Gefährlicher Ort? Von Wegen!

Seit einiger Zeit gilt der Hambacher Forst und ein beträchtlicher Teil drumherum als ‚Gefährlicher Ort‘ in welchem es der Polizei ermöglicht wird, Personalien festzustellen, Durchsuchung von Mensch und Fahrzeugen vorzunehmen und Dinge zu beschlagnahmen.

Gegen diesen ‚Gefährlichen Ort‘ als solchen ist juristisch erstmal wenig zu machen ABER gegen jede einzelne Polizeimaßnahme kann sehr wohl vorgegangen werden.

Warum sollte es gefährlich sein, wenn ich in Buir an der Tankstelle eine Packung Kaugummi kaufe?

Warum sollte ich nicht auf der Landstraße L257 zur Arbeit fahren können ohne jedesmal meinen Kofferraum öffnen zu müssen?

Warum sollte ich meine Personalien angeben wenn ich zu einer angemeldeten Mahnwache möchte?

Und warum werde ich jedem Abend bei meiner Hunde-Gassirunde nach meinem Ausweis gefragt und soll mich auch noch nach dem letzten Leckerli in meiner Tasche durchsuchen; im schlimmsten Fall abtasten lassen?

Wir sagen: Schluss mit dem ‚Gefährlichen Ort‘! Wir wissen, dass dieser völlig überzogen ist und hunderte Menschen in ihrer Freiheit einschränkt – übrigens ein realistischer Ausblick auf das, was uns allen blüht, wenn Innenminister Reul das neue Polizeigesetz durchbringt. Was wir noch nicht wissen ist, was das Gericht dazu sagt … folgen Richter*innen dieser nur auf Einschüchterung und Abschreckung ausgelegten zugrundeliegenden Gefahrenprognose der Polizei? Und wenn nicht: wie können die realen Auswirkungen maximal beschränkt werden?

Für alle Menschen die sich gegen polizeiliche Maßnahmen innerhalb des ‚Gefährlichen Ortes‘ zwischen Morschenich, Wald, Manheim und Ortsgrenzen Buir vor Gericht wehren wollen, haben wir hier eine kleine Anleitung:

  • meldet euch bitte beim EA (legalsupporthambi@nullriseup.net) oder bei RA Mertens (kanzlei@nullra-mertens.com)
  • erhaltet von uns Tipps und Kniffe für euer Schreiben ans Verwaltungsgericht
  • nehmt eure Empörung gern mit in eure Klage auf
  • überlegt euch vorher gut ob das ein Schritt für euch ist… Klagen müssen begründet werden; für Menschen die gern nichts über sich sagen wollen, vielleicht nicht das passende Mittel
  • schreibt uns auch wenn ihr Lust drauf habt zu eurer Klage mehr zu sagen und das eventuell auch öffentlich gegenüber Medienvertreter*innen.

Klagen kosten Geld (wenn ihr welches habt; mehr Tipps unter: http://vonunskriegtihrnix.blogsport.eu/) und sind auch Aufwand – wenn ihr euch zwar nicht vorstellen könnt selbst zu klagen, dann habt ihr vielleicht noch eine Münze übrig und könnt so Klage-Pat*innen werden. Meldet euch auch dann bitte beim EA.

Still not loving ‚gefährliche Orte‘

Euer Hambi EA plus Supporter*innen

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Loewenherz

    § 37 VwVfg, §§ 12, 39, 40 PolG NRW, allgemeine Handlungsfreiheit des Art 2 I GG – und dazu einschlägige Kommentare zum Polizei- und Ordnungsrecht lesen lohnt sich!

    Es kommt auf die Abgrenzung „gefährlicher Ort“ – in NRW normiert und „Gefahrengebiet“ – in NRW nicht normiert- an.
    Der „gefährliche Ort“ ist vom Umfang her kleiner und noch irgendwie sachlich abgrenzbar wie z.B. für Räuber-Hotzenplotz-Wald, Görlitzer-Park, Bordelle in Hannover-Steintorstraße, Vereinslokal des „Gremium Motor Clubs“, Lokalitäten des Miri-Clans etc. denkbar.

    Derzeit wurde faktisch ein ganzes Gefahrengebiet ausgewiesen (Tagebaurandstraße Ellen im Westen bis Autobahnzubringer Elsdorf im Osten, Tagebaukante im Norden, A4 neu im Süden zuzüglich der im zusammenhang bebauten Ortslage Buir), die Darstellung auf twitter wurde mir – vor einigen Tagen – von der Polizei bestätigt.

    Dafür gibt es in NRW überhaupt keine Rechtsgrundlage und eine entsprechende Regelung im Hamburg wurde wegen erheblicher grundrechtlicher Bedenken vom OVG Hamburg hochkant einkassiert.

    Als Rechtsbehelf gegen Identitätskontrolle sowie Durchsuchung von Personen und Sachen ist die Fortsetzungfeststellungsklage analog § 113 VwGO gegeben.

    Nach § 40 II PolG NRW hat nach jeder Durchsuchung von Sachen der Inhaber Anspruch auf eine Bescheinigung über die Durchsuchung und ihren Grund, unabhängig davon ob Gegenstände sichergestellt wurden oder nicht.

    Auch am „gefährlichen Ort“ haben Kontrollen und Durchsuchungen nach herrschender Meinung willkürfrei zu erfolgen.

