Ergebnisse des ersten Treffens zu Awareness-Strukturen auf dem “Build-Resistance”-Skill-Sharing-Camp

AwarnessAm Dienstag, den 18.02.2014, traf sich auf der Wiese am Hambacher Forst eine offene Gruppe, um bereits im Vorhinein über mögliche Awareness-Strukturen 1 auf dem vom 12.-25.April stattfindenden “Build-Resistance”-Skillsharing-Camp 2 zu diskutieren. Dabei wurden zunächst Begrifflichkeiten geklärt und anschließend wurde der Punkt “bedingungslose Parteilichkeit und Privilegien” diskutiert und zum Schluss fassten wir einige konkrete Strukturvorschläge zusammen. Den Punkt “Kritik an Defma” sowie den sich inhaltlich überschneidenden Punkt “Defma vs. Strafjustiz” ließen wir an diesem Tag aus, da die Zeit nicht reichte und die konkreten Strukturvorschläge unbedingt noch ihren Platz finden sollten. Damit soll nicht die Wichtigkeit dieser Punkte heruntergespielt werden. Einige Kritikpunkte sind jedoch auch so automatisch in die Diskussion mit eingeflossen. In dem Folgenden Text soll die entstandene Diskussion nach Möglichkeit wiedergegeben und die bereits erarbeiteten Strukturvorschläge sollen öffentlich gemacht werden. Das beschriebene Treffen wird nicht das letzte vor dem Camp gewesen sein, da nach völliger Ausschöpfung der Zeit- und Belastungskapazitäten aller Teilnehmer_innen immer noch einiges offen blieb.
Wenn ihr also ganz große (oder auch kleine) Bedenken bei einigen Punkten habt, haltet bitte die Augen und Ohren auf, wann das nächste Treffen stattfindet (wird auf der Internetseite www.hambacherforst.blogsport.de bekannt gegeben) oder tragt sie uns per E-Mail (hambacherforst (Ät) riseup · net) zu, wenn ihr nicht persönlich erscheinen könnt oder wollt.

I. Begriffsklärung

Klärung der Begriffe „Definitionsmacht“, „bedingungslose Parteilichkeit“ und „positiv bzw. negativ betroffene Person“

