Trotz des schlechten Wetters (Dauerregen) und obwohl es sich um ein ganz neues Projekt handelt, sind recht viele Menschen dem Aufruf zur Demo zum Erhalt des Sternenwaldes gefolgt. Aus unserer Perspektive im Braunkohlerevier ähnelt sich einiges fast wie ein Ei dem anderen. Vordergründig: Die Geschichte vom sexistischen Getue von gaffenden Securities und Polizisten, wenn eine Frau pinkeln muss (was in Hambi dazu führte, dass sie plötzlich mit Scheiße von einem Baum aus beworfen wurden. DAS wurde dann WOHL in der Presse berichtet.) Aber wie auch hier die Unternehmensleitung es prima schafft, die Bonzen aus Gewerkschaft und Politik vor ihren Karren zu spannen. Die scheinen sich sehr geehrt zu fühlen, dass sie mit den großen Tieren an einem Tisch sitzen dürfen. Da gibt es aber auch Ausnahmen, Menschen, die so denken wie Jesse. Jesse engagiert sich im Gewerkschaftsbund FNV. Er sagt, dass „Wald und Jobs gut zusammenpassen“. Darum geben wir hier seine Ansprache wieder. Er sprach über die Rolle der Gewerkschaft und darüber, wie Beschäftigte und Waldschutzbewegung sich jetzt angeblich gegenüberstehen, anstatt nebeneinander zu stehen. Dass eine Gewerkschaft, die voran gehen will, anders handelt.
Lest weiter unter dem Bild.
Wald und Arbeitsplätze passen gut zusammen
Gewerkschaftliche Perspektive am Sonntag, dem 6. Februar 2022
Mein Name ist Jesse Oberdorf. Ich bin hier in der Gegend aufgewachsen, wie man so sagt ‘ne Jong va Nattenhoave’. An der kleinen Fähre über die Maas, nur wenige Kilometer von hier entfernt. Dann wissen die meisten aus der Gegend, wovon ich spreche.
Ich bin auch in der Gewerkschaft aktiv, namentlich als Mitglied der Arbeitsgruppe Klima der FNV. Für die Jüngeren unter uns: In einer Gewerkschaft findest du allerlei Menschen, die arbeiten, arbeiten möchten oder gearbeitet haben. Diese Menschen organisieren sich zusammen für ihre eigenen Interessen und die der anderen. Also eigentlich genau wie bei der Klimabewegung!
In den letzten Tagen ist viel passiert, und noch mehr ist über die NedCar-Beschäftigten gesagt und geschrieben worden. Am Dienstag organisierten sie eine Demonstration. In den Medien wird das Bild gezeichnet, dass sich Naturschutz und Personalinteressen gegenseitig ausschließen. Ein Bild, das von der NedCar-Geschäftsführung eifrig genährt wird.
Dabei haben sich einige Personalsmitglieder auf der Demonstration sehr deutlich geäußert: „Wir sind nicht gegen die Natur, sondern wir machen uns Sorgen um unsere Arbeitsplätze“, sagten sie auf der Demonstration. Diese Sorge ist berechtigt, und das nicht zum ersten Mal.
Die Beschäftigten von Nedcar leben seit Jahren von Umstrukturierung zu Umstrukturierung. Von der einen Mutterfirma zur nächsten. Alle paar Jahre neue Unsicherheit. Über ihr Einkommen, über ihre Familien, über ihr Leben. Es ist viel schwieriger, sich um den Sternenwald zu sorgen, wenn du in einer solchen Unsicherheit lebst.
Was die Beschäftigten von NedCar brauchen, ist eine Perspektive. Eine Antwort darauf, was mit ihrem Unternehmen, ihrem Arbeitsplatz geschehen wird. Leider erzählen die Geschäftsführung von NedCar und auch der eigene Betriebsratsvorsitzende den Beschäftigten etwas Falsches. Die Geschichte über einen amerikanischen Superkäufer, der NedCar und auch das Klima retten will, und das sogar mit Elektroautos. Es ist fast alles geregelt, aber dann muss nur noch schnell ein Stück Wald abgeholzt werden, um eine Erweiterung zu ermöglichen. Es gäbe keine anderen Möglichkeiten. Schon wieder eine Geschichte, die die Bonzen von NedCar und VDL nur zu gerne erzählen.
