Klage gegen polizeiliche Bus-Entführung eingereicht

Wir dokumentieren hier eine Pressemitteilung zur Aufarbeitung des Prozesses gegen UP2 und UP11, als die Polizei Supportis durch die Enführung eines Linienbusses am Prozessbesuch hinderte:

Am 29. März fand in Kerpen ein Gerichtsprozess gegen zwei Personen statt, die nach einer Barrikadenräumung im Hambacher Forst in Untersuchungshaft landeten. Um solidarische Menschen vom Prozessbesuch abzuhalten, leitete die Polizei an dem Tag kurzerhand den Linienbus 922 von Sindorf nach Kerpen zur Polizeistation statt zum Gericht um. Alle Personen im Bus, welche die Polizei dem solidarischen Umfeld zuordnete, wurden durchsucht und ihre Personalien kontrolliert. Gegen diese willkürliche Polizeimaßnahme reichten mehrere Betroffene jetzt Klage ein.

Mit der Klage wird angestrebt zu klären, dass die polizeilichen Maßnahmen von der Umleitung des Busses an komplett rechtswidrig waren. „Bestimmt im Umfeld des Hambacher Forsts jetzt schon die Polizei wer einen Prozess besuchen darf und wer nicht?“ fragt ein Kläger, „Wundern können wir uns darüber leider wenig, denn seit geraumer Zeit versuchen Polizei und Justiz den notwendigen Widerstand gegen den Braunkohleabbau mit allen Mitteln mundtot zu machen. Die jetzige Entführung eines Linienbusses ist dabei nur ein weiterer Versuch uns einzuschüchtern.“

Die Klage soll auch dazu dienen, sichtbar zu machen, wie weit die Polizei geht – auch gegen Menschen die nichts getan haben außer mit dem Bus zu fahren, beispielsweise wird thematisiert, dass Menschen zeitweise nicht einmal auf die Toilette durften. Die Arroganz der Polizei zeigte sich darin, dass sie auf Nachfrage nach einer konkreten Rechtsgrundlage die Auskunft verweigerte und nur darauf verwies, dass sie im Nachhinein überprüft werden könnte – eingesperrt und durchsucht wurden die Menschen im Bus trotzdem. „Auch wenn wir nicht an die Neutralität oder die Gerechtigkeit von Gerichten glauben, die in der Vergangenheit immer wieder RWE den Weg frei machten, nutzen wir doch jede Möglichkeit, gegen die polizeiliche Willkür zu kämpfen.“ erläutert eine Klägerin ihre Motivation.

Die Antirepressionsgruppe Rheinisches Revier (AntiRRR), welche die Klage unterstützt sieht in dieser Maßnahme eine weitere Entwicklung hin zu einem Polizeistaat: „Wenn die Polizei schon jetzt einen ganzen Linienbus entführt – wie soll das erst mit dem neuen Polizeigesetz werden?“ Im Entwurf für das neue Polizeigesetz für NRW ist geplant, dass die Polizei schon bei bloßem Verdacht, dass Personen Straftaten begehen könnten, diese für bis zu einen Monat einsperren kann und praktisch unbegrenzt Aufenthaltsverbote oder Kontaktverbote erlassen kann. Diese müssen zwar gerichtlich bestätigt werden. Es steht jedoch zu befürchten, dass dies reine Formsache wird, wenn die ansteigenden Fälle und immer absurder werdenden Begründungen für die Verhängung von Untersuchungshaft gegen Braunkohlegegner*innen betrachtet werden. Die AntiRRR ist sich sicher: „Aufgeben ist keine Option. Wir streiten weiter für eine Welt ohne Braunkohleabbau, ohne Umweltzerstörungen und ohne Polizei.“

Dieser Beitrag hat 7 Kommentare

  1. Kurt Claßen

    Die Betroffenen seien ermuntert, den Rechtsweg auszuschöpfen, um diesem System NRW „die Maske vom Gesicht zu reißen“.

