Eine Gegendarstellung zum Sonderheft „Dialog braucht Respekt“ von RWE
Bereits die Verbotsorgie der vergangenen Tage legte nahe, dass das heute beginnende Klimacamp im Rheinischen Braunkohlerevier bei RWE für kalte Füße sorgt. Ein weiterer Anhaltspunkt hierfür ist eine Sonderausgabe des von RWE herausgegebenen Nachbarschaftsmagazins „hier“. Das mit „Dialog braucht Respekt“ betitelte Heft ist eine reine Propagandaschlacht: der Anti-Kohle-Protest soll mit dreisten Lügen diffamiert werden, während der Konzern sich selbst zum Vorreiter der Energiewende stilisiert. Dass sich Politiker von CDU und SPD mit eigenen Beiträgen in dem Heft gleichermaßen vor den Karren von RWE spannen lassen, macht die enge Verflechtung von Wirtschaft und Politik deutlich.
Sieht so Respekt aus?
Laut RWE versammelt sich auf dem Klimacamp eine „ganz kleine Gruppen“ gewaltbereiter „Protesttouristen“, „die die Dinge nur schwarz-weiß sehen“ und „keinen Respekt vor der Meinung Andersdenkender“ haben. Tatsächlich werden auf dem Klimacamp mehrere hundert Aktivist*innen aus verschiedensten Hintergründen und mit verschiedensten Einstellungen erwartet, die der Protest gegen den Kohleabbau im Rheinland eint. Auf dem Camp wollen wir vom 23.08.-01.09.2013 ressourcenschonend leben, voneinander lernen, uns vernetzen und unseren Protest gegen Braunkohleabbau und -verstromung kundtun. Internationale Vernetzung gehört für uns selbstverständlich dazu, denn die von RWE verursachten CO2-Emissionen betreffen Menschen auf der ganzen Welt und nicht nur in der unmittelbaren Umgebung des Kraftwerks.
In dem Heft wird den „gewaltbereiten“ Aktivist*innen die Dialogbereitschaft von RWE entgegengesetzt, für die gerade die Nachbarschaftszeitung herhalten soll. Mit der Dialogbereitschaft von RWE hat es nur einen Haken: Die Fakten, die RWE mit dem Braunkohleabbau schaffen wird, sind von einem ergebnisoffenen Dialog ausgeklammert. Das Fortschreiten des Braunkohleabbaus ist allein durch betriebswirtschaftliche Profitrechnungen motiviert und wird autoritär durchgesetzt. Dass ein Konzern, der die Zerstörung einer ganzen Region mitsamt ihrer Dörfer, sozialen Strukturen und Ökosysteme zu verantworten hat, sich mit Dialogbereitschaft rühmt, ist einfach nur absurd.
In den vergangenen Tagen und Wochen waren es RWE und die lokalen Polizeibehörden, die keinerlei Respekt vor unserem Recht auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäußerung zeigten. Das Heft enthält auch ein Interview mit dem CDU-Politiker Werner Stump, der bis Ende Juni diesen Jahres als Landrat für die lokale Kreispolizeibehörde Rhein-Erft zuständig war. Diese Kooperationsbereitschaft ist nicht weiter verwunderlich, da der Beamte bereits während seiner Amtszeit als Regionalbeirat auf der Gehaltsliste von RWE stand.
RWE betreibt Propagandaschlacht mit unfairen Mitteln
Weiter wird kritisiert, dass die Aktivist*innen die Medien instrumentalisieren, indem sie sich auf „extreme Weise Gehör verschaffen“. Prof. Dr. Frank Brettschneider von der Uni Hohenheim erklärt in einem Interview in der Sonderausgabe von „hier“, wie sich die Aktivist*innen mit „spektakulären Bildern“ und „schnellen Wahrheiten“ Öffentlichkeit verschaffen wollen. Diese Aussage gleicht in einem Heft, das ausschließlich darauf abzielt, legitimen Protest zu diffamieren, blankem Hohn.
Gleich auf der ersten Seite legt eine Zeichnung nahe, dass die Aktivist*innen aus dem Klimacamp und dem Hambacher Forst gezielt Lokführer mit Backsteinen bewerfen würden. Mitarbeiter von RWE beschreiben, wie sie von Vermummten bedroht würden. Derartige Vorfälle sind uns nicht bekannt. Auch die in den Medien konsequent falsch dargestellte Tunnelaktion bei der Räumung im Hambacher Forst, wird in dem Heft fälschlicherweise als für die Helfer*innen lebensgefährliche Rettung des Aktivisten verkauft. Dass die Staatsanwaltschaft am Tag nach der Aktion den Polizeisprecher dafür kritisierte, dass er die unhaltbare Darstellung an die Presse gab, der Aktivist hätte das Leben der räumenden Beamten gefährdet wird nicht erwähnt.
Diese einseitige Berichterstattung seitens der Medien führt dazu, dass die Propaganda des Energiekonzerns aufzugehen scheint. Auf der Internetseite der Unternehmensberatung ergo, die das Heft in Auftrag von RWE erstellt hat, heißt es: „Analysen haben gezeigt, dass viele Anwohner die „hier:“ intensiv nutzen, um sich über unsere Arbeit zu informieren – das Heftkonzept ist aufgegangen“. Vor diesem Hintergrund ist es interessant, dass auch das Bundesministerium für Industrie und Wirtschaft zu den Kunden von ergo zählt – die Unternehmensberatung ist ausgerechnet für „Kommunikationsmaßnahmen zur Energiewende“ zuständig.
„Wir lassen uns nicht spalten!“
Auch wenn RWE versucht, „gute“ Formen des Protests (Demonstration der Klima-Allianz) gegen den „bösen“ Protest auf dem Klimacamp auszuspielen, lassen wir uns nicht spalten. Ganz im Gegenteil: die systematische Hetze gegen unerwünschten Protest hat schon jetzt zu einer Stärkung des Zusammenhaltes auf dem Klimacamp geführt. Im Gegensatz zu RWE, einem Konzern, der immense Summen in propagandistische Hochglanzbroschüren, Sportplätze und Lobbyismus stecken kann, bleibt uns nur unser Recht auf freie Meinungsäußerung, um unseren Protest gegen diese klima- und umweltpolitisch katastrophalen Machenschaften kundzutun. Und dieses werden wir uns nicht nehmen lassen, obwohl Polizei und RWE versuchen, uns alle nur erdenklichen Steine in den Weg zu legen.
In einem auf ein Publikum welches keinen Zugang zu anderen Quellen hat zugeschnittenen Monolog bietet ein gekränkter Konzern an zukünftig die Menschenrechte zu respektieren sofern mensch dafür so tut als täte er das schon immer. Ein schwerverdauliches Elaborat aufgebläht von eilfertig zusammengeklaubten Basisbanalitäten. Welchen Stundenlohn bekommen Leute die sowas lesen müssen?