Warum ich mich freue, dass RWE’s Kabel brennen

Sabotage gegen Klimakiller:

Im April 2016 erscheint auf linksunten.indymedia.org[1] ein Bekenner_innenschreiben in dem es heißt, die Autor_innen hätten in der Nacht vom 23.-24. April 50 Kabel in Brand gesteckt, die den Tagebau Hambach mit Strom versorgen. Daraufhin ist der Tagebau für mehrere Tage teilweise außer Betrieb. Personen wurden nicht verletzt.

Reaktion der Presse?

Der Kölner Stadtanzeiger, RWE und Polizei sprechen von einer Eskalation der Gewalt und bringen die Sabotageakte mit der Waldbesetzung Hambacher Forst in Verbindung.
Ich werde später noch auf diese Punkte zurückkommen. Erst mal möchte ich an dieser Stelle jedoch zwei Dinge sagen:

1. Es kamen keine Menschen persönlich zu schaden. Ganz im Gegensatz zu den Folgen der Aktivitäten von industriellen Unternehmen wie RWE.
2. Es gibt keine Hinweise, dass irgendwelche Besetzer_innen etwas mit diesem Sabotageakt zu tun haben könnten.

Wer von Meinungsfreiheit ausgeht, muss also jeder_m Besetzer_in zugestehen sich auf dem Blog positiv oder negativ zu dieser Aktion zu äußern, ohne dass ihnen irgendein Nachteil daraus entsteht. Wenn Presse oder RWE unterstellen, dass die Aktion von der Wiesenbesetzung ausging, ist das völlig haltlos. Die Forderung nach Distanzierung ist demnach ebenfalls hinfällig.

Gelungen?

Ich freue mich!
Denn die Aktion hat den Tagebau in Teilen für mehrere Tage lahmgelegt. Das war keine symbolische, sondern eine, im besten Sinne, radikale und effektive Form des Widerstands.
Ein Kabelbrand wie dieser hat mindestens zwei Effekte.

1. Während der Schaden besteht, fällt der Betrieb zum Teil aus. Es wird weniger abgebaggert und hohe Kosten entstehen.
2. Es müssen Reparaturen gezahlt werden. „Vandalismus“ ist oft nicht versichert. (Es wäre interessant zu wissen, welche Kosten RWE selbst trägt und welche die Versicherung). Versicherungen und Anleger reagieren außerdem auf Risikostatistiken. Deshalb ist zu erwarten, dass RWE mit zunehmendem Widerstand Probleme mit den Aktionären und der Versicherung bekommt.

Zugleich bin ich besorgt!
Ich frage mich, ob Aktionen wie der Kabelbrand und der angesägte Strommast zur richtigen Zeit kommen.
Waren sich die Saboteur_innen bewusst, welche Konsequenzen die Aktion für die Besetzung haben könnte? War ihnen klar, dass Polizei und Medien radikale Aktionen im derzeitigen politischen Klima vorverurteilend der Waldbesetzung anlasten werden? Ich kann es wirklich nicht beurteilen, aber ich hoffe, dass derartige Überlegungen Teil der Planung waren.
Natürlich hoffe ich auch, dass das Risiko für die Leben von Menschen vorsichtig erwogen wurde. Doch bei derart wohlgeplanten Aktionen muss ich erst einmal davon ausgehen, denn es wurde ja tatsächlich niemand verletzt.[2]

Legitim?

Ich bin der Ansicht, dass die Mittel möglichst angemessen gewählt werden sollten. Warum in einem Konflikt jemanden schlagen, wenn es ein Gespräch getan hätte? Warum eine_n Angreifer_in umbringen, wenn sie_er mit einem Schlag außer Gefecht zu setzen wäre?
Ich kann nicht vorher bestimmen, was für einen Effekt die Sabotageakte für den Widerstand haben werden. Auch die Saboteur_innen konnten das sicherlich nicht. Aber sie haben den Mut gehabt, es auszuprobieren, und dafür bin ich dankbar.
Denn um die Tagebaue zu stoppen wurden vor langer Zeit Gespräche versucht. Ohne Erfolg.
Der Rechtsweg wurde begangen. Ohne Erfolg.
Aufklärung, Demonstrationen, Lichterketten, Menschenketten. Ohne dass sie alleine die Zerstörung aufhalten konnten.
Ziviler Ungehorsam, Besetzungen, Blockaden. Vielleicht bewegt sich ein bisschen.
Doch der Klimawandel und seine verheerenden Folgen gehen weiter voran. Es ist nicht einmal ein Rückgang der Emissionen zu verbuchen.
Außerdem wird der Preis für Menschen, die Zivilen Ungehorsam leisten, in die Höhe getrieben. Zivilklagen und Schadensersatzforderungen sollen Aktivist_innen zum Stillhalten bewegen, indem sie mit finanziellem Ruin oder Gefängnis drohen. Wer sich dem entzieht, indem sie_er sich anonym hält, der Polizei die Angabe der Personalien und der Fingerabdrücke verweigert, wird auf der Wache misshandelt, oder in der Nähe der Besetzungen willkürlich aufgegriffen und über Stunden eingesperrt. (Hierzu später mehr)
Die logische Konsequenz sind Aktionen, die den Betrieb stören oder lahmlegen und bei denen die Akteure nicht in die Hände der Polizei und der Securities fallen.

