kleine Nachbeben überstehe ich jetzt auch noch.

Vom nächsten Tag sind mir vor allem Abschiede in Erinnerung. Ich hatte mein komplettes Zeug gepackt um die Option zu haben, wirklich lange oder sogar für immer weg zu bleiben. Die letzten drei Jahre hatte ich immer ein bisschen Zeug auf der Besetzung und es fühlte sich sehr endgültig an. Entsprechend krass waren die Abschiede. Ein schöner Zufall war, dass genau an dem Tag einige Leute, die während der Räumung irgendwann ausgebrannt weg waren, oder von anderswo Aufgaben übernommen hatten, wieder auf der Besetzung waren. Ich erinnere mich an einen schönen Moment an dem wir mit vielen Leuten, die sich schon länger kannten, auf der Wiese saßen und ein Joint rum ging. Wir waren alle noch so kaputt wie die letzten Tage, aber in dem Moment war irgendwie die Illusion da, dass es wieder einen gemeinsamen Alltag und eine Zukunft geben könnte. Denen die nicht da waren schrieb ich Briefe.

Dann die letzte Nacht auf der Besetzung, ein Lock-On in Griffreichweite vom Bett da mit einer Wiesenräumung gerechnet wurde. Nachdem die nicht kam, brach ich auf. Gefühle in dem Moment? Zu viele und zu verworren um sie zu beschreiben.

Am 25. Oktober kam ich nochmal für kurze Zeit zurück, hauptsächlich weil ich mich irgendwie dazu hab hinreißen lassen, zu Ende Gelände zu gehen. Dass das eine blöde Idee war, hätte ich mir im Voraus denken können, aber zu dem Thema, was bei Ende Gelände so alles an Scheiße passiert ist, wird hier demnächst noch ein eigener Text folgen. Viel relevanter ist wohl die kurze Zeit, die ich auf der Besetzung verbracht habe. Dort stellte ich fest, dass sich längst ein neuer Alltag etabliert hatte, der so völlig fern von dem war was ich die letzten Jahre erlebt hatte. Ich habe auch nur ein bekanntes Gesicht wieder getroffen. Das ist nichts schlechtes. Ich bin sicher, dass die neue Besetzungs-Generation ihre Sache großartig und auf ihre Art machen wird. Aber mein Zuhause der letzten Jahre gibt es damit nicht mehr, das musste ich spätestens bei diesem Besuch erkennen.

Um es nochmal in einem Satz zusammen zu fassen: Ich bin für so einen Monat unterwegs gewesen, kam nach Hause zurück und fand es in einer Ausnahmesituation vor, erlebte einen weiteren Monat voller Gewalt und traumatischen Erfahrungen und danach war dieses Zuhause zerstört und wieder aufgebaut worden, mit neuen Leuten und einer neuen gesellschaftlichen Bedeutung.

Ich habe nicht das Gefühl, dass es auf dieser neuen Besetzung noch einen Platz für mich gibt. Klar, zu Besuch oder für Veranstaltungen. Aber der Wald braucht mich wohl nicht mehr.

Ich mache der neuen Besetzi-Generation keinen Vorwurf. Ich wünsche ihnen viel Glück und hoffe, dass sie den Kampf vor Ort erfolgreich weiter führen. Ich hoffe, dass der Hambi ihnen das geben kann, was er auch mir so lange gegeben hat.

Natürlich ist es ein riesiger Sieg den wir hier errungen haben. Ich bin wahnsinnig stolz auf uns. Wir haben uns erfolgreich mit einem Millionen-Konzern angelegt. Haben zwar noch lange nicht alles gewonnen, aber eine wichtige Schlacht, von der längst niemand mehr geglaubt hat, dass sie zu gewinnen ist. Haben etwas erreicht wofür wir jahrelang gekämpft, uns kaputt gemacht und unsere gesamte Energie investiert haben (wofür ich schon lange keinen Dank mehr erwarte). All das sind Dinge die ich nicht in Frage stelle und die ein Grund zum Feiern sind.

Aber gleichzeitig trauere ich. Jetzt gerade sitze ich mit Tränen in den Augen vor dem Laptop und schreibe diesen Text, versuch meine Eindrücke und Gefühle der letzten Monate in Worte zu fassen. Ich trauere um ein Zuhause, das ich so nie wieder zurück bekommen werde. Das mir gewaltsam genommen wurde, ohne dass auch nur Zeit war, richtig Abschied zu nehmen.

Dieser Beitrag hat 32 Kommentare

  1. hambacherforst

    Ein anderer Mensch meint: Danke für diesen bewegenden Bericht, der vieles ausdrückt, was ich noch nicht in Worte fassen kann. Nur eines- der Twitteraccount von @greenpeace hat es Anfang Oktober geschafft, in einem Tweet hambibleibt abzuhaken und dafür (nach mehrfachem Hinweis auf die Unmöglichkeit dieses Tweets) geblockt zu werden. Das ist bis heute noch so.

  2. Jürgen von Kannen

    Du kannst stolz sein…viel verloren, viel gewonnen…und irgendwie viele abertausend Menschen wach gerüttelt…die ganze Scheiss Gewalt, die ihr erlebt habt und alles nur, weil ihr ein selbst bestimmtes führt. KEIN DANK. Depression. ANGST.

    Das war von unseren Gegnern (und ich sage jetzt ganz bewusst uns) genauso geplant…die Leute sind dafür ausgebildet. GENUTZT HAT ES DEM GEGNER NICHTS. Aber es ist auch noch nicht viel gewonnen. Wie Du selber schreibst…es ist eine gewonnene Schlacht…die ihr nie ausfechten wolltet. Manchmal befindet man sich plötzlich einfach auf so einem Schlachtfeld und weiss nicht, wer einen da eigentlich hin gestellt hat oder wie man sich da selber hin befördert hat. Eins ist gewiss, als ich von Eurer Bedrängnis gehört habe, musste ich dort hin…und viele andere auch. Teile meiner Familie und Freunde sind sus Garzweiler, Otzenrath, Immerath, Holz, Borchemich vertrieben worden…und alle waren der Ansicht, da kann man sowieso nichts gegen machen. Jetzt sollen Teile der Familie aus Keyenberg und Umgebung vertrieben werden.
    NUN HAT SICH ABER ETWAS GEÄNDERT. WIR NEHMEN DAS NICHT MEHR EINFACH HIN. MAN KANN ETWAS MACHEN…UND WENN DU UND DEINE FREUNDE MÜDE SEID, DANN RUHT EUCH AUS UND LASST EINE ZEIT ANDERE MITSTREITER EURE ARBEIT WEITERFÜHREN…UND KOMMT GESTÄRKT WIEDER ZURÜCK. So ist das Leben. Und glaub mir, jeder von uns weiss, das Greenpeace, die Grünen etc vorher nicht da waren. Ich hab mich lange geärgert oder war traurig, das es dem Volk egal ist, welches Schicksal Menschen hier erleiden, die von ihrem Grundstück…ihrer kleinen Welt…vertrieben, zwangsenteignet werden…auch wenn es kein Baumhaus war. Aber es war dich trotzdem deren Ein und Alles. Ich bin froh, dass beim „Deutschen“ die Heide wackelt, wenn man einen Wald sinnlos fällt. Letztendlich ist es egal, warum die Menschen hetzt wach werden…HAUPTSACHE SIE WERDEN WACH UND ES FÜHRT VIELLEICHT ZU EINEM BESSEREN SELBSTBESTIMMTEN LEBEN…UND DU UND DEINE FREUNDE SEID DER AUSLÖSER, OB GEWOLLT ODER NICHT. DAS IST DAS LEBEN…WIR HABEN DARAUF KEINEN EINFLUSS…UND JA, DU MUSST DARAUF STOLZ SEIN. Glaub mir, irgendwann wirst Du den Scheissdreck drum rum vergessen können und Dich gerne an alles zurück erinnern.