Leider ist das Ziel von multinationalen Unternehmen wie Rivian, aber auch von NedCar und VDL, nicht dasselbe wie das der Beschäftigten. Denn während die Beschäftigten einen sicheren Arbeitsplatz und ein existenzsicherndes Einkommen wollen, sind alle anderen Parteien in erster Linie daran interessiert, fette Gewinne zu machen und ihr Geschäft auszubauen. Wenn der eigene Betriebsratsvorsitzende der FNV die zwei Dinge schon nicht mehr auseinanderhalten kann, sind wir sehr weit von zu Hause entfernt.
Was wir also brauchen, ist eine andere Antwort. Eine ehrliche Geschichte, in der wir zugeben, dass nicht nur elektrisch oder nachhaltig produziert werden muss, sondern vor allem auch viel, viel weniger. Eine, in der wir uns voll auf den öffentlichen Verkehr fokussieren und in die Beschäftigten bei NedCar investieren, die so etwas produzieren können! Und eine Geschichte, in der die Beschäftigten nicht zu Opfern von soviel Veränderung werden, sondern ein starkes Mitspracherecht bei dem bevorstehenden Übergang erhalten.
Um dieses alternative Narrativ voranzutreiben, brauchen wir eine Gewerkschaft, die voran geht! Ich kann euch sagen, dass die Demonstrationen im Sterrebos auch innerhalb der FNV für das nötige Aufsehen gesorgt haben. Die Ereignisse der vergangenen Woche hier im Sterrebos werden bis ins Mitgliederparlament und den Vorstand diskutiert.
Und das ist gut so. Denn die Gewerkschaft hat zwar eine Vision für das Klima, aber wenn ein Arbeitgeber in Born einfach dafür sorgen kann, dass Beschäftigte und Waldschützer*innen gegeneinander statt neben einander zu stehen kommen, dann ist diese Vision nicht stark genug. Dann muss sich etwas ändern. Und das ist nicht einfach, aber es muss sein. Denn es ist 5 nach 12. Und es gibt keine Arbeitsplätze mehr auf einem toten Planeten. Das habe ich mir nicht ausgedacht, das steht in der Klimavision der FNV. Ich wende mich an meine eigene Gewerkschaft: HANDELT DANACH!
Was wir aber vor allem brauchen, ist Kontakt. Unbekannt macht ungeliebt. Wir brauchen Gespräche, eine ausgestreckte Hand, einen Raum mit ungemütlichen Leuchtstoffröhren oder einen Spaziergang im Wald. Beschäftigte von NedCar und Sterrebos Beschützis zusammen. Die Tatsache, dass es in den letzten Monaten kaum noch Kontakte zwischen den beiden gab, ist Jammerschade. Aber das muss nicht so bleiben. Das können wir von jetzt an ändern.
Ich hoffe insgeheim, dass heute einige Mitarbeiter von NedCar gekommen sind. Ich möchte euch sagen: Lasst euch nicht verarschen. Lasst euch nicht als Gegner hinstellen. Ihr seid hier unter Freund*innen. Die Klimabewegung steht neben euch, nicht gegenüber!
Allen anderen Menschen, vor allem aus dieser Region, möchte ich sagen: macht euch auf die Suche. Ihr kennt sicherlich alle einen Menschen, der bei NedCar arbeitet. Ein Familienmitglied, eine alte Klassenkameradin oder jemanden aus dem selben Fußballverein. Sprecht mit ihnen darüber, was hier passiert. Dass du willst, dass der Wald bleibt. Du wirst diese Person auf deiner Seite finden.
Denn nicht nur Wald und Arbeitsplätze passen gut zusammen, sondern auch Beschäftigte und Waldschützis können nicht ohne einander leben. In der Tat sind wir aufeinander angewiesen. Lasst uns aneinander festhalten. Denn es bleibt nicht mehr viel Zeit.
Ich danke Euch.
Veröffentlicht am 7 Februar, 2022