Verbindung zum Hambacher Forst?

In einigen Artikel ist der Hambacher Forst bereits im Titel mit eingebaut. Es gibt jedoch keinerlei Fakten, die darauf hinweisen, dass ein Zusammenhang besteht. Die Bekenner_innenschreiben wurden im Internet auf der offenen Info-Plattform Indymedia veröffentlicht. Der Blog hambacherforst.blogsport.de hat dieses Schreiben, genau wie bei etlichen Neuigkeiten üblich, die den Klima-Widerstand betreffen, verlinkt. Daraus einen direkten Zusammenhang mit der Tat abzuleiten ist absurd.

Die Besetzungen sind super, denn sie erzeugen politischen Druck und bringen Menschen zusammen, zeigen, dass ein anderes Leben und ein anderer Widerstand möglich sind.

Die Sabotage war radikal und effektiv. Auch die Waldbesetzung ist radikal und effektiv. Auch die Besetzer_innen sind natürlich RWE-Gegner_innen und solidarisieren sich mit Aktionen gegen den Konzern. Das darf aber nicht zu dem Kurzschluss (haha) führen, dass jegliche nicht rein symbolische Unternehmung gegen die zerstörerischen Machenschaften von RWE automatisch von dort ausgeht. Beziehungsweise, dass der Hambacher Forst Blog die Verantwortung für jeden von RWE erlittenen Schaden trägt oder auch nur Position beziehen müsste. Denn die Anti-Braunkohle-Bewegung ist gewachsen in den letzten Jahren und lässt sich längst nicht mehr auf wenige Gruppierungen reduzieren.

Bei Sabotage und Besetzungen handelt es sich um unterschiedliche Taktiken mit unterschiedlichen Zielsetzungen.
Besetzung: Direkt im Weg sein und Öffentlichkeit schaffen. Sabotage: Infrastruktur zerstören, die das Klima zerstört und ein unberechenbares Risiko für den Konzern hervorbringen.
Beides ist unabhängig voneinander möglich.
Beide Formen zeigen mögliche Wege auf, wie wir die Ursachen für den menschen-gemachten Klimawandel aufhalten können, ohne uns zu Bittstellern vor den Machthabenden zu degradieren.

Dass nach einer Sabotage-Aktion von Polizei und Medien die Wald-Besetzung zur Rechenschaft gezogen wird, ist auch ein Versuch, die Bandbreite der RWE-Gegner_innen und deren vielfältigen Ansätze kleinzureden. Das macht es einfach, den Widerstand zu unterbinden und die Wiesenbesetzung politisch zu isolieren.
Ich befürchte, dass die Pressestellen von RWE und Polizei, so wie diejenige Presse selbst, die einen Großteil ihrer finanziellen Mittel aus RWE Anzeigen beziehen, ein Interesse daran haben, die Situation zu nutzen um die Besetzung zu kriminalisieren und weitere staatliche Angriffe wie Razzien und Räumungen zu legitimieren.

Gewalt?

Teile der Presse sprechen währenddessen von einer Eskalation der Gewalt
Es drängt sich mal wieder die Frage auf, was hier als Gewalt betitelt wird und was nicht.

Sich gegen prügelnde Securities zur Wehr setzen, Infrastruktur von RWE sabotieren, Scheibe von leerem Polizeiauto einschlagen
= GEWALT?