    Meinen Dank hast Du…ob Du es willst oder nicht.
    Jürgen

    Früher auf als normal…weil ich mich gerade um meine Tochter sorge…

  3. Funnie

    Ich kann nicht aufhören deinen Text zu lesen und mitzutrauern. In ihm steckt alles, was mich schon immer an dieser Gesellschaft stört… warum lassen wir ein selbstbestimmtes Leben nicht zu? Warum müssen soooo viele Strukturen vorgegeben sein. Warum entwertet der Mensch andere Menschen, wenn sie Fehler machen. Warum erzieht der Staat unsere Kinder immernoch zu willenlosen Zombies? Und warum ist es illegal in Baumhäusern im Wald zu leben… ich sehne mich so sehr nach Freiheit aber immer, wenn man sich – in diesem Land – ein bisschen Freiheit aufgebaut hat, folgt die Unterdrückung. Ich weiß nicht, ob ich wirklich verstanden habe, was in dir vorgeht aber ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass Du wieder ein Zuhause finden kannst mit Menschen, die so sind wie deine alte Baumhausfamilie, auch wenn Strukturen wie diese so furchtbar rar sind… Du bist nicht allein!

    1. Ralf

      Ohne Regeln und feste Strkturen verkommt und verblödet eine Gesellschaft.
      Das was Du ansprichst gab es schon einmal in der Geschichte.
      Sodom und Gomorra!
      Da war die Gesellschaft auch der Meinung Selbstbestimmt sein zu dürfen und tat es einfach. Was daraus geworden ist, steht in der Geschichte geschrieben und man kann es sogar googeln bzw in Wikipedia nachlesen. Ach ja, es steht sogar in der Bibel.
      Was im Moment in Europa und speziell in Deutschland abläuft, macht mir Angst. Und da stehe ich mit Sicherheit nicht allein da.
      Eine Verweichlichung, Verrohung und Verblödung der Gesellschaft. Und die Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und drüber, finden auch noch genug Idioten und Mitläufer, die das auch noch glauben und mittragen.
      Ne Leute, tut mir Leid aber Selbstbestimmung führt auch dazu, dass ich Mein und Dein irgendwann nicht mehr unterscheiden kann.
      Und dann wird es zum Krieg bzw Bürgerkrieg kommen.
      Irgendwo müssen Strukturen und Regeln oder eben Gesetze sowas regeln.
      Das macht auch eine Gesellschaft bzw die Kultur eines Landes aus.
      Mit allen Menschen Zusammenleben können und sich gemeinsam an Regeln und Strukturen halten.
      Das ist doch das, was wir alle wollen. Also wo liegt das Problem?
      Das nicht jeder das tun kann, was er will?
      Leute, dann fangt wieder von oben an zu lesen.
      Schönen Tag

      1. WK

        Wofür Sodom und Gomorrha zerstört wurden, war der Versuch, Gäste zu vergewaltigen, also ganz ganz extrem fehlende Gastfreundschaft.
        Woran das lag, steht nicht in der Bibel. Kein Hinweis darauf, dass es an fehlenden Gesetzen bzw. festen Strukturen lag.
        Im Gegenteil.
        Ohne all die furchtbare Gewalt relativieren zu wollen, die in IHREM Namen (und meiner Überzeugung nach oft gegen IHREN Willen) begangen wurde, war G•TT nicht lang später (s. 1 Samuel) eine große Freundin des Verzichts auf weltliche Herrschaftsstrukturen.

        Sowohl Gastfreundschaft als auch Schutz vor sexualisierter Gewalt waren (sind?) im rechtsfreien Raum Hambi weitaus besser (wenn auch nicht vollständig) ausgeprägt, als in ringsum.

      2. Max

        Ohne Regeln und feste Strkturen verkommt und verblödet eine Gesellschaft.
        …. ist das so ?
        …. hast du reale Beispiele ausser der Bibel story?
        …. Ich denke auch , dass es komplett ohne Regeln sehr schwierig bis unmöglich ist, ein Zusammenleben zu Gestalten, aber die Frage ist doch viel mehr , wieviel Regeln brauchen wir ? Wo ist Raum für Selbstbestimmung und kreativität ? Wie kann sich eine Gesellschaft weiterentwickeln, die zu statisch ist ?
        … richtig, wenn überhaupt, dann nur langsam und schwerfällig , denke ich jedenfalls.

  4. Rose

    Ich danke dir aus tiefsten Herzen. Für alles was du getan und erduldet hast für eine bessere Welt, für die Freiheit und Gerechtigkeit, für deinen Kampf gegen dieses menschenverachtende System und für deine Offenheit und persönlichen Empfindungen. Tiefe Dankbarkeit empfinde ich für alle Hambis. Seit 6 Jahren verfolge ich die Geschehnisse im Hambi und in den letzten Monaten hat es mir das Herz zerrissen. Mir kommen sofort die Tränen, wenn ich nur an Hambi denke. Ich bin nur „passive“ Aktivistin an euch gemessen. Ich werde aber weiterhin alles tun was mir möglich ist, euch zu unterstützen, ihr seid für mich mit die wundervollsten und einzigartigsten Menschen. Ich bin unglaublich dankbar, dass es euch gibt. Ohne euch hätte ich keine Hoffnung mehr.
    In Liebe

  5. Sailor

    Ein emotionaler und ehrlicher Bericht der auch deutlich macht,
    dass die Aktivisten im Hambacher Wald für die großen Umweltverbände und die grüne Partei nur „Kanonenfutter“ sind. Die Repräsentanten dieser Verbände und dieser Partei sitzen beim Edel-Italiener, schlürfen ihren Prosecco und stoßen auf Zustimmungswerte und Beliebtheit an. So ist leider die Welt.