    Mir wurde berichtet, dass bereits mehrere Klagen gegen Durchsuchungen bzw. Kontrollen anhängig seien. Hier ist schwer zu hoffen, dass diese bis zum BVerwG durchgeklagt werden, da VG absehbar und wahrscheinlich auch OVG dem Land NRW recht geben werden.

    Möglicherweise wurden deshalb auch die Kontrollen lediglich von Sindorf über Mahnheim, Morschenich nach Ellen durchfahrender Fahrzeuge in den letzten Tagen reduziert bzw. gänzlich eingestellt.

    Praktisch wichtig ist, das Öffnen der z.B. Taschen oder Rucksäcke und Entnahme der Gegenstände der Polizei zu überlassen, damit auch nicht der Verdacht aufkommt, es handele sich hier lediglich um die Inaugenscheinnahme freiwillig vorgezeigter Gegenstände/Sachen.

    Und stets höflich im Ton bleiben, sonst schwächt man völlig unnötigerweise seine Rechtposition.

  2. Jacqueline Treydel

    Ich weiß, ich bin weit weg und ich hab leicht Reden (Schreiben) aber meine Hochachtung gilt den Menschen, die sich für diesen Wald einsetzen!!!! Ich finde auch nicht wirklich Worte für das, was ich empfinde, wenn ich die Geschehnisse verfolge. Ich verstehe die Polizisten nicht, die gegen die Aktivisten vorgehen!!! WIRKLICH NICHT!!! & ich verstehe die Politiker nicht, die dem Ganzen statt geben… Es zeigt, was alle wissen, dass die Wirtschaft regiert und die Politik Heuchelei ist!!! Aufrichtig leid tut mir der Tod des jungen Journalisten!!!!

  3. Nöll

    Ich kann mir schon lebhaft vorstellen, wie die Braunkohlejunkies und ihre Knechte auf den tödlichen Absturz des Journalisten reagieren werden: „Siehste! Das ist ein gefährlicher Ort. Da MUSSTEN wir doch was tun!“ Darum sage ich jetzt schon mal was dazu. Ohne Details des gestrigen Unfalls zu kennen, ist es wohl klar, dass gerade die Räumungssituation die Hektik vor Ort, und damit die Gefährlichkeit ins Unermessliche gesteigert hat. Und diese Hektik wurde von denen herbei geführt, die angeblich da waren, um Gefahren abzuwehren.
    Ob das Opfer unvorsichtig war, ob Meldungen stimmen, nach denen er Mitten auf der Brücke eine Speicherkarte gewechselt hat, das wird geklärt werden müssen. Aber nicht von der Polizei. Denn die ist ja Partei. Alles was sie zu Protokoll nimmt oder unterschlägt, wird dazu dienen, ihre eigene Hände zu waschen. Siehe NSU Untersuchungen. Darum: sagt nicht aus über diesen Fall! Bezeichnend für ihre Parteilichkeit ist, dass die Polizei nun den Menschen auf den Bäumen das freundliche Angebot macht, sie gefahrlos aus dem Wald zu begleiten. Was soll das nun schon wieder?

  4. Mickesch

    Es wird Zeit. Ganz Deutschland muss zum Hambacher Forst!

  5. Dawnswoop

    Heute 21.09. wurde ich insgesamt 6 mal durch die Polizei gestoppt, meine Personalien wurden überprüft und ich wurde komplett durchsucht, die ersten 4 „Kontrollen“ lagen nahezu in Sichtweite der einzelnen „Kontrollposten“ zueinander, dies auf knapp 800m Wegstrecke. Was soll sowas?
    Ich bin kein Aktivist, nur interessierter, arbeitender und steuerzahlender Bürger, der sich sein eigenes Bild vom Wald machen wollte. Ich zahle den Scheiss Einsatz ja mit. Ich kann nur sagen, das ich dies als sehr unangenehm und ab der dritten Durchsuchung auch als Schikane erlebte.
    Angekommen in Beechtown übermannte mich tiefe Trauer für den Verunglückten. Ich bin selbst Baum,-Höhlen,-Freizeitkletterer und weiß gut um das Restriskio bei solchen Aktivitäten bescheid. Stress und Hektik durch die Umgebung sind Gift bei solchen Aktivitäten.
    Ich weiss das Ihr da wohnt und es euer völlig gewöhnlicher täglicher Weg ist, aber sorgt bitte für etwas mehr Redundanz.
    Ihr steht aktuell in der Aufmerksamkeit von Presse und der scheiss RWE nicht gut da, wenn man euch leichtsinniges Verhalten unterstellen kann.
    Ich habe heute ein paar Tränen im Wald gelassen und wünsche Euch viel Kraft das Kommende meistern zu können.
    Ich ziehe den Hut vor dem was Ihr da erschaffen habt, es hat mich sehr bewegt.
    Ein Konstrukt aus Mahnung, Widerstand, Wohnraum, alternativer Lebensweise, Kunst und einer ganz klaren Ansage, die ich ohne Punkt und Komma unterstütze.
    Ich danke Euch für Euer Engagement und wünsche Allen weiterhin viel Mut und Power.
    Ich bin bald wieder da und bringe ein paar Kleinigkeiten mit!
    Reegards Dawnswoop

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