Menschen aus ihren Wohnungen vertreiben und ihnen damit ihre Kindheitserinnerungen zerreißen, Luft verschmutzen, die wir atmen und davon krank werden, Klimawandel beschleunigen und damit Menschen zur Flucht zwingen, Aktivist_innen einsperren und misshandeln
= NORMAL, weil rechtlich abgesichert?

In ersteren Fällen geht es um seltene Notwehrhandlungen ohne Schwerverletzte und um Aktionen bei denen überhaupt keine Menschen zu schaden kamen. [3]

In zweiteren Fällen geht es um seelisches, gesundheitliches Leid an tausenden Menschen weltweit und Aktivist_innen, die schwere Verletzungen bis hin zu ausgeschlagenen Zähnen, gebrochenen Gliedmaßen und Isolationshaft in Kauf nehmen mussten. [4]

Gewalt entsteht nicht innerhalb des Widerstands im Rheinland. Gewalt ist unbedingter Bestandteil der kapitalistischen Wirtschaftsweise und der industriellen Gesellschaftsform. Diese können letztlich nur mit Gewalt, durch Polizei und Militär aufrecht erhalten werden. Denn überall dort wo Lebensgrundlagen zerstört werden, regt sich Widerstand.

⇑ [1] https://linksunten.indymedia.org/de/node/177152 „Erklärung zum Kabelbrand im Tagebau Hambach“ 28.04.2016

⇑ [2] Damit möchte ich keine neue Grenze ziehen à la: „Widerstand ist nur legitim, wenn niemand verletzt wird!“
Denn der Konflikt zwischen dem Überleben kleinbäuerlicher und indigener Existenzen und letztlich großen Teilen der Menschheit und dem industriellen kapitalistischen System ist seit langem blutige Realität. Ich finde es auch jetzt legitim wenn sich bspw. indigene Bewegungen bewaffnen, um ihr Überleben gegen koloniale Mächte zu verteidigen. Auch RWE ist aktiver Teil dieser Mächte und auch wenn ich es mir wünschen würde, sehe ich es nicht als realistische Möglichkeit an, dass sich dieses System, welches über Militär und Knäste verfügt, auf einem friedlichen Wege stürzen ließe. Ich glaube vielmehr, dass auch hier der Konflikt zwischen Leben und Industrie irgendwann auch hier auf eine Weise gefochten werden könnte, dass die Todesopfer nicht mehr nur auf Seiten der Entrechteten (Geflüchteten, Obdachlosen, nicht-menschliche Tiere etc.) geben wird, sondern auch auf Seiten der Polizei oder dem Militär.

⇑ [3] Bei allen mir bekannten Zusammenstößen, standen kampfgeschulte, bewaffnete Securities oder Polizist_innen in der Überzahl gegen Aktivistis, die höchstens Stöcke, oder Pfefferspray und in letzter Zeit manchmal Zwillen zu ihrer Verteidigung hatten.
Ein Aktivist wurde wegen Körperverletzung angeklagt und musste zuvor wochenlang in Isolationshaft verbringen. Einzige betroffene Person war ein Baggerfahrer von RWE, der sich bei einer schnellen Kopfbewegung das Genick gezerrt hatte.

⇑ [4] (Triggerwarnung: Es wird physische Gewalt geschildert) Von RWE Securities bewusstlos geprügelt, gefesselt in Pfützen gedrückt, mit Mord bedroht, Zähne ausgeschlagen, Nase gebrochen usw.
Von Polizist_innen auf der Wache vor die Brust getreten, gewaltsam ausgezogen, Schmerzgriffe, Armhebel, Finger brechen, bewusstlos würgen und schlagen um Fingerabdrücke zu erzwingen. In vielen Fällen ohne konkreten Tatvorwurf.
(Ende Triggerwarnung)
Warum wurden diese Vorfälle nicht zur Anzeige gebracht?
Um sich der Repression durch Klagen zu entziehen, halten viele Aktivist_innen ihre Identität auch dann geheim, wenn die Polizei sie einsperrt. Wenn sie auf der Wache dann misshandelt werden, oder vorher von Securities, müssten sie, um Anzeige zu erstatten, ihre Identität doch preisgeben. Dabei sind die Erfolgschancen, Klagen gegen Polizist_innen zu gewinnen höchst gering. Das zeigen zum einen offizielle Statistiken, zum anderen liegt es auf der Hand, da auf der Wache die einzigen Zeugen, die meist selbst beteiligten Kolleg_innen der tätigen Polizist_innen sind.

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