  6. Julia

    Ich hatte das was Du gerade für Dich begreifst, dass du nicht mehr heimisch werden wirst im Wald, es eine neue Generation geben wird aber nichts mehr so wird wie es war, bereits einmal zu Beginn auf Twitter geschrieben. Das ist der leider normale Lauf der Dinge, bei solch Einschneidenden Ereignissen. Wer schon ein paar Jahre älter ist weiß das, hat das schon erlebt. Insoweit hast du auch Recht, dass das ein Ziel dieser politisch gewollten Aktion war, sie wussten genau was sie tun.
    Deine Trauer um das was verloren gegangen ist kann ich gut nachvollziehen. Aber nach dieser Trauer wirst Du Dir Neues aufbauen. Und dabei werden Dir die im Wald gemachten guten Erfahrungen sehr helfen. Auf diese kannst du bauen. Das kann Dir keiner mehr nehmen.

  7. gesa

    Wirklich bewegende Worte, danke für deine Offenheit!
    Ihr könnt soo stolz sein auf das Erreichte! Wirklich! Ihr habt ein Wunder wahr gemacht, um das viele Menschen gebeten haben!

    Ich habe Amnesty international gefragt, wie ich damit umgehen kann, von Folter im Hambacher Forst zu erfahren und was ich machen kann. Leider gab es eine echt merkwürdige Antwort. Sie hätten davon gehört und es sollte geahndet werden, wenn es stattgefunden hat……

    Wenige Menschen übernehmen für etwas Verantwortung, dass wird uns jeden Tag in großen Entscheidungsgremien vorgelebt…

    Ihr habt Verantwortung übernommen und darüber bin ich sehr froh, ICH BIN EUCH SO DANKBAR! Hätte ich keine ausgemusterten alten Tiere zu versorgen, wäre ich wohl bei euch gewesen!

    Danke, Hambis, dass es euch gibt!

    Herzliche Grüße,
    Gesa
    (friesischer Name, kein Gefangenen- Sammelraum)

  8. Hambi bleibt!

    Ihr Aktivisten im Hambi habt Unglaubliches geleistet und eine Gesellschaft gebildet, die einer idealtypischen sehr nahe kam. Ich kann Deinen Ärger nachvollziehen, dass sich einige NGOs und viele Menschen erst jetzt um den Hambi gekümmert haben bzw. vermeintlich auf den Zug aufspringen. Ausgerechnet die Partei der Grünen, die ja ursprünglich auch für die Rodung des Hambis stimmten, versucht sich im Nachhinein reinzuwaschen. Du solltest jedoch auch bedenken, dass ohne
    die Menschenmassen bei den Demos,
    die mediale Präsenz,
    den öffentlichkeitswirksamen Einsatz der NGOs,
    die Massen an Briefen und E-Mails an Laschet, Reul und RWE,
    die Brandanschläge
    und die Klage des BUND, die zum Rodungsstopp führte,
    Reul und seine Stormtrooper den Hambi schon längst völlig zerstört hätten.
    Alleine hättet Ihr den Wald nicht schützen können. Nur gemeinsam sind wir stark. Aber es gibt einfach zuviele Probleme, als dass man überall sein kann. Ich fand es auch sehr betrüblich, dass ausgerechnet viele Bürger aus der Region den Aktivisten aus reiner Bequemlichkeit in den Rücken gefallen sind. Nach dem Motto „Die Aktivisten sind Schuld an den Polizeikontrollen. Wenn der Hambi weg ist, kann ich wieder frei fahren.“ Ich kenne aber auch viele Mitstreiter, die zu jeder Hambi-Demo stundenlange Anfahrtswege auf sich nehmen. Und an anderen Tagen noch zu Demos gegen Massentierhaltung, Schlachthöfe, Wildtiere im Zirkus, Quälerei von Ponys auf der Kirmes, Tierversuche, Polizeigesetz und, und, und gehen. Bitte hab dafür Verständnis, dass der kleine Prozentsatz von Menschen, die sich einsetzen nicht überall gleichzeitig sein kann. Die Folgen der Menschenmassen, die sich im Oktober in den Hambi ergossen, waren natürlich grenzwertig, für Euch und den Wald. Aber es gibt nur zwei Alternativen: 1. Ein paar Wochen Unruhe und der Hambi bleibt Euch für die Zukunft oder 2. Ein einsamer Kampf der Aktivisten und Reul lässt Euch und den Hambi vernichten.

    Ich hoffe, der Hambi und damit auch Ihr Aktivisten werden sehr bald wieder zu Ruhe kommen. Aber bereitet Euch auch darauf vor, dass es im Januar auch zu einem sehr gewaltsamen Showdown mit Reuls Stormtroopern kommen kann. Dann könnt Ihr einer breiten Unterstützung sicher sein.

    Ich wünsche Dir viel Kraft und alles Gute

  9. Roland

    Menschen wie Du sind das natürliche Gold dass wir brauchen für Mut und Aufstehen

    1. Monika Koch

      Yes Menschen wie du sind das natürliche Gold..besser hätte ich es nicht sagen können. Ich Danke dir und allen so tapferen Mitkämpfern so sehr..Wären doch nur alle Menschen wie du und die anderen der „ersten Generation“- wir hätten dann das Paradies auf Erden! Ich habe es nur als Besucherin kennengelernt aber ich habe es GEFÜHLT: dieses alle für einen einer für alle.. was ich in unserer Gesellschaft noch NIE gefühlt und immer vermißt habe..Anfang Oktober..Dieses Gefühl werde ich nie vergessen. Es hat mich in der Tiefe verändert.Ich weine auch so oft darüber seid ich da war- obwohl ich das doch garnicjt live miterlebt habe. Ich habe verstanden für was ihr steht- ich hatte sofort tiefstes Vertrauen zu dieser Gemeinschaft deren Werte so SPÜRBAR so greifbar waren..Als ich da War War der Wald voller echter tiefster Liebe, wie ich sie nie vorher kennengelernt habe. Danke für diesen Brief und für deinen Einsatz und ich wünsche dir und allen Betroffenen daß ihr dieses Traumatas verarbeitet– Ich verstehe nicht warum nicht alle dieses Gold erkennen was ihr uns schenkt—

  10. Indemann

    Liebe Aktivistin,

    vielen Dank für Deinen emotionalen Bericht. Viele Deiner Gefühle sind mir sehr vertraut. Auch ich habe wie Du und die Familie meines Vorschreibers „Jürgen von Kannen“ einmal gewaltsam durch RWE ein Zuhause verloren. Es trifft den Punkt wenn er schreibt „NUN HAT SICH ABER ETWAS GEÄNDERT. WIR NEHMEN DAS NICHT MEHR EINFACH HIN.“
    Von anderen Aktivisti wurde ich gefragt: „Wer war nun für den Erfolg entscheidend, die NGO´s, B.U.N.D etc., „Ende Gelände“ oder die „Baumbesetzis“? Ich mußte keine Sekunde überlegen um mit Gewißheit sagen zu können: es waren die Menschen auf den und mit den Bäumen. Sie haben den Unterschied gemacht!

