Vorneweg: Das Skillsharingcamp wird diesen Frühling nicht in geplanter Form und auch nicht in und um den Hambacher Forst stattfinden.
Es folgt eine Stellungsname eines Teiles der Skillshare-Orga.
Wie die meisten sich wahrscheinlich schon dachten, wird das Frühlingsskillshare dieses Jahr nicht in geplanter Form stattfinden. Gründe und Erwägungen, die dazu geführt haben, sind folgende:
-Großveranstaltungen sind aktuell aufgrund der Corona-Pandemie nicht verantwortungsvoll durchführbar.
-Selbst wenn es einen Weg gäbe, das Skillshare auf eine Art durchzuführen, die Ansteckungsrisiken minimiert, wäre es aufgrund der aktuellen staatlichen Maßnahmen (Ausgangssperren, Versammlungs und Veranstaltungs-Verbote) nicht durchführbar.
-Wir haben kein Interesse daran, einen Vorwand für eine weitere Räumung zu liefern.
-Angehörige von Risikogruppen, Menschen die von außerhalb Deutschlands anreißen, etc hätten gerade ohnehin keine Möglichkeit zur Teilname.
-In Zeiten, in denen sich innerhalb von Tagen ein totalitärer Polizeistaat formiert, ist es nicht unbedingt sinnvoll, große Teile der widerständigen Bewegung an einem Ort gesammelt zu haben. Dezentralität und so.
Totalitärer Polizeistaat mag wie ein überzogener Begriff klingen. Doch wie hätte man es vor ein paar Wochen genannt, wenn man erzählt bekommen hätte, dass innerhalb ein paar Tage:
-Die Versammlungsfreiheit abgeschafft wird
-Das Recht auf Bewegungsfreiheit und Freizügigkeit massiv eingeschränkt wird
-Das Recht auf freie Religionsausübung massiv eingeschränkt wird
-Die Bundeswehr zur Durchsetzung dieser Maßnahmen im Inneren eingesetzt wird
-Datenschutz und Privatssphäre ausgehebelt werden
-Das Asylrecht abgeschafft wird
-Grenzen innerhalb der EU geschlossen werden
-Ein Großteil dieser Maßnahmen von der Exekutive ohne Einbeziehung der Legislative beschlossen werden
-Gesetze auf dem Weg sind, die es der Exekutive (wozu die Bundesregierung und das Bundesgesundheitsministerium zählt) ermöglichen sollen, den Föderalismus und die Legislative einfach zu umgehen (Funfact: Wikipedia definiert einen Polizeistaat als „ein[en] Staat, dessen Organe nicht rechtlich gebunden handeln und die sich im Gegensatz zu rechts- und verfassungsstaatlichen Vorstellungen wegen einer mangelhaften Gewaltenteilung nicht effektiv gegenseitig kontrollieren.)
Versteckt passieren während dessen noch weitere Dinge, etwa gibt es die interne Dienstanweisung von Jugendämtern, dass bei einem Fall von Corona in Jugendhilfe-Einrichtungen alle dort lebenden Kinder und Jugendliche zu ihren Familien zurückmüssen, selbst wenn sie aufgrund von häuslicher Gewalt und Missbrauch dort leben (was bei vielen dieser Einrichtungen der Normalfall ist). (Da stellt sich die Frage, ob die Maßnahmen nicht mehr Schaden anrichten als der Virus.)
Auch was Obdachlose jetzt tun sollen scheint den Staat nicht besonders zu interessieren.
Die Maßnahmen mögen aufgrund der Situation berechtigt wirken. Doch wir sollten uns die Gefahren solcher Maßnahmen vor Augen halten, wie oft es vorkommt, dass Einschränkungen von Menschenrechten, Freiheitsrechten, Persönlichkeitsrechten und Befugniserweiterungen für Sicherheitsbehörden nie wieder abgeschafft werden. Eigentlich ist es sogar der Regelfall. Ehrlich gesagt fällt uns als Verfasserinnen dieses Textes kein Gegenbeispiel ein. Wenn man bedenkt, dass für diese Rechte mehr Menschen gestorben sind, als Corona jemals töten wird, ist es ein sehr gefährliches Spiel, dass wir gerade spielen, wenn wir diese Maßnahmen einfach akzeptieren oder sogar gutheißen.
