Ich hab sie alle verarscht – Bekenntnisse aus dem wilden Leben eines umweltmedizinischen Gutachters

Was tun, wenn eine Studie erscheint, die die eigenen geliebten Kraftwerke als tödlich bezeichnet? Naja, mensch verweist einfach auf die Studie eines „renommierten Wissenschaftlers“, den mensch rechtzeitig für seine Zwecke gekauft hat. Dann werden zumindest die Journalist*innen, die keine Lust oder keine Zeit haben zu überlegen, welche Position richtig sein könnte, mal zur Vorsicht auch die eigenen und profitfreundlicheren „Wahrheiten“ erwähnen.

So oder so ähnlich geschehen nach der Veröffentlichung der Greenpeace-Studie „Tod aus dem Schlot“. Freunde des Klimawandels werden seitdem nicht müde, eine Studie des Prof. Dr. med Thomas Eikmann zu zitieren, die dieser im Auftrag der VGB PowerTech verfasste und diesen zu diversen Veranstaltungen wie der Sondersitzung am Dienstag im Bergheimer Kreishaus einzuladen. Der Emissionsanteil von deutschen Kraftwerken liegt nach Angaben Eikmanns bei Staub unter 4 Prozent und bei Feinstaub unter 6 Prozent der Gesamten Staub- und Feinstaubemissionen der brd. Der Tenor der Studie: „Habt mal Respekt! Deutsche Kohlekraftwerke töten heute weniger, als sie es früher mal taten. Ausserdem sind die Autos viel schlimmer!“

Mithilfe dieser Taktik stehen in Zeitungen wie der „Welt“ auch schöne Dinge, wie: „Umweltmediziner geben Entwarnung“ und „So geht aus der VGB-Studie hervor, dass weniger als vier Prozent der Staub-Emissionen auf Kohlekraftwerke zurückzuführen seien“. Eilige Leser*innen werden dann womöglich gar nicht mal merken, dass in diesem Satz plötzlich von Staub die Rede ist, obwohl es doch davor um Feinstaub ging. Sie werden vielleicht denken, mit Staub wäre hier Feinstaub gemeint, immerhin geht es in dem Artikel ja um Feinstaub.

Gut ist, wenn der renommierte Wissenschaftler schon reichlich Erfahrung im Umgang mit Pinsel und grüner Farbe hat. Eine unvollständige Sammlung seiner Erfahrungen soll den lieben Eikmann hier würdigen. Darf gerne ergänzt werden.

Ensdorf

Das Kraftwerk Ensdorf wurde bereits hier erwähnt.
Das inzwischen verhinderte Kraftwerk wurde von Eikmann im Auftrag RWE`s natürlich als unbedenklich eingestuft.

Mainz

Die Kraftwerke Mainz-Wiesbaden AG planen auf der Ingelheimer Aue ein Kohlekraftwerk mit einer elektrischen Leistung von 820 MW. Der Mainzer Stadtrat hat sich Anfang 2007 mit 44 zu 16 Stimmen für den Bau des neuen Kraftwerks ausgesprochen. Der Bau begann bereits im Mai 2009, liegt aber seitdem wegen juristischer Verfahren und Finanzierungsschwierigkeiten auf Eis. Dem Baubeginn und den entsprechenden Genehmigungen vorangegangen war ein von der Genehmigungsbehörde in Auftrag gegebenes über 200 Seiten dickes umweltmedizinisches Gutachten durch unseren lieben Prof. Dr. med Thomas Eikmann, welches im September 2008 fertiggestellt wurde. Sein überraschendes Ergebnis war: Das Kraftwerk ist super umweltfreundlich.