    Dieser Unterschied zu allem was es vorher und von anderen an Widerstand gab, war mir bereits aufgefallen als ich Euch 2012 zum erstem mal begegnete. Da sagten viele: „Laßt sie mal den ersten Winter im Wald verbringen und dann noch die Macht von RWE spüren! Dann ist das schnell vorbei!“

    Und wirklich: ihr habt euch nicht mit einem Millionen- sondern mit einem in Politik, Wirtschaft und Industrie gut „vernetzten“ Milliardenkonzern angelegt. Das für die dort verantwortlichen Menschen Skrupellosigkeit, Zerstörung, Unrecht und Gewalt eine Selbstverständlichkeit zur Durchsetzung ihrer kurzfriistigen, persönlichen Vorteile sind, habt ihr wie viele vor euch leidvoll erfahren müssen. Gebrochen hat es euch aber nicht!

    Gewonnen habt ihr mehr als „diese eine Schlacht“! Dennoch gibt es viele Anlässe zur Trauer und diese Zeit des Trauerns ist wichtig. Um verlorene Menschen, verlorenen Glauben, ein verlorenes Zuhause. Ich habe die Trauer dieses Herbstes und all der vornangegeangenen Jahre gerade im Moment des scheinbar größten Glücks nach der Verkündigung des Rodungsstops im Wald noch einmal ganz besonders durchlebt. In einigem Abstandzu den ringsum wohl zu recht feiernden Menschen.

    Nun sage ich Danke! Ohne Menschen wie dich, die Hambis, die Menschen auf den Bäumen hääten wir garnichts erreicht. Soviel ist klar! Laßt Euch trotzdem nicht teilen, denn das würde denen doch nur gefallen!

    Unbenommen ob wir nun Christen, Juden, Muslime, Buddhisten, Hindus, Atheisten, Agnostiker oder etwas anderes sind und vieler anderer Menschen verschiedenster Glaubensrichtungen und Überzeugungen die kluge Dinge gesagt haben, möchte ich zum Abschluß den zu Wort kommen lassen dessen Geburt am heutigen Heiligabend gedacht wird:

    „Selig sind, die um Gerechtigkeit willen verfolgt werden […]“

  11. Petra Kornelsen

    Danke für den eindrucksvollen Bericht, der vieles nachvollziehbarer macht. Aber ein paar Dinge, die da geschrieben werden, muss ich aus meiner – natürlich – persönlichen Sicht doch mal kritisch angehen: Die Großdemo, von der so abwertend gesprochen wird, war geplant, BEVOR die Sache mit dem Rodungsstop bekannt wurde. 50.000 Menschen waren bekanntlich da und ohne den Druck der vielen wäre das Thema mal wieder untergegangen. Ich war bei der Demo auch dabei und fühle mich ein bisschen verarscht durch diese Herabwertung, muss ich sagen. Die NGOs werden hier verächtlich gemacht, auch das finde ich unfair. Campact ist sicher eher oberflächlich, greift Themen auf, geht zum nächsten über, aber trotzdem hat Campact wertvolle Mobilisierung geleistet. Was die Grünen und Greenpeace angeht, brauchen wir nicht drüber zu sprechen. Ihr habe Euch im Wald eigene Strukturen gegeben, aber Strukturen verändern sich laufend. Man kann nicht dauernd in einer Blase leben, auch wenn sie schön und heimelig ist. Am Hambi hat eine Art kleiner Revolution stattgefunden und ich hoffe, dass sie die ganze Welt erreicht!! Dass an dem 6. Oktober Menschenmassen durch den Wald getrampelt sind und vieles platt und kaputt getreten haben, auch Insekten, Ameisen, Käfer, fand ich auch oberscheisse. Schlimm finde ich auch, dass jetzt dauernd irgendwelche Veranstaltungen stattfinden, manchmal ohne Verstand. Ohne Euch Aktivisten wäre der Wald weg, aber ohne die breite Unterstützung wäre er auch weg. Ich finde es richtig scheisse, eine Seite – die eher bürgerliche, aber kritische Fraktion – gegen die andere auszuspielen. Das muss ich auch mal los werden. Der gemeinsame Feind sitzt in den staatlichen Strukturen, bei der repressiven Polizei usw. Der muss mit aller Härte bekämpft werden.

    1. (A)

      //Der gemeinsame Feind sitzt in den staatlichen Strukturen, bei der repressiven Polizei usw. Der muss mit aller Härte bekämpft werden.//

      Moin Petra, absolut richtig. Deswegen: „Ob friedlich oder Militant – was zählt ist der Widerstand“.

      vg aus Hamburg

  12. Name

    Kurz vor dem Abriss des Immerather Doms noch schnell ein Greenpeace Banner spannen
    Fand ich auch so ziemlich zum kotzen
    Naja war ja auch genügend Presse vorort
    Ausser Pr hat’s natürlich nichts gebracht
    Wo sind die Banner in Keyenberg ?

  13. Fred

    Hallo,
    so ich als Greenpeaceler muss auch noch meinen Senf dazu abgeben.
    Es ist nicht leicht als „Öko“ durch die Welt zu gehen und zu versuchen seine Mitmenschen zu ändern… es ist ein täglicher Kampf. Ich lese jeden Tag 2 bis 3 Stunden zum Thema Klimawandel und kann nur noch den Kopf, aufgrund der Dummheit der Menschen, schütteln….

    klar waren viel zu viele Menschen an der Großdemo in dem Wald, ich habe Rehe gesehen, die in die Grube gesprungen sind. Das fand ich dann auch nicht toll…. Auch der Eventtourismus durch das Wiesencamp etc. Da hätte es einfach ein Briefing geben müssen…

    Wichtig ist es jetzt nur, dass wir weiter machen. Nicht aufgeben…
    Uns auch nicht untereinander schlecht reden. Ich bin über jede Person auf dieser Welt glücklich, die etwas gegen die Zerstörung unser Welt unternimmt.

