Die aktuelle Situation im Hambi – The current situation in Hambi

(ger) (eng)
Seit wir unsere Hambi Info Tour angekündigt haben, werden wir sowohl online als auch bei den Info Events immer wieder gefragt, ob wir den Inhalt des Vortrags schriftlich veröffentlichen können. Diesem Wunsch kommen wir natürlich gerne nach. In diesem Text (the Hambi struggle continues) sind schon die meisten wichtigen Punkte zusammengefasst. Trotzdem kriegt ihr hier nochmal eine ausführliche Übersicht über das, was wir in den Info Events erzählen, damit ihr es nachlesen und teilen könnt.

Nach der letzten großen Räumung 2018 wurde der Hambi wiederbesetzt und es steht hier weiterhin eine der größten autonomen Zonen Europas. Es konnte hier sehr viel entstehen und gedeihen und es ist ein unfassbar wertvoller Ort, ein Freiraum, ein Zufluchtsort und ein Zentrum des Widerstands gegen den fossilen Kapitalismus. Aber der Hambi war nie wirklich gerettet, sondern RWE und Staat sind nur auf eine andere Strategie umgestiegen, die den Wald langsamer und weniger sichtbar tötet und nun ist der Hambi wieder sehr akut bedroht.

Zum Einen will RWE das Dorf Manheim, das im Osten des Waldes liegt, abreißen und wegbaggern, offiziell um Abraum zu gewinnen, um bei ihrem Schwarzbau, der Aussichtsplattform „Terra nova“ die Böschung zu stabilisieren. Aktuell wird der Abraum in einem Kieswerk vor Ort aufbereitet und als Baustoffe im Minutentakt in alle Richtungen verkauft. Wenn diese sogenannte Manheimer Bucht entstehen sollte, wäre das für den Wald fatal. Denn der Wald leidet jetzt schon enorm darunter, dass RWE für ihren Tagebau das Grundwasser abpumpt und kann sich nur durch die unterirdische Lehmschicht am Leben halten, die das Niederschlagswasser auffängt und speichert. Durch die Kohlegrube ist diese Lehmschicht bereits an der Längsseite des Waldes angeschnitten. Mit der Manheimer Bucht und den anliegenden bestehenden Kiesgruben würde der Wald dann an 3 Seiten vom Tagebau umgeben sein. Dazu kommt, dass diese Lehmschicht ein Gefälle nach Osten, also in Richtung Manheim hat. Das heißt, dass Wasser würde nahezu komplett in der Manheimer Bucht in die Grube laufen, der Wald stünde gänzlich ohne Wasservorräte da. Das kann der Wald eigentlich nicht überleben und es wäre dann nur noch eine Frage der Zeit bist er endgültig abstirbt. Deshalb bedeutet „Hambi bleibt!“, dass die Manheimer Bucht verhindert werden muss. Dazu gibt es noch eine Chance, aber dafür braucht es dringend mehr Menschen vor Ort, die sich dem Widerstand anschließen.
Außerdem hat die Bezirksregierung Pläne verkündet, alle Aktivist*innen sowohl aus dem Wald als auch aus dem Camp im nahegelegenen Dorf Morschenich vertreiben zu wollen. Der Wald soll wieder „forstwirtschaftlich genutzt“ werden, was nichts anderes heißt, als aus einem funktionierenden, natürlichen und lebendigen Ökosystem eine eintönige und den Umweltbedingungen nicht gewachsene Monokultur zu machen. Welche Folgen das hat, sehen wir bereits an den Stellen im Wald, die früher einmal forstwirtschaftlich genutzt wurden. An diesen Monokultur-Stellen sind nun ausnahmslos alle Bäume tot. Doch das wird gezielt ignoriert von denen, die im Wald nichts als eine verpasste Chance für Profite sehen.
Auch im Dorf Morschenich, das im Westen des Waldes liegt und das Hambi Camp 2.0 beheimatet, wittert die Lokalregierung Investitionsmöglichkeiten. Das Dorf wurde einst fast vollständig von RWE aufgekauft, die Bewohnenden umgesiedelt, um Platz für die Kohlegrube zu machen. Jetzt möchte die Gemeinde sich den Ort von RWE zurückkaufen und zum „Ort der Zukunft“ machen (ja, das steht tatsächlich sogar schon auf dem Ortsschild). Es sollen Investoren angelockt werden, Start-Ups angesiedelt werden und ein Vorzeigeprojekt des grünen Kapitalismus geschaffen werden. Da die Gemeinde befürchtet, dass die Anwesenheit des Hambi Camps abschreckend auf Investoren wirken könnte, sind auch diese Pläne damit verbunden, uns gänzlich loszuwerden. Wenn es nach den Plänen der Lokalregierung geht, dann dürfen „gegebenenfalls ein oder zwei Baumhäuser als Merkzeichen stehen“ und das war es.
Und wie genau wollen sie das anstellen? Das können wir zum Glück nachlesen, da es in einem öffentlich Protokoll steht. Der Plan, für den bereits ca. 200.000 Euro Fördermittel beantragt und genehmigt wurden und mit dem noch dieses Jahr begonnen werden soll, umfasst unter anderem
„aufsuchende Sozialarbeit“, das „Brechen der gegenseitigen Solidarisierung“ und das Säen von Konflikten zwischen uns und den Geflüchteten vor Ort. Eine „klassische“ polizeiliche Räumung haben wir also aktuell (noch!) nicht zu befürchten, aber es werden alle möglichen anderen Register gezogen, um dafür zu sorgen, dass wir „freiwillig“ gehen.
Das lassen wir uns natürlich nicht gefallen und werden diesen Ort verteidigen, so wie wir das jetzt seit 11 Jahren machen. Aber auch hierfür wünschen wir uns seh, dass mehr Menschen kommen und uns helfen klarzustellen, dass wir niemals kampflos den Wald und unsere Freiräume in die Hände von Staat und Kapital geben werden.
Denn den Hambi zu verteidigen ist unendlich wichtig:
Zum einen geht es hier nach wie vor um die Frage des Kohleausstiegs bzw. des fossilen Kapitalismus im Allgemeinen. Kombinieren wir die verschiedenen Faktoren, die sich vor Ort gerade entwickeln, dann zeichnet sich folgendes Bild ab: Wenn der Wald in einen Forst umgewandelt und damit seine ökologische Resilienz geraubt wird und ihm zusätzlich durch die Manheimer Bucht jegliches Wasser entzogen wird, während die Besetzung, die ihn verteidigt, vertrieben wird, dann wird der Wald in ein paar Jahren tot sein. Sobald das der Fall ist, lässt sich vonseiten von RWE leicht argumentieren, dass er nun auch nicht mehr schützenswert sei, da er ja kein wertvolles Habitat mehr darstelle. Dann stünde auch juristisch nichts mehr dagegen, ihn doch noch zu fällen, um an die Millionen Tonne von Kohle zu kommen, die nach wie vor unter ihm lagern. Daran ändert auch der aktuell beschlossenen sogenannte „Kohleausstieg“ nichts. Denn dieser ist nichts anderes als ein Gesetz und Gesetze können schnell wieder geändert werden, besonders wenn Regierungen sich ändern. Beim Atomausstieg haben wir bereits gesehen, dass auch einmal beschlossene Austrittspläne ganz schnell wieder in Frage gestellt werden, wenn das festgelegte Datum näher rückt. Der Kohleausstieg wurde neulich schon von 2030 auf 2033 verschoben und es ist mehr als wahrscheinlich, dass in der Zukunft weiterhin jegliche Gelegenheit als Vorwand genutzt wird, um ihn wieder zu verzögern. Das bedeutet, dass wir immer noch davon ausgehen müssen, dass ohne unseren entschlossenen Widerstand der Wald irgendwann gänzlich zu Kohlegrube umgewandelt wird.