Die Mainzer GRÜNEN sprachen daraufhin den Verdacht der Befangenheit gegen Eikmann aus und forderten ein neues Gutachten und die Abberufung Eikmanns als Gutachter.
„Uns liegen neue und starke Hinweise auf eine wirtschaftliche Abhängigkeit einer privat geführten Firma von Professor Eikmann mit industriellen Auftraggebern vor, die einen Anfangsverdacht auf Befangenheit bestätigen. Herr Professor Eikmann war nach eigenen Angaben bis 1994 bei der Gesellschaft für Untersuchungen und Krankenhaushygiene (GUK) beschäftigt. Diese Firma ist heute in Wetzlar unter der Privatadresse von Herrn Eikmann beim Handelsregister eingetragen. Geschäftsführerin ist seine Frau Dr. Sabine Eikmann. Die Firma hat in den vergangenen Jahren vorwiegend für die Antragsteller, unter anderem Vattenfall, E.ON, Thyssen usw. in immissionsschutzrechtlichen Verfahren gearbeitet. Zudem hat Prof. Eikmann mindestens mit seiner Begründung der Unbedenklichkeit der noch nicht gebauten Anlage mittels aktuellen Krebsregisters die wissenschaftliche Methode verlassen. Dieser Fehler konnte nur passieren, weil es sich nicht um ein fallbezogenes Gutachten, sondern um die fast wortgetreue Übernahme der Begründung aus dem Gutachten Eikmann für das Großkraftwerk Mannheim handelt.“
Im Rahmen der Kraftwerkskampagne fehlte unser fleißiger Gutachter selbstverständlich auch nicht auf dem Podium: „Die GRÜNEN hatten Eikmann schon zuvor Befangenheit vorgeworfen, weil dieser im Anhörungsverfahren für die KMW (Kraftwerke Mainz-Wiesbaden) auf dem Podium gesessen hatte.“

Der Antrag auf Ablehnung wurde natürlich abgelehnt.

Schelklingen

In Schelklingen wollte Vattenfall zusammen mit Heidelberg Zement ein EBS-Kraftwerk errichten (Ersatzbrennstoffkraftwerk- Ein Kraftwerk wo Abfall verbrannt wird). Die beiden Unternehmen beauftragten Eikmann, ein Gutachten zu erstellen. Das Ergebnis: „Moderne Müllverbrennung ist humantoxikologisch irrelevant!“

11.09.2008 „Schelklingen – Transparente mit bissigen Aussagen, Zwischenrufe und zahlreiche Bürger, die sich zu Wort meldeten – der Streit um das geplante EBS-Kraftwerk in Schelklingen hat am Dienstag bei der Info-Veranstaltung von Vattenfall und Heidelberg Cement erneut einen Siedepunkt erreicht. Auch Bürgermeister Michael Knapp musste sich am Dienstag einen Weg durch eine Versammlung zorniger Bürger bahnen, die ihm vor der Stadthalle Schilder mit Texten wie „Knapp: Sei Volksvertreter anstatt EBS-Verräter“ entgegenhielten und ihn als „Schmutzfink“ titulierten [Anmerkung von mir: ich finde ja diesen „Volks“-Begriff ziemlich problematisch, ich glaube dieses „Volk“-Ding ist Konstrukt um ein „Wir“ und ein „Die Anderen“ zu schaffen und um Herrschaft zu rechtfertigen]. […]
Auch der Arzt und Biologe Dr. Thomas Eikmann von der Universität Gießen hatte im Auftrag der Firmen die Auswirkungen des EBS-Kraftwerks untersucht. Eikmann verwendete dazu als Referenz Daten aus Ulm – was ihm bei der anschließenden Diskussion von den Kraftwerks-Gegnern vorgeworfen wurde. „Irgendwo muss ich die Daten ja hernehmen“, rechtfertigte sich Eikmann. Für Schelklingen gebe es noch kein entsprechendes Datenmaterial. Fazit des Wissenschaftlers: „Durch das Kraftwerk ändert sich nichts.“ Die Luftbelastung in Schelklingen sei mit oder ohne Kraftwerk nahezu gleich hoch. „Eine Reduzierung des Straßenverkehrs bringt da viel mehr“, sagte er. Auch ein erhöhtes Risiko, durch das Kraftwerk an Krebs zu erkranken, konnte Eikmann nicht erkennen. […]
Was sich aber schon während der Vorträge mit Zwischenrufen wie „Sie sind ein bestochener Gutachter“ und „Wir wollen diese Dreckschleuder nicht“ andeutete, wurde offensichtlich, als die Diskussionsrunde eröffnet wurde: Die Wut zahlreicher Bürger über die Pläne ist groß. Es meldeten sich ausschließlich Gegner des Kraftwerks zu Wort – und die Bürger hatten ihre Redebeiträge zum Teil gut vorbereitet. Stefan Auer von der Bürgerinitiative „Pro Schelklingen“ griff etwa Dr. Eikmann massiv an: Als Sachverständiger der Bundesregierung habe er einst eine Verschärfung der Grenzwerte gefordert. „Dann sind Sie einfach auf die andere Seite gewechselt“, warf Auer dem Mediziner vor. Eikmann habe sich keine Mühe gemacht, die Vorbelastung in Schelklingen zu untersuchen. „Das halte ich für unseriös“, sagte Auer.“