  14. J. F.

    Danke für deinen großartigen Text! Er hat mich sehr berührt! Ich war lange aus linken Kontexten draußen, weil mir an irgendeinem Punkt der Narzissmus so sehr auf die Nerven gegangen ist. Diese Reproduktionen von Hierarchien – die ganzen Plenum-Macker und WichtigtuerInnen – dieses ganze coole Gelaber und Gehabe. So richtig habe ich den Hambacher Wald deswegen dann erst durch die Räumungen auf dem Schirm gehabt. Und dann alles mögliche dazu gelesen und geguckt. Besonders der „Brand 3“-Film hat mich schwer beeindruckt! Das waren so unprätentiöse und uneitle BesetzerInnen. All das, was mich damals dann irgendwann so genervt hat, schien hier abwesend. Mich hat das stark beeindruckt, wie ruhig und ohne Interesse an Kategorien von Coolness etc. ihr BesetzerInnen da Interviews gegeben habt. Ich war jetzt öfter im Wald, bin mit den Menschen vor Ort aber nie so richtig ins Gespräch gekommen. (Das liegt mit Sicherheit auch in erster Linie an mir. Ich bin etwas schüchtern.) Ich weiß also nicht, inwiefern Coolness und Narzissmus in euren Strukturen eine Rolle spielen/gespielt haben. Mein Eindruck von außen ist aber, dass beides erstaunlich gering vorhanden ist. Ich halte das für eine unglaubliche Stärke der Besetzung! Das hat mich wirklich tief berührt! Deswegen fand ich auch deine Textpassagen zu Vereinnahmungsstrategien von NGOs etc. so interessant und auch der Verweis auf EndeGelände (Ich würde mich sehr über einen Text dazu freuen!). Da scheinen mir Narzissmus, Coolness, Gelaber und Gehabe wiederum sehr auffällig stark vertreten. Wie auch immer. Ich glaube, wenn sich andere linke Bewegungen ähnlich hierarchiefrei, uneitel und unprätentiös organisieren könnten, wäre viel gewonnen. Ich wünsche dir ganz viel Kraft und bedanke mich für deinen Text und deinen Mut. Immer in Bewegung bleiben!

  15. NoName

    Ganz unerwartet habe ich deine Zeilen gefunden und obwohl ich beim Lesen dachte es berühre mich nicht, sitze ich nun immernoch hier, habe die Kommentare überflogen und meine Nase läuft. Denn ich bin erst 3 Monate im Wald, vermisse dort Ruhe und Tiefe und das Gefühl, mit den Menschen um mich herum eine gemeinsame Sache zu teilen. Und mir wird klar, dass ich eben zu genau der Zeit eingezogen bin (ich kam am 9.9. zum ersten Mal in den Wald), in der sich die großen Veränderungen ereignet haben, die dich dein Zuhause nun nicht mehr wiederfinden lassen. Es ist verrückt, aber im Kleinen fühle ich seit einigen Wochen genau das – der winzig kleine Einblick, den ich vom Wald und euch vor der Großräumung bekommen hatte, hat in mir eine tiefe Sehnsucht berührt und eine lange nicht mehr gespürte Entschiedenheit entfacht. Dieser Tag im Wald (genauer eine Stunde auf dem Waldboden) hat mein gesamtes Gefühlsleben verändert und seither suche ich innerlich nach diesem Zauber des ersten Tages und finde ihn nicht mehr oder nur sehr punktuell. Dein Text hat mir klar gemacht, dass dies nicht mein „Verschulden“ ist oder das meiner Mitmenschen im Wald wie ich in letzter Zeit manchmal dachte. Es hat vielmehr damit zu tun, dass was für euch lange selbstverständlich war mit einer Massivität und Brutalität bekämpft wurde, die kein Mensch einfach wegsteckt. Ich fuhr damals abends nach Köln, um nicht sofort im Wald zu versinken, kam aber am nächsten Tag wieder, fuhr wieder weg und zog schließlich am 23.9. bei strömendem Regen in Lorien ein, weil ich mir nicht mehr anders zu helfen wusste als einfach da zu bleiben. Nur 4 Tage später sind die Schwarzhelme einmarschiert. Einen Tag vorher wurde der „Parkplatz“ gerodet und planiert. Bis heute kann ich das Vibrieren spüren, das die Walze verursacht hat und bis heute ist mir nicht ganz klar, warum wir diesen Akt der Willkür nicht verhindert haben. Was diese wenigen Tage in mir auslösten, wird sich über die Jahre zeigen. Ich bin jedenfalls nicht mehr der gleiche Mensch wie vorher. Und ich wünsche mir so sehr, ich könnte euch, die ihr vor mir da wart, um Hilfe bitten. Könnte weinend in eurer Mitte sitzen und tröstende Worte hören, die mir versichern, dass das vorbeigeht und dass ich gut bin wie ich bin mit all meinem Schmerz und meiner Wut und meiner Angst und der Entschlossenheit, jetzt erst recht dazubleiben. Nicht aus Trotz, sondern aus Überzeugung, das Richtige zu tun. Aber ihr seid nicht da. Ich finde euch nicht oder nur punktuell und es macht mich manchmal ganz fassungslos, wenn ich durch diesen Wald laufe, dass ich niemanden hab, an den ich mich wenden kann. Das ist kein Vorwurf, sondern eine Erkenntnis und ein tränenreicher Moment des Verstehens.

    Ich bin vorrangig wegen der Bäume, aber eben auch wegen euch gekommen. Weil ich von euch lernen wollte. Jahrelang hatte ich euch auf dem Schirm, hatte euch aber immer irgendwelche Namen und Überschriften gegeben, die mich davon abhielten, wirklich hinzufahren. Ich fand gut zu wissen, dass es euch gab, aber für mich war das nichts… Dann wieder wollte ich es endlich mal sehen und mir ein eigenes Bild machen. Herausfinden, ob ich nicht doch reinpasse… Letzten Endes war es wohl einfacher, das Rätsel nicht zu lüften, denn so konnte ich in meiner Rolle verharren, eben nicht dazuzugehören, weil das ja auch schon ganz schön extreme Leute sind, die so eine Besetzung aufrecht erhalten…
    Irgendwann rief dann plötzlich dieser Wald so laut nach mir, dass ich alle Hebel in Bewegung setzte um hinzufahren. Seither bin ich mehr oder weniger fest dort, verändere mich, lerne, verlerne (<3) und freue mich jeden Tag, dort zu sein. Ich bereue nichts. Auch wenn ich mich grade frage, wo das alles hinführen soll. Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht mal, ob ich es schade finde, dass Menschen wie du nicht wiederkommen oder ob ich es hinnehmen kann als das was es eben ist. Eine neue Situation. Ein neuer Ort. Das Leben. Bewegung…

    Danke für deine Zeilen. Und für die Möglichkeit, darauf zu reagieren. Ich wünsche dir von Herzen einen Ort, an dem du zur Ruhe kommst. Und uns allen wünsche ich Kraft und eigentlich auch einen Austausch. Wenn du irgendwann den Impuls hast, aufzuschreiben, was dich an der neuen "Besetzungsgeneration" im Einzelnen stört und was an Selbstverständlichkeiten von vorher dir fehlt, dann würde ich mich freuen es lesen zu dürfen. Vielleicht nicht hier, aber im Wald irgendwo!? Ich bin sicher, dass daraus für mich Inspiration entstehen kann und vielleicht verstehe ich dann noch etwas besser, was genau mir das Leben im Wald grade so schwer und was mir so zu schaffen macht (meine wenigen Einsichten beziehen sich vor allem auf Konsum und erklären bei Weitem nicht mein so oft vorhandenes Gefühl des Nichtverstehens und der Wut).