    24. April 2018
    Kurt Claßen

    1. Ein Betroffener

      Die Betroffenen blicken schon ohne Rechtsweg hinter die Maske. Wie in der PM schon klargestellt, glauben wir nicht an den Rechtsstaat oder irgendeine Neutralität von Gerichten.
      Die Öffentlichkeit wird wenig bis gar nichts davon mitbekommen, dazu hätte sie bereits oft genug Anlass gehabt. Das Problem ist auch kein NRW-spezifisches, sondern ist allen Staaten inhärent.
      Was die Klage vielleicht bringt, ist ein Erziehungseffekt bei der Polizei (wobei die Erfahrung zeigt, dass das erst nach vielen, vielen Klagen wegen immer des gleichen Verhaltens in unterschiedlichen Situationen eintritt), die Freude am Sammeln von Altpapier mit „Gerichtsbeschluss“ oder „Urteil“ oben drauf (s.a. http://blog.eichhoernchen.fr/post/Politisch-Motivierte-Polizeikriminalitaet) und: Schmerzensgeld

  2. Götz von Berlichingen

    Auf jeden Fall gut, dass sich die Betroffenen diese Art von „Staatskriminalität“ nicht gefallen lassen!

  3. Unterwegs

    Wie gut, dass ihr gemeinsam vorgeht und die Öffentlichkeit informiert. Ich habe in meinem privaten Umfeld, außerhalb von Supporti-Kreisen von der Busentführung erzählt. Reaktion: Mir wurde nicht geglaubt. So könne das nicht abgelaufen sein, hieß es. Das war erschreckend! Viele Menschen wollen ihr Bild von der Polizei als „Freund und Helfer“ einfach nicht in Frage stellen.

  4. Peter

    So ein Gerichtsverfahren ist ja aus drei Gründen interessant:

    a) Ihr könnt erfahren, wie der Einsatz seitens der Polizei begründet wird.
    b) Ihr habt die Möglichkeit, ganz generell sowohl Euch selbst als auch Euer Anliegen ins rechte Licht zu rücken und Aufmerksamkeit zu schaffen.
    c) Es besteht die Möglichkeit, dass die Polizei Ihr Verhalten ändert, sei es von selbst, sei es, weil sich das Gericht entsprechend äußert.

    Ich kenne mich jetzt da kein bisschen aus, was so ein Prozess kostet. Aber Ihr scheint da ja auch Unterstützung zu haben.

    Also verkehrt machen könnt Ihr meiner Meinung nach dann nicht viel damit.
    Und die Fakten (Polizei leitet Bus um, greift damit stark in Freiheitsrechte ein und hat am Ende nicht richtig was gegen Euch in der Hand, was den Einsatz rechtfertigen könnte) sprechen auf den ersten Blick finde ich schon sogar klar für Euch. Also auch Richter*innen, die harte Verfechter*innen des Rechtsstaats sind, könnten das schon auch so sehen. Ich sage jetzt nicht, dass Ihr gewinnt, aber ich finde schon, dass Ihr trotz bisheriger schlechter Erfahrungen Optimismus an den Tag legen solltet.

    Und Ihr könnt ja auch darstellen, dass Ihr Euch nicht als Kriminelle seht, aber das Gefühl habt, noch schlimmer behandelt zu werden als Leute, die aus niederen Beweggründen Straftaten begehen und wesentlich gewalttätiger sind.

    Selbst wenn das Gericht für Euch entscheidet, heißt das wiederum kaum, dass die Polizei dann automatisch zurückhaltender wird. Die werden sich dann einfach andere Sachen ausdenken, wie sie gegen Euch vorgehen wollen. Also Grund zum Feiern wird es jetzt auch kaum geben. Aber selbst wenn es am Ende vielleicht nur ein paar positive Worte seitens des Gerichts für Euch geben würde, wäre das ja auch schon ein gutes Gefühl und vielleicht hört dann wenigstens in der Folge auch dieser Unsinn mit den langen Inhaftierungen auf. Dann wäre ja auch schon viel gewonnen.

  5. Elmo Elbrecht

    @unterwegs ja, diese „irgendwas werden die schon gemacht haben“-krankheit, hatte ich auch mal. Ich habe ja selbst gut zwei Jahre vollzeitaktivismus gebraucht, um mich von meinem eher bürgerlivhen Bild von der Polizei zu befreien. Chaoten gibt es nunmal überall.

    Ich denke, selbst massive Videodokumentation, reicht nur ansatzweise um das Bild in der Bevölkerung zu entzerren. Letztens braucht es individuelle persönliche Gewalterfahrung. Das weiss die Polizei natürlich auch.

    So weit gut, das das hier Mal dokumentiert wird.
    Wenn ich meinen Computer repariert habe, werde ich die Texe auszugsweise auf acab.bike spiegeln. Wie lange diese Domain nämlich noch online bleibt, halte ich für fraglich. (@hambis Email dazu)

    Solidarische Grüße
    Elmo

  6. Kito

    Mir fehlen die Worte.

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