  1. Der Begriff bzw. das Konzept „Definitionsmacht“ oder auch kurz „Defma“ bedeutet, dass eine Person die Definitionsmacht über ihr eigenes Empfinden hat. Dabei wird nicht weiter analysiert, wie sich die betroffene Person wohl fühlen oder nicht fühlen mag. Es wird akzeptiert, dass die betroffene Person am besten weiß, wie es ihr geht und am besten einschätzen kann, wie sie eine Situation erlebt hat und was ihr nun am besten helfen würde.
    Dieses Konzept soll u.a. verhindern, dass eine Person, die sich schlecht fühlt und etwas Schlimmes erlebt hat (z.B. Diskriminierung, sexualisierte Gewalt), in die Beweispflicht3 gedrückt wird, so wie es im Justizsystem Gang und Gebe ist. Außerdem soll verhindert werden, dass die betroffene Person dem Druck ausgesetzt wird, etwas beweisen zu müssen oder wiederholt über das Geschehene zu berichten. Denn dies bedeutet für die betroffene Person meist eine erhöhte Belastung und kann sogar zu Retraumatisierung führen.
  2. Der Definitionsmacht anhängig/ zugehörig ist häufig der Begriff „bedingungslose Parteilichkeit“. „Bedingungslose Parteilichkeit“ bedeutet, dass die zuhörende Person sich ohne Bedingungen auf die Seite der negativ betroffenen Person stellt, dieser zuhört und glaubt und ihre Wünsche umsetzt – soweit die Umsetzung nicht die Grenzen der Unterstützer_innen überschreitet.
    Dieses Umgangskonzept stammt aus Frauenhäusern und soll dazu beitragen, dass Personen, die schlimme Erfahrungen gemacht haben, sich sicherer und verstandenfühlen.
    Ein großes Problem bei diesem Konzept sahen einige Anwesende in der Machtproblematik, die sich hieraus ergeben kann, besonders wenn die negativ betroffene Person über den Umgang mit der positiv betroffenen Person allein und in einer eventuell noch sehr emotional überladenen Situation entscheiden kann.Da bei der Definitionsmacht an sich keine Probleme gesehen wurden, die bedingungslose Parteilichkeit jedoch für einige als problematisch angesehen wurde, wurden diese Begriffe in der nachfolgenden Diskussion voneinander getrennt betrachtet. Eine Definition bzw. begriffliche Trennung zwischen „Parteilichkeit“ und „bedingungsloser Parteilichkeit“ erschien uns auch wichtig, wurde jedoch für diesen Tag
    zunächst einmal ausgelagert.
  3. Zuletzt sollten noch die Begriffe „positiv betroffene Person“ und „negativ betroffene Person“ eindeutig geklärt werden.
    „Negativ betroffene Person“ wurde zunächst durch „Person, die mehr leidet“, dann durch „Person, die sich durch das Verhalten einer anderen Person schlecht fühlt“ übersetzt und „positiv betroffene Person“ im Gegenzug dazu durch „Person, die sich eher doof verhalten hat“. Direkt kam die Problematik hervor, dass eventuell nicht immer „positiv und negativ betroffene Person“ so klar zuzuordnen sind und dass auch manchmal gegenseitig Grenzen überschritten werden und dass beide Personen sich schlecht fühlen können. Weiterhin wurde die Frage gestellt, inwiefern eine Person durch einen Grenzüberschritt wirklich positiv betroffen ist. Auch wurde angemerkt, dass die Zuordnung von „positiv und negativ betroffen“ auch durch Diskriminierungsformen entstehen kann. Dieser Gedanke wurde zu dem Themenpunkt „bedingungslose Parteilichkeit und Privilegien“ verschoben.
    Da die Klärung des Begriffs der „positiv betroffenen Person“ für einige noch nicht zufriedenstellend war, wurde als Erklärung vorgeschlagen: „Person, die dafür verantwortlich ist, dass eine andere Person sich schlecht fühlt“. Hierin wurde jedoch das Problem der Verantwortlichkeit gesehen.
    Durch die Problematik der Begriffsklärung wurde über alternative Begriffe nachgedacht. Ein Vorschlag war: „als Täter bzw. als Opfer markierte Person“, da dadurch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen würde, dass auch die als Täter markierte Person sich schlecht fühlen kann. Jedoch wurde der Gebrauch der Begriffe „Täter“ und „Opfer“ abgelehnt.
    Als weiterer Vorschlag wurde „grenzüberschreitende und grenzziehende Person“ genannt. Bei dieser Begriffsnutzung besteht die Hoffnung, dass die
    grenzüberschreitende Person ihre Rolle als jemensch, die_der die Grenzen einer anderen Person überschritten hat, auch eher akzeptieren kann und damit Einsicht und Verhaltensänderung bzw. Akzeptanz von anderen Lösungen wahrscheinlicher ist, als würde die Person als „positiv betroffen“ oder „Täter“ bezeichnet werden.
    Der Begriff „positiv betroffen“ scheint allerdings bei gewollten Übergriffen sinnvoll. Es wurde sich auf die Begriffe „grenzüberschreitende Person“ (GÜP) und „grenzziehende Person“ (GZP) geeinigt. Daher werden diese Begriffe auch im Folgenden verwendet.