    Ich hole nun nicht zu Lob oder Dank aus, weil ich müde bin und einfach nur zum Ende kommen möchte. Und weil ich weniger dankbar als einfach nur froh bin, dass Menschen wie du vor mir dort waren und dass es diesen Wald überhaupt noch gibt. Meinen tiefen Respekt.

  16. Silke

    Bei allem Verständnis und Mitgefühl für deine Trauer und Enttäuschung möchte ich rein vorsorglich darauf hinweisen,,dass hier wahrscheinlich nicht nur Hambi-unterstützer mitlesen. Sondern sicher auch hambi-Gegner wie Reul und Konsorten und RWE-Leute. Daher finde ich es etwas bedenklich,,dass du einige recht interne Details über die Hambi-unterstützer hier in aller Öffentlichkeit kund tust. Das kannst du natürlich machen,,aber du solltest dir eigentlich im klaren darüber sein, dass manche allzu interne Infos eher den Gegnern des hambi nützen könnten. Bzw dass du den aktuellen Hambi-Bewohnern damit evtl. schaden könntest. Falls du den hambi retten willst, wovon ich ausgehe,,dann solltest du so etwas mit bedenken.
    Jedenfalls: ich wünsche dir, sowie allen hambi-Rettern,,sowohl den alten wie den neuen und auch allen anderen Menschen ein besinnliches und möglichst friedfertiges Weihnachtsfest.

    1. hambacherforst

      Hey Silke, danke für dein kritisches Feedback. Sicherheitskultur ist ein wichtiges Thema, danke dass du darauf hinweist. Da mir klar ist das solche Texte immer das Potential haben Details über interne Strukturen offen zu legen habe ich ihn vor Veröffentlichung von einer größeren Anzahl an Genoss*innen darauf gegen legen lassen. Wenn dabei etwas überlesen wurde tut es mir wirklich leid. Wenn du uns genauer mitteilen willst was für Passagen du meinst kannst du uns gerne eine Mail schreiben. Ich würde solche Fehler ungern wiederholen.

  17. Alter Hase

    Danke, an dich, an alle – von Herzen und mit Tränen.
    Dein/Euer Widerstand wuchs im Wald und er hat auch andere da draußen bewegt.
    Es ist im Großen gut, wenn der Widerstand zu einer Bewegung wird.
    Und wie in der Natur hinterlässt ein Sturm auch Schneisen und Entwurzelungen im sozialen und emotionalen Miteinander. Das ist Verlust, aber dort wachsen auch neue Aktivisten, vielleicht anders, aber die Vielfalt macht den Wald.
    Auch die Vielfalt der Gruppen, ob bürgerlich, ob aktiv – die Vielfalt erhöht die Resistentz gegen Angriffe.
    Bewahre deine Erlebnisse, deine Erfahung und deine Erkenntnisse. Erzähle, teile sie, damit andere bei ihrem Schaffen (und Scheitern) das Gefühl haben – ich bin nicht allein, andere haben es auch so erlebt, das stärkt.

  18. (A)

    Moin, sehr offener und ehrlicher Text von dir.

    Nach der ganzen (Gesamt-) Scheiße in den letzten Monaten, Chemnitz, Köthen usw. seit ihr Hambis ein absoluter Hoffnungsschimmer für mich gewesen.

    Wünsche dir viel Liebe und Kraft.

    „Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren“

    LG aus Hamburg

  19. Wendelmeyer

    Danke dafür. Für mich erweitert sich der Horizont mit so einer ehrlichen, bewegenden Mitteilung. Ich wünsche Dir, dass Du ein Zuhause findest.

  20. Jojachin Barbar

    Danke für Deinen Versuch, Zerrissenheit und Verlust irgendwie in Worte zu fassen. Ich glaube, Deine Worte können nur Menschen annähernd verstehen, denen selber ähnliches passiert ist.
    Aus ähnlicher Erfahrung glaube ich, Dich zum Teil verstehen zu können. Ich wünsche Dir, dass Du andere, möglichst herrschaftsfreie Strukturen findest. Die alten Wunden werden wahrscheinlich nie ganz heilen, aber es kann neues, schönes, wunderbares wachsen- trotz der herrschenden Gewaltstrukturen und der fortgeführten Zerstörung durch die Mächtigen.
    Wir, ich brauche Dich, Deine Kraft, deine Liebe und Kreativität!
    Aus der Ferne in Liebe verbunden.