Am Ende lohnte sich der Widerstand auch in Schelklingen: Nach einem eindeutigen Bürgerentscheid im Jahr 2008 (83,6 Prozent der Wähler stimmten gegen das Kraftwerk) und langen juristischen Auseinandersetzungen kündigten Vattenfall und Heidelberg Cement im März 2011 an, das Projekt einzustellen und den Genehmigungsantrag zurückzuziehen.
„Man habe das Projekt […] abgesagt, bevor durch die Gerichtsverhandlung unter Umständen noch weitere Kosten entstanden wären. Womöglich bis hin zu einer siebenstelligen Summe, schätzt [der Direktor des Schelklinger Zementwerks Hans-Georg] Kraut, habe die Planung für das Kraftwerk bereits gekostet.“

Ausschlaggebend war zwar nach Angaben Vattenfalls eine Gesetzesänderung bezüglich des Emissionshandelssystems, welche das Kraftwerk unrentabler gemacht hätte. Hätte der Widerstand gegen das Kraftwerk den Bau aber nicht deutlich verzögert, wäre das Projekt bestimmt nicht mehr gestoppt worden.
Die Einwendungen der Kraftwerksgegner lassen sich übrigens hier herunterladen, falls mal wer was ähnliches vorhat… http://www.pro.schelklingen.eu/ebskraftwerk/index.html

Müllofen in Mönkeloh

2008 plant die Firma Stratmann eine Müllverbrennungsanlage. Auch Eikmann ist am Start mit seinem „umweltmedizinisch-humantoxikologischen Gutachten zum Heizkraftwerk Mönkeloh“.

Die örtliche Bürgerinitiative hatte damals den Toxikologen Dr. Hermann Kruse von der Uni Kiel vorgeschlagen. Die Ablehnung erklärt ein Mitglied der BI: „Dr. Kruse ist der KMG offenbar zu kritisch. Dr. Eikmann wird von Antragstellern gern in Anspruch genommen, weil er auch ohne Ermittlung der örtlichen Vorbelastung regelmäßig gesundheitliche Unbedenklichkeit bescheinigt“

Kruse prüfte später im Auftrag der Bürgerinitiative das Gutachten Eikmanns und hatte „gravierende Mängel zu beanstanden, die die Vollständigkeit des Dokumentes beeinträchtigen. Vor allem das Zugreifen auf Schätzwerte der Region (Kassel, Bielefeld), statt ausführliche Vorbelastungsmessungen der Luft in Paderborn durchzuführen, sei fahrlässig.
Die angegebene Mehrbelastung durch Dr. Eikmann sei zudem in so geringen Werten angegeben, dass diese niemals vollständig nachgewiesen werden könne. Weiterhin seien die Auswirkungen des veränderten Niederschlags auf die Nahrungskette gänzlich außer acht gelassen worden.“

Der Müllofen-Bau wurde übrigens auch verhindert.