II. Bedingungslose Parteilichkeit und Privilegien

Es stellte sich die Frage, inwieweit Defma oder bedingungslose Parteilichkeit mit Privilegien verknüpft sind. Wird sich auf die Seite der weniger privilegierten Person gestellt, um diese Privilegienungleichheit auszugleichen? Dürfen mehr privilegierte Personen überhaupt auf die Awareness-Gruppe zurückgreifen? Woran erkennt mensch eigentlich Privilegien und was ist das überhaupt?
Privilegien sind gesellschftlich als vorteilhaft angesehene Merkmale, die Vorteile bringen. Im Umkehrschluss sind Menschen, die gesellschaftlich als nachteilhaft angesehene Merkmale haben oder denen die als positiv angesehenen Merkmale nicht anheften häufig Diskriminierung ausgesetzt, d.h. sie werden auf dieses Merkmal reduziert und aufgrund dessen ungerecht behandelt und im schlimmsten Falle sogar angegriffen.
Gesellschaftlich anerkannte Privilegien können z.B. sein: Männliches Geschlecht, weiße Hautfarbe, Heterosexualität, soziale Herkunft, Bildungsstand, aber auch sozile Integration,Ausdrucksvermögen, Redewendigkeit u.s.w. Dem hinzu kommt, dass in politischen Zusammenhängen noch teilweise andere Privilegien wirken, wie z.B. der Begrauch von „Szene-Sprache“.
Bei dieser Beschreibung wird die Problematik deutlich, dass einige dieser Privilegien beim ersten Blick gar nicht so direkt auffallen bzw. nicht sichtbar sind. Zusätzlich können sich Privilegien häufen und auch überschneiden, sodass es manchmal schwer abschätzbar ist, welche von zwei Personen in einem Konflikt nun die mehr bzw. weniger privilegierte Person ist.
Es gab daher die Forderung, auf keinen Fall ein „Privilegien-Punkte-System“ zu erstellen, an dem – sehr vereinfacht gesagt – der „Grad der Betroffenheit“ abgemessen werden könnte. Wenn Personen sich von einer Situation betroffen (bis schlecht) fühlen, dann sei das so, unabhängig von Privilegien. Dem wurde insofern Recht gegeben, als dass bei der Definitionsmacht Privilegien keine Rolle spielen, denn jede_r weiß selbst am besten, wie es ihr_ihm geht und an Gefühlen ändern auch Privilegien nicht direkt etwas. Wenn es jedoch wie bei der (bedingungslosen) Parteilichkeit darum geht, sich auf die Seite einer Person zu stellen, dann sollten mögliche Privilegien im Hinterkopf behalten und vor einer
Handlung zumindest überdacht werden.
Ein Mensch berichtete von einer erlebten Situation, in der eine akademische, vom sprechlichen Gebrauch her sozial integrierte Person mittels einer Awareness-Gruppe eine nicht akademische und nicht besonders sozial integrierte Person rauswerfen ließ. Diese Handlung von Seiten der Awareness-Gruppe scheint Privilegien außen vor gelassen zu haben und ist zumindest sehr fragwürdig. Allgemein sollte bedacht werden, dass soziale Integration eine wichtige Rolle spielt: Sozial integrierte Personen holen sich z.B. eventuell schnell Hilfe (z.B. Awareness-Gruppe) und haben bei Außeinandersetzungen mehr Rückendeckung, während sozial nicht integrierte Personen evtl. schneller „anecken“ und häufiger als Schuldige hinhalten müssen. Es sollte versucht werden, diese mehr zu integrieren und sensibel mit Auseinandersetzungen umgegangen werden. Weiterhin kam durch die Diskussion über „Oben-Ohne nur für Frauen – Männer behalten ihre Kleidung an“ das Bedenken auf, dass manchmal durch eine Abwägung von Privilegien bloß eine Umkehrung dieser bewirkt würde, wenn der Person mit weniger Privilegien Recht gegeben wird. Bekäme dann also eine Person bzw. eine Gruppe ein Privileg zugeschoben, welches einer anderen aberkannt wird? Und würden damit nicht nur wieder neue Ungleichheiten und Machtkonstrukte aufgebaut, statt diese effektiv abzubauen? Gegenstimmen behaupten, dass es wichtig wäre, eine Art „Gegenmacht“ aufzubauen, um den Status-Quo4 anzugreifen. Die Meinungen hierzu waren sehr unterschiedlich und konkrete Lösungsvorschläge wurden (noch?) nicht erreicht. Außerdem wurde kritisiert, dass das angeführte Beispiel nicht sinnvoll ist, da gesellschaftliche Privilegien nicht vergleichbar mit dem Wunsch seien, dass Männer auf einem Camp ihre T-Shirts anbehalten sollen, was von Frauen nicht verlangt wird. Hierbei würden komplett andere Sachen eine Rolle spielen.
Ein Lösungsansatz zum Umgang mit Privilegien war, keine großen/krassen Entscheidungen in Stresssituationen zu treffen, damit sich evtl. auch überkreuzende Privilegien und Diskriminierungen (die auch durch unbedachtes Handeln noch zusätzlich entstehen können) überdacht werden können.
Im Zuge dessen wurde nahegelegt, einen extra Saferspace5 einzurichten, in dem sich Personen zurückziehen und sicher fühlen können. Dieser Vorschlag wurde jedoch nicht von allen geteilt.