  21. wie schön dieser Text und wie wichtig. Was heißt schön.., danke für die Innensicht der Räumungen. Wie es euch ergeht, wie es sich körperlich und seelisch anfühlt, wenn jemand deine Brille zertritt, und dass wir immer wieder daran erinnert werden, dass hier auch euer Zuhause zerstört wird, dass Räumungen wehtun, Stress sind und kein Berufsalltag von Aktivist*innen. Zwar Alltag, aber eben der, den ihr in Kauf nehmt für den unbedingten Widerstand. Wenn ich die Beschreibung der Wiesenrazzia vom 28.8. lese und wie du das Erleben der Räumungen im wiederkehrenden Zeitlauf beschreibst, in der Anhäufung der gewaltvollen Bedrängnisse und Übergriffe gegen euch, wird es umso verständlicher wie es sich anfühlen muss, wenn in der Kombination von Berühmt- und Übergangenwerden zugleich (Pressekonferenz 6.10.) von euch als eigentliche Akteur*innen, Hervorrufer*innen der ganzen Aufmerksamkeit für den Kohlausstieg und für diesen Wald, Praktiker*innen, Mutigen und Krieger*innen dieses Widerstandes, die Kombination mit der Partystimmung in der Menschenmenge, die sich am 6.10. teils in den Wald und auf die Wiese begeben hatte, wie es sich ganz persönlich an diesem Tag direkt angefühlt haben muss, dass die jahrelang ziemlich schlecht in der Presse behandelte Waldbesetzung die sich eindeutig und auch militant gegen die permanente kapitalistische Verwertung von Natur geäußert hat, nun einen Gebrauchswert hat: für große NGOs, für das Grüne Wachstum, für alle möglichen Talkshows, in denen die Umweltministerin den Widerstand im Hambacher Forst erwähnt und von CO2-Reduktionen bei RWE spricht, womit sie CCS meint, eine hochgefährliche unterirdische Speicherung von CO2, für die sie sich einsetzt. Und dabei eure eigentliche Kritik an Gewaltverhältnissen in der feiernden Nutzbarmachung eines erzeugten Abbildes des Widerstands ignoriert wird. Ihr habt das, was ihr ändern wollt, über die Jahre in der Besetzung gelebt und kultiviert. Ihr habt alle Formen der Unterdrückung und Ausbeutung in Frage gestellt und dabei daran gearbeitet auch die eigenen Grenzen zu reflektieren. Es gab Konflikte und sie wurden auch nicht immer gelöst, aber auf die gegenseitige Solidarität im direkten Kampf konntet ihr euch glaube ich verlassen. Niemanden in Schwierigkeiten bringen, beharrlich in der eigenen Position zu den angewendeten Methoden, kritische Solidarität gegenüber anderen Sichtweisen. So konnten sich die verschiedenen Aktionsformen nebeneinander halten und der geforderte Systemwandel, ich glaube, war keine Frage. Ihr wart immer sehr gastfreundlich und habt nicht auf Kleidung, Alter und Szenenzugehörigkeit der Gäste geachtet. Ihr seid mir gegenüber eurem Instinkt gefolgt, was mir das Glück brachte, das manche mir vertrauten und ich mit der Hilfe einiger von euch den Film machen konnte. Zu einer Zeit, als jede Kamera noch eine echte Bedrohung war.

    Einen Gebrauchswert auch für das Feeling vieler Menschen, endlich, seit hambibleibt ein Hashtag wurde, auch mal Teil zu sein vom Widerstand, ihre Kinder ins Auto packen und runter gefahren sind, um ihnen all das zu zeigen. Und viele echt berührt wurden, auch das wollen wir nicht vergessen, viele, die wir nicht kennen, die vielleicht auch zum ersten mal im Wald waren, viele, die sich der Bewegung angeschlossen haben, und sich auch Gedanken machen, wie genau nun es für sie gehen soll. Die von euch was lernen wollen, vielleicht nicht wissen, wie… Da war eine Druckwelle auf allen Ebenen, die entstanden ist, und in der auch der Tod von Steffen Meyn eine tiefe Bedeutung hat, für alle.
    Auch ich war am 6.10. da, ich war auf der Hebebühne und verdammt froh, dass die nette Greenpeacemitarbeiterin mich daraufgelassen hat um die Aufnahmen zu machen, von oben, von dem Song und der Menschenmenge. Auch ich wurde von einem BUND-Aufseher daran gehindert, irgendwo lang zu gehen, wurde, weil ich mit ihm diskutierte angeherrscht von Demonstrant*innen. Das aber nur nebenbei. Bin dann abgehauen, der Aufseher hinter mir her, aber es war dann wohl doch zu mühsam für ihn, zumal ich nur durch ein Stückchen Wald am Wegesrand wollte, um den Weg abzukürzen.
    In diesen Tagen kamen dann auch die Mahnungen und gleichzeitige „Hoffnung“ des Weltklimarates, Hoffnung bezieht sich jedoch immer auf das Grüne Wachstum, den ganzen Wahnsinn kapitalbringender „Lösungen“. Hoffnung für wenige, reiche. All das kam zusammen rund um Hashtag hambibleibt. Was aber, wenn Greenpeace nun den ganzen Tagebau Hambach kauft? Das ist wohl nicht die schlechteste Lösung, aber auch kein Sieg. Wenn dann da eine Waldbesetzer*in in Stein gemeißelt als Statue an den Widerstand erinnert, während Gefangene aus dem Wald und von G20 noch immer unbeachtet im Gefängnis sitzen.

    Wenn auch „hambi bleibt“ heute massentauglich ist, ich glaube, solche Entwicklungen wiederholen sich geschichtlich genauso wie die stetige Wiederkehr von neuen und radikalen Besetzungen. NGOs sind u.a. auch dazu da, radikalen Widerstand zu vergesellschaften und den Platz der Kritik so wenig radikal wie möglich zu besetzen. Wenn wir die Verhältnisse in der Gesellschaft kennen, ist Vereinnahmung Teil des Tagesgeschäftes. Aber du schreibst, wie es sich anfühlt, mittendrin zu sitzen. Und auch ich fühlte mich als vage Randerscheinung der Waldbesetzung an diesem Tag schlecht. Am Ende des Tages hatte auch ich das Gefühl, das wir was verloren haben. Ich fragte mich: Wie werden die Waldbesetzer*innen das sehen? Und dachte, ja, sie werden wohl sagen: Kritische Solidarität. Doch es kam anders. Es meldete sich Luna… … hier ist das Interview mit ihr dazu, das aus allen möglichen Gründen erst heute veröffentlicht wird
    https://vimeo.com/295363730

  22. Peter

    So emotionale Artikel lese ich sehr gerne.
    Wahrscheinlich liegt es auch mit daran, dass ich selbst viele Emotionen eher unterdrücke.
    Ich blende aber die Schwierigkeiten nur kurzzeitig aus.
    Es ist nicht so, dass ich das nicht auch so sehen würde, dass das unheimlich belastende Erlebnisse sind, über die hier berichtet wird.
    Im Zweifelsfall entschuldige ich mich insofern auch gerne dafür, dass ich den Artikel schön finde.

    Ich selbst habe in meinem Leben auch schon viele schreckliche Sachen gesehen, wo mir die Fähigkeit, Belastendes in den Hintergrund zu schieben, ganz gut geholfen hat.

    Aber die Situation im Hambi fand und finde ich extrem furchtbar.
    Dass Ihr so fertig gemacht worden seid und werdet im Prinzip nur, weil Ihr bescheidene und respektvolle Menschen seid und diese Werte auch hochhaltet und sicher auch gerne stärker in die Gesellschaft bringen würdet, ist manchmal äußerst hart für mich zu verstehen.

    Als die Räumung immer realistischer wurde, dachte ich auch, dass mich das irgendwie emotional mitnehmen könnte.
    Aber ich habe es dann gar nicht als so schlimm empfunden. Dass ich auch das Schlimmste erwartet hatte, könnte dafür verantwortlich sein. Ich war aber auch in der Räumungsphase nie vor Ort und habe mir auch keine Bilder angeschaut.