Außerdem ist der Hambi ein wichtiger Ort für die antikapitalistische Klima-Bewegung. Jede Bewegung braucht Orte, wo Wissen und Skills „gelagert“ und verbreitet werden können und der Hambi ist ein solcher Ort. Von hier aus ging z.B. praktische Unterstützung aus, die Widerstand im Danni, in Lützi und an anderen Orten überhaupt erst möglich gemacht hat. Regelmäßig finden Klettertrainings und andere Treffen statt, bei denen Skills geshared, Kontakte geknüpft und Pläne geschmiedet werden können. So entstehen aus dem Hambi immer wieder Projekte und Ideen, die in die Welt getragen werden.

Aber nicht nur für Menschen, auch für andere Wesen ist der Hambi ein extrem wertvoller Lebensraum. Durch die Besetzung wird hier seit 11 Jahre nicht mehr gejagt, wodurch Wildschweine, Rehe und andere Populationen sich merklich erholt haben. Hier existieren außerdem zahlreiche Pflanzenarten und vor allem Pilze, die in vielen anderen Gebieten Europas schon komplett ausgestorben sind. Doch in diesem Wald, der dank der Besetzung der Natur überlassen ist, können diese Arten noch gedeihen und überleben. So ist der Hambi also ein ökologischer Schutzraum, der vielen Wesen Zuflucht bietet und auch als Beispiel dafür dient, zu zeigen, dass die Natur ohne menschliche (sprich extraktivistisch-kapitalistische) Eingriffe wunderbar zurecht kommt.

