Behind the barricades

Warum räumt ihr die Barrikaden nicht einfach weg und baut sie später wieder auf? Lasst die Polizei „ihren Job machen“, einmal durch den Wald fahren und riskiert nicht, dass die Besetzung geräumt und Bäume gefällt werden? Wäre das nicht taktisch sinnvoller? Für alle Beteiligten „das Beste“? Was liegt euch an den Barris?
Ein Baumhaus verteidigen, den Baum vorm Gefälltwerden bewahren wollen, okay, verständlich, aber ein Stück matschigen Weg? Ist es das wert? Und außerdem: die Gefahr, dass die Barrikadenräumung nicht friedlich verläuft, ist die nicht zu groß, wenn ihr aufeinanderprallt, wollt ihr dem nicht lieber aus dem Weg gehen?
„Ihr“? Wer sind denn „wir“? Es gibt nicht DIE Besetzung…
So viele Fragen. Ich weiß nicht, ob ich gute Antworten darauf in meinem Kopf finde. Oder die richtigen. So lange lebe ich noch nicht hier, war noch nie bei einer Barriräumung dabei. Vielleicht stoße ich Menschen vor den Kopf. Waldmenschen oder auch Nichtwaldmenschen. Ich kann nur ausdrücken, was ich fühle, bin hier, um zu lernen. Jeden Tag laufe ich an den Barrikaden vorbei. Umrunde sie, umgehe sie, freue mich über ein nices Banner, schmunzel, weil sie mich irgendwie rühren. Wie die trotzige Rose aus dem kleinen Prinzen mit ihren drei Dornen. Sollen sie nur kommen, die Tiger mit ihren Krallen.
Ich denke an die Menschen, die sie gebaut haben. Materialisierte Zeit. Mit Eifer, Schweiß, Spaß, Mühe, Hoffnung. Halber Hoffnung. Zusammen. Nicht allein. Jede Barri, die Menschen hier im Wald bauen, wird fallen. Da hilft auch kein Stacheldraht. Es geht um Zeit, um Zeichen, darum zu tun, was die Möglichkeiten zulassen. Unsere Barrikaden brauchen Menschen. Sind manchmal Menschen. Weil Holz Maschinen nicht stoppt. Menschliche Körper schon. Eine Weile. Denn es sitzt ja immer noch ein Mensch in der Maschine. Es ist klar, wo die Barri landet, wo der Mensch am Ende landet. Er liefert sich aus. Wir alle haben einen Körper, mit dem wir uns in den Weg stellen können. Ist das militant? Friedlich? Kann etwas beides sein?
Und wir alle haben Kopf und Herz, um selbst zu entscheiden, was legitim ist, moralisch richtig, in was für einer Welt wir leben wollen. „Wir“? Auch „ihr“…
Ohne die Barrikaden könnte die Polizei ungehindert in den Wald fahren. Vor etwa einem Jahr warteten Wannen am Jesus Point, haben Aktivist*innen abgefangen. Menschen mussten Schleichwege nehmen. Die Barris sind der äußerste Wall, schützen die Menschen, die hier leben und die Baumhäuser, also auch den Wald,das Klima, unsere natürlichen Lebensgrundlagen.
Die Polizei wird immer mehr fordern, erst die Secustraße, dann die Wege, sie wollen Raum im Wald. Der Zerstörung durch RWE Raum geben und ihre Macht demonstrieren. Gewalttätigkeit als Vorwand für Gewalt. Dass es heute hier ist, wie es ist, liegt an entschlossenen Besetzer*innen. Solidarischen Supporter*innen.
Eine Barrikade wegräumen, wenn die kommen, die nicht durchkommen sollen, ist das noch eine Barrikade? Ist das authentisch? Dann kann mensch sie auch gleich lassen.
Was in euren Augen strategisch erscheint, ist in den Augen einiger Aktivist*innen hier das Gegenteil. Menschen wollen sich nicht erpressen lassen, aus Angst handeln. So funktioniert Repression. Sie wollen aus Mut handeln. Das ist Widerstand.
Wir leben hier. Nicht für immer. Aber noch können wir nicht gehen. Solange Menschen hier sind, werden Menschen immer Barrikaden bauen. Sie sind Teil der Besetzung.

Dieser Beitrag hat 6 Kommentare

  1. Nöll

    Gut, dass diese Frage noch mal gestellt wird, obwohl es doch eigentlich selbstverständlich ist: Natürlich müssen Barrikaden und andere verkehrsberuhigende Maßnahmen sein! Nicht nur um den freien motorisierten Verkehr durch den Wald von Polizei und Secus zu verhindern. Allein schon weil sie ja zum Beispiel immer wieder Menschen belästigt haben, die einzeln oder in kleinen Grüppchen durch den Wald gingen/gehen. Aber auch um optisch Präsenz zu zeigen. Den Willen, diesen Wald zu verteidigen.
    Und genau das ist es ja auch, woran die Repräsentanten von NRWE in ihren weißen und blauen/grünen Fahrzeugen sich ärgern. Sie haben nicht umsonst voriges Jahr die Waldwege besser befahrbar gemacht. Nicht umsonst wurden Geschichten von Belästigungen, von Fallgruben und sogar von Handgranaten in die Welt gesetzt: Diejenigen, die nicht müde werden, Leute im Wald zu belästigen, warnen davor: Liebe Bürger, geht nicht in den Wald, denn da werdet ihr belästigt! Obwohl auch auf dieser Website immer wieder geschrieben wird: Liebe Bürger*innen, kommt gerne in den Wald, aber zu Fuß. Die so genannten Fallgruben sind gut sichtbar, sind nur gegen Fahrzeuge und behindern nicht den Fußverkehr. Nachts verirren sich Ortsunkundige nie in den Wald, darum ist eine Beleuchtung überflüssig.
    Was die jahrelange konsequente Verteidigung eines Waldes bringen kann, auch mit Barrikaden, haben wir dieser Tage erleben können: der Großflughafen von Nantes (Westspitze Frankreichs) wird nicht gebaut:
    https://hambacherforst.org/blog/2018/01/18/flughafenprojekt-in-notre-dame-des-landes-abgeblasen/

  2. Ink

    Hallo Du, hab Deinen Beitrag gelesen und möchte mich bei Dir bedanken! Deinen Text mag ich gern und auch öfter lesen, er ist wie gute Musik für mich.
    Liebe Grüße

  3. Franziska

    Aufruf an die Presse: Auch die Ordnungshüter müssen sich korrekt verhalten. Seid da, wenn es soweit ist.

  4. Solidarität

    Ich freue mich über diese Worte. Sie lassen mein Herz erleuchten.
    Noch viel Mut Den/Uns/Euch Aktivist*innen.

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