III. Konkrete Umsetzungsvorschläge

Bei diesem Punkt sahen wir uns vor einige Schwierigkeiten gestellt: Zum einen waren wir uns einig, dass auch mit der grenzüberschreitenden Person „gearbeitet“ werden sollte.Aus anderen Diskussionen war bei diesem Punkt Unstimmigkeit bekannt. Wir schlossen also aus unserer Einigkeit, dass wir womöglich eine zu einseitige Gruppe darstellen. Weiterhin waren keine Personen anwesend, die eine Awareness-Gruppe oder Ähnliches auf dem Skillsharing-Camp bilden wollten, weshalb wir uns schlussendlich ein Konzept ohne Gruppe überlegten, die Gruppen, die diese Aufgaben übernehmen aber i.d.R. ihr eigenes Konzept haben. Im Prinzip ein Fass ohne Boden. Dennoch begannen wir, ein Konzept auszuarbeiten und hoffen, dass beim nächsten Treffen bezüglich der Awareness-Strukturen auf dem „Build-Resistance“-Skillsharing-Camp Personen bzw. Gruppen
anwesend sind, die sich vorstellen könnten, diese Aufgaben zu übernehmen und mit denen zusammen dann ein möglichst ausgearbeitetes Konzept fertig gestellt werden kann. ALSO FÜHLT EUCH ALLE GANZ DOLL EINGELADEN!

Also hier nun unsere bisherigen Überlegungen:
Die Idee ist, zwei Gruppen zu haben: Auf der einen Seite eine Gruppe, die aus immer ansprechbaren Personen bestehen soll, die ein offenes Ohr für alle Sorgen, Gefühle und Bedürfnisse haben. Wie haben sie daher „Offenes-Ohr-Gruppe“ (OOG) genannt. Auf der anderen Seite soll es eine Gruppe geben, die sich mit der grenzüberschreitenden Person auseinandersetzt. Wir haben sie „Kommunikationsgruppe“ (KG) genannt.
Wir haben bewusst diese Gruppen voneinander getrennt, da wir denken, dass Personen aus der OOG teilweise selbst emotional zu sehr betroffen sind, um sich mit der grenzüberschreitenden Person sinnvoll auseinanderzusetzen. Jedoch sollen die Gruppen solidarisch zusammenarbeiten und die Kommunikationsgruppe soll von der Offenes-Ohr-Gruppe als Entlastung und Unterstützung (auch für die eigenen (Belastungs-) Grenzen )
dieser Gruppe angesehen werden.
Im Folgenden werden nun die Aufgabenbereiche der beiden Gruppen definiert. Dabei sind allerdings noch einige Punkte offen geblieben.

1. Die Offenes-Ohr-Gruppe (OOG):

Die Offenes-Ohr-Gruppe ist direkte Ansprechpartnerin für die grenzziehende Person (GZP). Im Sinne der Definitionsmacht erkennt sie an, wie die GZP sich fühlt, wie eine Situation erlebt wurde und welche Bedürfnisse bestehen.
Wenn einfach nur das Bedürfnis nach jemensch ist, die_der zuhört und evtl. Trost spenden kann, besteht, kann es an dieser Stelle darauf belassen werden. Allerdings wird der grenzziehenden Person die Möglichkeit gegeben bzw. ihr nahegelegt, auf die Kommunikationsgruppe zurückzugreifen.
Wenn allerdings Konsequenzen aus der für die grenzziehende Person als belastend empfundenen Situation gezogen werden sollen, kommuniziert die Offenes-Ohr-Gruppe der GZP ihre eigenen Grenzen bzw. Einschränkungen, deeskalativ Forderungen umzusetzen aufgrund von emotionaler Betroffenheit. Daher wird der GZP nahegelegt, auf die Kommunikationsgruppe zurückzugreifen. Dies ist jedoch kein Zwang! Die Offenes-Ohr-Gruppe betont jedoch das Eigeninteresse der GZP an einer deeskalativen Kommunikation.
Möchte die GZP auf die Kommunikationsgruppe zurückgreifen, wird die von der GZP gewünschte Art und der Umfang der Vermittlung der Kommunikationsgruppe geklärt. Dabei werden der GZP die verschiedenen Möglichkeiten offen gelegt, unter anderem auch die Möglichkeit, dabei (auch gegenüber der Kommunikationsgruppe) anonym zu bleiben. Anschließend koordiniert die Offenes-Ohr-Gruppe mit der Kommunikationsgruppe die Vermittlung. Dabei wird der Kommunikationsgruppe ausschließlich mitgeteilt, was zuvor mit der GZP ausgemacht wurde.6
Die Offenes-Ohr-Gruppe sollte sich mit gewaltfreier Kommunikation (GFK) auseinandergesetzt haben (bzw. diese möglichst auch umsetzen können).