Vor allem aber ist der Hambi, wie oben erwähnt, eine der größten autonomen Zonen, die es in Deutschland gibt. Hier wurde durch jahrelangen unermüdlichen Einsatz ein Freiraum erkämpft, in dem wir die herrschaftskritische, antikapitalistische und solidarische Lebensweise, die wir uns weltweit wünschen, heute schon erleben und erlernen können. Statt nur vom Systemwandel zu träumen, fangen wir hier einfach an und bauen ein neues Zusammenleben von unten auf. Wir haben im Hambi einen Ort, an dem wir uns frei von kapitalistischen Zwängen organisieren können, an dem der Staat nicht die volle Kontrolle und Übersicht über jeden Winkel hat und an dem wir unsere Werte und unser Bedürfnis, frei und selbstbestimmt zu leben, jeden Tag in die Praxis umsetzen können.

Es wäre doch verrückt, uns das wegnehmen zu lassen!


Since we announced our Hambi Info Tour, we have been asked time and again, both online and at Info Events, whether we can publish the content of the talk in writing. Of course we are happy to comply with this request. In this text (the Hambi struggle continues) most of the important points are already summarized. Nevertheless, you will get a detailed overview of what we tell in the Info Events here, so you can read and share it.

After the last big eviction in 2018, the Hambi was reoccupied and continues to be one of the largest autonomous zones in Europe. It is an incredibly valuable place, a free space, a refuge and a center of resistance against fossil capitalism. But the Hambi was never really saved, RWE and the state just switched to a different strategy that kills the forest more slowly and less visibly and now the Hambi is very acutely threatened again.

On the one hand, RWE wants to demolish and dig away the village of Manheim, which lies to the east of the forest, officially in order to obtain soil with which to stabilize the embankment at their sightseeing platform construction „Terra nova“. Currently, the overburden is processed in a gravel plant on site and sold as building materials every minute in all directions. If this so-called Manheim Bay were to be created, it would be fatal for the forest. Because the forest already suffers enormously from the fact that RWE pumps out the groundwater for their open pit mine and can only keep itself alive through the underground clay layer that catches and stores the precipitation water. The coal mine has already cut into this clay layer on the long side of the forest. With Manheim Bay and the adjacent existing gravel pits, the forest would then be surrounded by the open pit on 3 sides. In addition, this clay layer has a slope towards the east, i.e. towards Manheim. This means that the water would run almost completely into the pit in the Manheim Bay, and the forest would be completely without water supplies. The forest cannot survive this and it would only be a question of time until it finally dies. Therefore, „Hambi stays!“ means that Manheim Bay must be prevented. There is still a chance to do this, but for this it urgently needs more people to join the resistance here in Hambi.

In addition, the district government has announced plans to evict all activists from both the forest and the camp in the nearby village of Morschenich. The forest is to be „used for forestry“ again, which means nothing else than turning a functioning, natural and living ecosystem into a monotonous monoculture that is not up to the environmental conditions. We can already see the consequences of this in the places in the forest that were once used for forestry. At these monoculture places all trees are now dead without exception. But this is deliberately ignored by those who see nothing but a missed opportunity for profits in the forest.
The local government also senses investment opportunities in the village of Morschenich, which lies to the west of the forest and is home to Hambi Camp 2.0. The village was once almost entirely bought up by RWE, and the inhabitants resettled to make way for the coal mine. Now the municipality wants to buy the village back from RWE and turn it into a „place of the future“ (yes, that’s actually already written on the village entrance sign). The idea is to attract investors, have start-ups to open their offices there and create a showcase for green capitalism. Since the municipality fears that the presence of the Hambi Camp could be a deterrent to investors, these plans are also linked to getting rid of us altogether.