Doch was ließe sich stattdessen tun, um den Virus einzudämmen? Nun ja, was der Staat bisher nicht getan hat, ist zum Beispiel:
-Lohnarbeitsverbot bis auf absolut Notwendiges bei vollem Lohnausgleich für die Dauer der Krise (die Schweiz macht es für einzelne Berufsgruppen wie Sexarbeiter*innen vor, in Deutschland wird diesen lieber einfach verboten ihrem Job nachzugehen, ohne irgendeine Alternative zu bieten, währenddessen ist es drei Freundinnen aktuell verboten, unter freiem Himmel zusammen zu treffen, aber wenn die drei bei Rheinmetall nebeneinander Waffen bauen, ist alles legal)
-Oder auch direkt ein Bedingungsloses Grundeinkommen bis die Pandemie vorbei ist
-Alle Leute aus den Knästen rauslassen, anstatt aufgrund von Corona die Gefangenen weiter zu schikanieren
-Innenstädte vorrübergehend autofrei, um Platz zu schaffen, Abstand zu halten
-Hotelzimmer vorrübergehend beschlagnahmen für Obdachlose und Leute, die von ihren Familien und WGs weg wollen
Noch mehr testen und informieren ist natürlich auch nicht falsch, in dem Fall ohne unterstellen zu wollen, dass das gar nicht gemacht wird
Was natürlich schon weit vor der Pandemie hätte passieren müssen sind Dinge wie:
-Krankenhäuser und das Gesundheitssystem aus dem Markt rausnehmen, Kapazitäten verdoppeln statt reduzieren
-Krankenhauspersonal angemessen bezahlen, dann gibt es auch genug (Gedanke hier: Jetzt wäre doch der ideale Zeitpunkt einfach mal mit Streik zu drohen, um wirklich alle Forderungen durchsetzen zu können)
-Strategische Vorräte an Schutzkleidung, Geräten und Laborkapazität
-So Blödsinn zu lassen wie beispielsweise Tiere zu essen (wen das jetzt verwirrt: Einfach mal recherchieren, wo das Virus ursprünglich herkommt)
Aber was hat das jetzt alles mit dem Skillsharingcamp zu tun?
Nun, im Hambi kann unter den aktuellen Umständen kein Skillshare stattfinden. Das heißt aber nicht, dass wir uns jetzt ausruhen und abwarten sollten, im Gegenteil. Sich auf Widerstand vorbereiten, ist aus oben genannten Gründen nötiger denn je. Deshalb ist die Aufforderung an euch alle: Macht eure eigenen kleinen Skillshares, trefft euch in einer konspirativen WG in eurer Stadt oder auch digital, tauscht Skills aus und bereitet euch darauf vor, dass die autoritären Maßnahmen nach der Pandemie nicht unbedingt wieder verschwinden werden. Achtet dabei darauf Ansteckungsrisiken so niedrig wie möglich zu halten. Einige Dinge können wir als Orga euch aber doch noch anbieten für eure kleinen dezentralen Skillshares:
-Eine Liste mit Tools für digitale Organisierung
-Einige der Inhalte, die es auf dem Skillshare gegeben hätte gibt es in digitaler Form
-Weil in Corona-Zeiten Datenschutz und Privatssphäre nichts mehr wert zu sein scheinen, werden Workshops zu Crypto-Themen umso wichtiger. Diese werden auch stattfinden, live, digital und interaktiv, Infos folgen in Kürze
Und was können wir alle sonst noch tun?
-Organisiert euch!
-Informiert euch und andere, sowohl zu Corona, als auch zu den Gefahren von einem autoritären Staat.
-Vermeidet Ansteckungen, wenn es geht (heißt nicht unbedingt sich an alle der neuen Regeln halten), aber nicht um jeden Preis.
-Wenn ihr Platz habt, nehmt Obdachlose oder Betroffene häuslicher Gewalt auf (auch häusliche Gewalt wird durch Ausgangssperren erwiesenermaßen mehr).
-Leistet Nachbarschaftshilfe, unterstützt Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer, zum Beispiel nicht einkaufen gehen können.
-Lasst Menschen nicht alleine. Isolation und Vereinsamung ist für viele Menschen, gerade solche mit psychischen Vorbelastungen, nicht leicht zu ertragen. In Zeiten von Quarantäne und Ausgangssperren geht erwiesenermaßen die Suizidrate nach oben und viele haben danach PTBS-Symptome. Deshalb besucht Menschen, wenn ihr das Gefühl habt, es verantworten zu können. Wenn nicht dann leistet ihnen zumindest digital Gesellschaft. Egal ob es einfach nur reden, zusammen online-Spiele spielen oder etwas ganz anderes ist. Lasst jetzt niemanden alleine!
-Wenn ihr jemand kennt, der jetzt alleine in seiner Wohnung ist und damit überhaupt nicht zurechtkommt, könnt ihr ja drüber nachdenken, ob ihr nicht gemeinsam in Quarantäne/Ausgangssperre wollt.
-Achtet bei all dem auf eure eigenen Grenzen. Es bringt niemanden etwas, wenn ihr euch kaputt macht.
Und was ist mit dem nächsten Skillshare?
Das Skillshare ist für viele ehemalige Waldbesetzis auch einfach eine Möglichkeit sich wiederzusehen und zu feiern, die für viele auch völlig abseits der politischen Wirksamkeit ist. Deshalb wird es, sobald der Ausnahmezustand sich ein wenig normalisiert hat und sowas wieder durchführbar und zu verantworten ist, ein kleines Hambi-Festival für Waldbesetzis, Ehemalige und Freund*innen geben, mit dem Fokus auf feiern und eine schöne Zeit haben. Die Zielsetzung ist hierbei ausdrücklich nicht die Zugänglichkeit für ein breites Spektrum an Gästen, wie es das bei dem Skillsharingcamp ist.
Das nächste „richtige“ Skillsharingcamp wird vom 04.09. bis zum 20.09. stattfinden. Lest für Updates auch #Skillshare2020 auf Twitter.
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