2. Die Kommunikationsgruppe (KG)

Die Arbeit der Kommunikationsgruppe wird als wichtig angesehen, um der grenzüberschreitenden Person (GÜP) den Grenzübertritt zu vermitteln und – sollte dies erwünscht sein – um zwischen der GÜP und GZP zu mediieren. Damit wird die Möglichkeit gegeben, Fehlverhalten und Unachtsamkeit gegenüber der Bedürfnisse anderer zu reflektieren, um in Zukunft achtsamer im Umgang mit anderen sein zu können.
Außerdem sollen reine Bestrafungs-Schemata aufgrund von fehlender Kommunikation und Erklärung eines Sachverhalts verhindert werden.
Die Kommunikationsgruppe wird aktiv, wenn die grenzziehende Person eine Vermittlung wünscht. In diesem Fall dient sie als Sprachrohr der GZP (dessen Identität sie nicht unbedingt kennt). Dieses soll u.a. die GZP und die OOG von einer direkten Konfrontation mit der grenzüberschreitenden Person entlasten.
Die Kommunikationsgruppe erkennt dabei die Gefühle und Bedürfnisse der GZP im Sinne der Definitionsmacht an. Ob sie sich darüber hinaus solidarisch mit der GZP erklärt oder sich zu dieser neutral positioniert, wurde noch nicht geklärt (→ ein wichtiger Punkt fürs
nächste Treffen!).
Die Kommunikationsgruppe wird weiterhin immer aktiv, wenn Konsequenzen, die die grenzübertretende Person betreffen, gezogen werden sollen. Dabei werden die Bedürfnisse, die die grenzziehende Person bezüglich der grenzüberschreitenden Person äußert, mitgeteilt. Ist dies von der GZP ausdrücklich nicht gewünscht, wird mitgeteilt, dass keine Kommunikation erwünscht ist; die Sachlage soll der GÜP jedoch mitgeteilt werden,
um gezogene Konsequenzen zu begründen. Was genau die Sachlage ist (evtl. nur „Eine Grenze wurde überschritten“?), muss noch geklärt werden.
Der grenzüberschreitenden Person soll weiterhin die Möglichkeit gegeben werden, der Kommunikationsgruppe ihre Sichtweise der Situation zu schildern und auch mitteilen können, wenn ihre Grenzen eventuell ebenfalls überschritten wurden. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass letzteres auch als Abwehrreaktion entstehen oder zur Neutralisation eines Konflikts/ Grenzübertritts missbraucht werden kann. Stellt sich heraus, dass gegenseitig Grenzen überschritten wurden und die Rollen von GZP und GÜP evtl. nicht eindeutig klar sind, setzen sich die Offenes-Ohr-Gruppe und die Kommunikationsgruppe zusammen und beraten, wie weiter vorgegangen werden kann.

Stößt die Kommunikationsgruppe bei der grenzübertretenden Person auf „taube Ohren“ und ist keinerlei Einsicht bzw. Kommunikationsbereitschaft erkennbar (oder sieht die KG auch sonst keine Möglichkeit einer Vermittlung), kann sich die Kommunikationsgruppe vorbehalten, sich zurückzuziehen. In diesem Fall kann dann von der bedingungslosen Parteilichkeit mit der GZP Gebrauch gemacht und ein Rauswurf in Betracht gezogen werden.
Es ist jedoch immer auf Verhältnismäßigkeit zu achten. Das impliziert auch, z.B. bei der Verweisung einer Person vom Camp, diese nicht mit einem riesigen Mob hinauszudrängen, wenn die Bereitschaft zu gehen bereits da ist.
In dem Fall, dass eine Person des Camps verwiesen wird (was wirklich nur als äußerstes und letztes Mittel genutzt werden sollte), wird diese begleitet. Dieses zum Einen, um der Person zu kommunizieren, WARUM der Rauswurf geschieht (wie oben genannt die Sachlage mitteilen, wenn von der GZP gewünscht, auch mehr) und zum anderen, um dasd Verlassen des Camps zu gewährleisten.
Wünscht sich die GZP die Verweisung des Camps der GÜP, sollte die Möglichkeit bestehen, in voneinander getrennten Bereichen noch einmal eine Nacht drüber zu schlafen, um eine überstürzte Handlung in einer aufgeheizten Situation zu verhindern. Für diesen Fall gibt es für die GZP die Möglichkeit, vom Saferspace Gebrauch zu machen (d.h. falls sich darauf geeinigt wird, so einen auf dem Camp einzurichten). Möchte die GZP
dies nicht (sie soll ja nicht in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden, weil es ihrschlecht geht), muss eine Möglichkeit gesucht werden, dass die GÜP nicht in die Nähe der GZP kommt.