Niederaußem

5.7.2011 Eikmann „informiert“ das „Nachbarschaftsforum Niederaußem“ in einem Vortrag über gesundheitliche Auswirkungen der Kohlekraft.
Anmerkung: das Nachbarschaftsforum wird von einer Firma namens IFOK im Auftrag der RWE organisiert und moderiert. „IFOK übernimmt die Organisation der einzelnen Forumsveranstaltungen und schafft den passenden Rahmen für den nachbarschaftlichen Dialog.“

Gentechnik

Der unbändige Professor war sogar in der Gentechnik-Lobby aktiv. Wie genau wird hier auf der Seite der Projektwerkstatt Saasen berichtet.
Auch die Gentechnik ist trotz Eikmanns Engagement zumindest in der brd nicht gerade mit Erfolg gesegnet „In Europa und auch in Deutschland ist zwar noch Forschung an gentechnisch veränderten Pflanzen möglich – solange sie in Labor und Gewächshaus bleibt. Die Probleme beginnen, wenn neu entwickelte Pflanzen-Prototypen im Freiland getestet werden müssen. Genehmigung und Durchführung eines Versuches kosten in der Regel viel Zeit und Geld. Oft herrscht zudem ein ablehnendes Meinungsklima bis hin zu Zerstörungen der Felder durch radikale Gentechnik-Gegner. Öffentliche Forschungseinrichtungen können sich Freilandversuche in Europa kaum noch leisten.“
http://www.proplanta.de/Agrar-Nachrichten/Pflanze/Gentechnik-Freilandversuche-Deutschland_article1366186577.html

Fazit:
Wer behauptet, Prof. Dr. med Thomas Eikmann ist ein unabhängiger Gutachter, die*der ist entweder bescheuert oder will damit Leute verarschen. Gleichzeitig scheint Eikmann soetwas wie ein Unglücksbringer für seine Auftraggeber*innen zu sein: überall wo er auftaucht werden die schönen Pläne von unbarmherzigen Menschen zunichtegemacht. Ob es da wohl einen Zusammenhang mit der Wasserdichte seiner Gutachten gibt?

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Willi Stock

    „Der Gutachter des Landes, Hermann Kruse, stimmte im Grundsatz zu. Trotzdem riet er zur Vorsicht. Bei Anwendung eines von ihm entwickelten scharfen Maßstabes müssten die Kraftwerksbetreiber bei Arsen, Cadmium, Nickel und Chrom nachbessern. Ähnlich verlief die Debatte beim Thema Radioaktivität.“

    Klar, bei einem von ihm entwickelten schärferen Maßstab… Soviel zu verarscht….

    „Denn sie nähmen Netzkapazitäten und Absatzmärkte in Anspruch, eigneten sich aber aufgrund ihrer Trägheit nicht als Ergänzung zum Wind und Sonnenstrom.“

    Aber sie können Strom in windstillen Nächten liefern, ein Fakt, den die Ökolobbyisten gerne ausblenden.

    Anmerkung einer Moderatorin dieses Blogs: Willi hat hier nicht eindeutig erwähnt, worauf er sich bezieht und woher das Zitat kommt. Um Verwirrung vorzubeugen hier diese Anmerkung: er zitiert den im Kommentar von „Mila“ verlinkten Taz-Artikel, welcher sich auf Brunsbüttel bezieht. Willi mach das bitte in Zukunft selber, damit es hier halbwegs übersichtlich bleibt und wir hier nicht noch irgendwelchen Klimawandel-„skeptikern“ die Arbeit abnehmen müssen.

  2. Peter Immekus

    Befangen ist man nach dem Gesetz schon dann, wenn alleine der „böse Schein“ vorliegt ohne dass man als Gutachter tatsächlich befangen ist. Dass die Gerichte die Frage der Befangenheit bei Wirtschafts-Gutachtern so lässig handhaben zerstört sehr viel Vertrauen in die Justiz und zeugt nicht immer für deren Unabhängigkeit.

  3. Cora Weber

    Wie interesssant. Ich kenne Professor Eikmann nur aus dem medizinischen Bereich. Er hat sich besonders damit hervorgetan, in Gutachten Menschen, die an MCS erkrankt sind, als psychiatrische Fälle einzustufen. MCS = multiple Chemikalien Sensitivität ist eine schwere chronisch entzündliche Multisystemerkrankung, die häufig von Umweltfaktoren getriggert wird. Prof. Eikmann negiert sämtliche Forschungsergebnisse, die weltweit vorliegen und bleibt unermüdlich bei seiner Psycho-Theorie.

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