According to the plans of the local government, then „maybe, one or two tree houses will be allowed to stand as landmarks“ and that’s it.
And how exactly are they going to do that? Fortunately, we can read about that because it’s in a public record. The plan, for which about 200,000 euros in funding has already been applied for and approved, and which is to begin this year, includes, among other things social workers who are supposed to talk to us and make us want to leave, „breaking mutual solidarity among the activists“ and sowing conflict between ourselves and local refugees. So we don’t have to fear a „classic“ police eviction (yet!), but all kinds of other stops are being pulled out to make sure that we leave „voluntarily“. Of course, we will not put up with this and will defend this place, as we have been doing for 11 years now. But also for this we wish that more people come and help us to make clear that we will never give the forest and our free spaces into the hands of the state and capital without a fight.
Defending the Hambi is infinitely important:
For one thing, this is still about the issue of phasing out coal, or fossil capitalism in general. If we combine the various factors that are developing on the ground right now, the following picture emerges: if the Hambi is converted into a monoculture forest, robbing it of its ecological resilience, and if, in addition, it is deprived of all water by Manheim Bay, while the occupation defending it is evicted, then the forest will be dead in a few years. As soon as this is the case, it is easy to argue on the part of RWE that it is now no longer worth protecting because it no longer represents a valuable habitat. Then there would be no legal obstacle to cutting it down in order to get at the millions of tons of coal that are still stored underneath it. The so-called „coal phase-out“ that has just been adopted does nothing to change this. Because this is nothing more than a law, and laws can be changed again quickly, especially when governments change. In the case of the nuclear phase-out, we have already seen that even once a decision has been made, plans to phase out nuclear power are quickly called into question again as the set date approaches. The coal phase-out has already been postponed recently from 2030 to 2033 and it is more than likely that in the future any opportunity will continue to be used as an excuse to delay it again. This means that we still have to assume that without our determined resistance, the forest will eventually be completely converted into a coal mine.

Furthermore, the Hambi is an important place for the anti-capitalist climate movement. Every movement needs places where knowledge and skills can be stored and spread and the Hambi is such a place. For example, practical support that made resistance in Danni, Lützi and other places possible in the first place started from here. Climbing trainings and other meetings take place regularly, where skills can be shared, contacts made and plans forged. In this way, projects and ideas emerge from the Hambi again and again and are carried out into the world.

But not only for people, also for other creatures, the Hambi is an extremely valuable habitat. Due to the occupation, there has been no hunting here for 11 years, as a result of which wild boar, deer and other populations have recovered noticeably. There are also numerous species of plants and especially funghi  that have become completely extinct in many other areas of Europe. But in this forest, left to nature thanks to the occupation, these species can still thrive and survive. Thus, the Hambi is an ecological sanctuary that offers refuge to many beings and also serves as an example to show that nature can manage wonderfully without human (that is, extractivist-capitalist) intervention.

But above all, as mentioned above, the Hambi is one of the largest autonomous zones that exist in Germany. Through years of tireless effort, this free space has been fought for in which we can already experience and learn the domination-critical, anti-capitalist and solidary way of life that we wish for worldwide. Instead of just dreaming about changing the system altogether, we simply start here and build a new way of living together from below. We have a place in the Hambi where we can organize ourselves free of capitalist constraints, where the state does not have full control and oversight over every corner, and where we can put our values and our need to live freely and self-determined into practice every day.

It would be crazy to let that be taken away from us!

 

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Tabea

    Hey, könnt ihr vielleicht die öffentlichen Protokolle, von denen die Rede ist, verlinken? Hab sie erstmal nicht finden können, finds aber spannend. Soligrüße 🙂

  2. Name (erforderlich)

    Soligrüße von einem Ex-Bewohni, komme bald mal wieder vorbei.
    Eine Richtigstellung: Die Fichtenmonokulturen im Hambi sind in der Nachkriegszeit entstanden, weil während und nach dem Krieg größere Flächen kahl geschlagen worden waren und dann später beim Aufforsten wie überall sonst auch kurzfristige Profitinteressen für Fichte sprachen. Der Rest vom Wald war ja auch bis zum Anwachsen der Besetzung forstwirtschaftlich genutzt und das auf eine offenbar rücksichtsvolle Art und Weise, sonst wäre der Hambi nicht wie er ist.

    Was trotzdem stimmt, ist dass in der Situation heute eine forstwirtschafltiche Nutzung durch Handlanger von RWE ohne störende Aktivisti*s wahrscheinlich ganz anders aussehen würde als in den Jahrzehnten vor der Besetzung. Da würde bestimmt sehr egelmäßig hier und da ein Baum zur sicherheit gefällt werden, weil ja Totholz raus fallen kann, bis kein Wald mehr übrig ist.

    1. hambacherforst

      vielen Dank für die Korrektur! eine wichtige ergänzung:)

  3. Anna Blietschau

    Nein, nein…ihr müsst bleiben, auf jeden Fall.
    Ich wohne hier in der Region. Kenne den Wald, als er noch komplett war.
    Seit 2013 komme ich zu den Widerständlerinnen.
    Wollte eigentlich heute kommen. Aber Regen und Kälte und Alter, schlechte
    Kombi.
    Werde wieder kommen. Zu euch nach Morschenich.
    Bringe euch super Nudeln mit
    Bis dann.
    Anna

Schreibe einen Kommentar