Zum Schluss soll noch betont werden, dass die Kommunikationsgruppe ihre Aktionen ebenfalls auf mögliche Diskriminierungsformen überprüfen sollte (s. „bedingungslose Parteilichkeit und Privilegien“).
Als Negativbeispiel dafür wurde ein Fall genannt, bei dem regelmäßig Awareness-Gruppen männliche nicht-szeneinterne POCs aufgrund von Sexismus von Partys verwiesen haben, während szeneinterne Macker ihre Sexismen hinter Szenecodes versteckten und nicht verwiesen wurden.
Außerdem sollte die Kommunikationsgruppe sich – ebenso wie die OOG – mit gewaltfreier Kommunikation auseinandergesetzt haben und diese möglichst auch anwenden können.

IV. Sonstiges und Abschluss

Allgemein war während des Treffens auch der Wunsch geäußert worden, sexualisierte Gewalt und Diskriminierung sowie die Verfahrensweise infolge dessen getrennt voneinander zu betrachten. Auf dem „Parkplatz“7 wurde außerdem das Thema „Spannungsfeld: Komplexität vs. Sicherheit durch Klarheit“ belassen, welches darum geht, inwieweit ein konkret ausdefiniertes Konzept von Awareness-Strukturen wichtig ist, bzw. inwieweit es evtl. sinnvoller ist, von Fall zu Fall das Vorgehen zu überdenken, um mit der Verschiedenheit der Fälle zurechtzukommen.

Soviel fürs Erste zum ersten Treffen über Awareness-Strukturen auf dem „Build-Resistance“-Skillsharing-Camp. Für das nächste Treffen ist uns vor allem wichtig, dass Personen teilnehmen, die sich vorstellen können, Awareness-Strukturen zu übernehmen. Im Optimalfall wäre es natürlich auch schön, wenn diese Menschen auch bereit dazu wären, das hier in Anfägen beschriebene Konzept zu übernehmen. Gebt uns unter hambacherforst@nullriseup.net also bitte Rückmeldung, wenn ihr euch soetwas vorstellen könnt, damit wir für das nächste Treffen einen gemeinsamen Termin finden können. Auch wenn euch wichtig ist, an diesem zweiten Termin teilzunehmen, gebt uns bitte Bescheid. Wenn ein Termin gefunden wurde, werden wir diesen öffentlich stellen (es sei denn eine Gruppe, die sich vorstellen könnte, die Awareness-Strukturen zu übernehmen wünscht
dies ausdrücklich nicht). Auch wäre es dann schön, wenn Leute, die bei dem beschriebenen Konzept Bedenken haben, teilnehmen würden. So möchten wir erreichen, dass sich möglichst viele Menschen mit den Awareness-Strukturen auf dem Camp wohlfühlen.

Wir freuen uns auf Rückmeldung!
Liebe, Solidarität, Anarchie!

 

  1. Awareness-Strukturen sind Strukturen, die Menschen, die von sexualisierter Gewalt und/oder Diskriminierung betroffen sind, auffangen und helfen sollen [zurück]
  2. Ein Skillsharing-Camp, ist ein Camp, auf dem Menschen ihre Erfahrungen und Fähigkeiten z.B. In Form von Workshops, Vorträgen, Diskussionen oder Ähnlichem teilen können. Mehr Infos zum “Build-Resistance”-Skillsharing-Camp (demnächst) auf hambacherforst.blogsport.de [zurück]
  3. Also wenn eine evtl. sogar traumatisierte Person auch noch Beweisen muss, dass ein Vorfall stattgefunden hat und dass dieser für sie schlimm war [zurück]
  4. den scheinbar unveränderbaren Ist-Zustand [zurück]
  5. räumlich abgetrennter Ort, an dem klare Regeln bestehen (wie z.B. gar keine Drogen) [zurück]
  6. Wir haben das den „Bürokratietrick“ genannt [zurück]
  7. d.h. in diesem Fall auf einen anderen Termin verschoben [zurück]

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