    Überhaupt merke ich schon, dass ich echt abgestumpft bin. Also wenn ich höre, dass eine*r inhaftiert wird oder sich verletzt hat oder sich in anderen Konfliktgebieten in große Gefahr begibt, hoffe ich erstmal, dass ich den* oder die* vorher noch nie gesehen habe, weil mich das sonst echt traurig machen würde.

    Keine Ahnung, wie das jede*r einzelne von Euch verkraften wird, aber ich denke auch, dass die letzten Wochen bleibende Narben hinterlassen werden.
    Aber Ihr könnt immer stolz sein auf das, was Ihr jetzt schon erreicht habt.
    Und Ihr habt viele wertvolle Erfahrungen gesammelt, die Euch im weiteren Leben sehr helfen werden.

    Dass die Meadow nochmal so werden wird wie früher ist sicher illusorisch.
    Seht es positiv. Das liegt ja auch daran, dass Ihr viel erreicht und erkämpft habt, worauf kommende Aktivistis aufbauen könnten.

    Von Sieg zu sprechen, kann ich nicht so ganz nachvollziehen.
    Wen oder was wollt Ihr besiegt haben?
    Von einem riesigen Erfolg zu sprechen könnte ich eher verstehen.
    Aber auch hier sage ich: Okay, Ihr könntet den Hambi gerettet haben (wenn er nicht doch noch vernichtet wird).
    Aber viele Eurer guten Ideen zum Zusammenleben sind dadurch momentan doch auch stark (von der Gesellschaft) in den Hintergrund gdrängt worden.
    Es bleibt also noch viel zu tun.

    Wie es aussieht, scheinen ja einige in anderer Form weitermachen zu wollen. Egal, wie Ihr Euch entscheidet: Ich wünsche Euch, dass Ihr Euch weiter für Gerechtigkeit einsetzt, Euch treu bleibt und Aufgaben findet, die Euch Zufriedenheit und Erfüllung bringen.

  23. Tanja

    Hallo zusammen,

    es ist mir sehr wichtig, darauf hinzuweisen, dass eine aus Aachen stammende Bekannte aus der Szene erzählt hat, dass sie in den 90ern zusammen mit örtlichen Greenpeace-Leuten unterwegs war, um für den Erhalt des damals wesentlich größeren Hambacher Forsts zu kämpfen. Sie betonte allerdings auch, dass die breite Öffentlichkeit zu wenig interessiert war.
    Nun kann man sich darüber streiten, ob eine Orga wie Greenpeace, wenn sie allzu groß geworden ist, immer noch ehrlich und komplett für ihre ursprünglichen Ziele steht und danach handelt, aber dieses quasi ungebremste Greenpeace Bashing möchte ich nicht so stehen lassen. Dazu das Bild vom rosa angemalten Bagger von 2004.
    Ja, auch solche Bilder braucht der Widerstand.

    1. Kito

      @Tanja
      Das Interesse der Öffentlichkeit wird anfangs immer gering sein und es kann sehr wichtig sein von Großstädten umgeben zu sein oder nicht. E Es gibt Gebiete wo kaum Menschen wohnen und trotzdem die Natur zerstört wird. Da ist das Interesse am geringsten. Gerade dies ist eine der größten Baustellen bei Dingen die der Umwelt dienlich sind.

  24. Baumfreund

    Vielen Dank für deinen Bericht.

    Ich hab ihn aufgrund der Triggerwarnung für mehrere Wochen nicht gelesen, da ich dachte, das bringt mir Tränen in die Augen.

    Einfach nur Danke.

    Mein Angebot für Urlaub und zum Reden da sein habe ich bereits an Care for Hambis geschickt.

  25. Caro

    Ich habe erst heute Deinen Bericht gelesen, und eine ganze Weile überlegt, ob ich dazu noch etwas schreiben soll. Aber ich denke, auch wenn die Ereignisse schon wieder eine gefühlte Ewigkeit zurückliegen, so ist das Thema noch lange nicht abgehakt. Deswegen ein paar Gedanken meinerseits dazu.

    Erst einmal bedanke ich mich für diesen Einblick in Deine Gedankenwelt. Für mich ist es immer wieder spannend zu lesen, was für Menschen in den Wald gehen, um dort mit ihrer dauerhaften Anwesenheit RWE und der Landesregierung die Stirn bieten, den Wald nicht zu roden. Was sind die Beweggründe diesen Schritt zu gehen, was denken und fühlen diese Aktivistis, was tun sie, wie leben sie?
    Dein Bericht gibt darüber Auskunft, um uns „Auswälder“ ein Bild darüber zu machen. Was sehr gut in Deinem Bericht rüber kommt, ist, wie zermürbend die Räumung auf Euch gewirkt hat. Es tut mir wirklich von Herzen leid, daß das alles so passiert ist, und Ihr Aktivistis so unmenschlich behandelt worden seid, sowohl im Vorfeld, als auch während der Räumung, und auch hinterher noch. Ein Land, das sich Einigkeit und Recht und Freiheit auf seine Fahne schreibt, und dann so handelt… mir fehlen dazu einfach die Worte. Für mich ist das nur kriminell.

    Was Du allerdings schreibst, daß Du nach der Räumung das alte Miteinander vermisst, und daß die neuen Bewohner des Hambis so ganz anders drauf sind, als vorher kann ich gut verstehen. Eine Welt, die Dir das Zuhause und Wohlbefinden gegeben hat, ist nun nicht mehr da. Aber glaube mir, selbst wenn alle „alten“ Bewohner geblieben wären, es wäre nach der Räumung nie wieder so geworden, wie es vorher war. Die Räumung hat nicht nur die materielle Welt Eures Waldlebens zerstört, auch psychisch ist ganz viel kaputt gemacht worden. Ihr hättet neue Baumhäuser gebaut, Euch wieder im Wald eingerichtet, aber es wäre nie wieder so geworden, wie es vorher war. Es hätte bei Euch ein vor der Räumung und ein nach der Räumung gegeben. Ihr hättet also immer mit der doppelten Zeitrechnung gelebt, und durch die traumatischen Erfahrungen ein anderes Leben miteinander geführt.

    Ich möchte mich bei Dir, aber auch bei allen anderen Bewohnern des Hambis bedanken, daß Ihr durch die Besetzung soviel Aufmerksamkeit auf den Wald, den Kohleabbau und den Klimawandel zieht.

    Ich wünsche Dir und Euch ganz viel Kraft das furchtbare Erlebte so gut und bald wie möglich zu verarbeiten, und für weitere Kämpfe viel Kraft, denn wenn auch jetzt einigermaßen Ruhe herrscht, spätestens zur nächsten Rodungsaktion im Herbst/Winter 20/21 wird RWE mit Hilfe des Landes mit voller Kraft zuschlagen.

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