Der „Wisentwald“ von Białowieża wird platt gemacht

Polen war in der letzten Zeit in den Medien weil dort gerade der letzte Rest einer unabhängigen Justiz abgewürgt wird. Aber es gibt, weit geräuschloser, ein viel größeres Drama, das sich in den Wäldern von Ostpolen abspielt. Eine Justizreform kann eines Tages wieder rückgängig gemacht werden. Aber wenn einer der letzten richtigen europäischen Urwälder gefällt wird, ist er weg. Für immer.
Und auch in diesem Projekt, bei dem sich Regierungsmitglieder persönlich bereichern, wurde die Justiz lästig. Es folgen zwei Berichten, die wir auf Englisch schon vorher veröffentlicht haben.

Die Übersetzung des ersten steht weiter unten, der zweite folgt in ein Paar Tagen.

Zwei Tage Blockaden und Aktionen im Białowieża Urwald


6. August Das Abholzen im alten Białowieża Wald wurde blockiert und Maschinen für mehrere Tage besetzt. Am Donnerstag hat sich eine Gruppe von Aktivistis an den Harvester (Baumerntemaschine) und einen Forwarder gekettet (Maschine für den Abtransport der Baumstämme, siehe Bild weiter unten: Lesen auf dem Forwarder). Es war mit über 9 Stunden die bis dahin längste Blockade. Inzwischen gab es längere Blockaden von mehreren Tagen von Parkplätze des Maschinenparks.

Am darauf folgenden Freitag haben sich über 15 Personen angekettet. Dazu kamen weitere 30 Personen, die eine Straßenblockade vor den Lastwagen bildeten, die über 130 Jahre Fichten aus dem Wald fahren sollten. Der Widerstand gegen diese mutwilligen Zerstörung des letzten Urwaldes in Europa hat sich in letzter Zeit aufgeheizt und bekam vor kurzem zusätzliche Unterstützung, nachdem der Europäische Gerichtshof die polnische Regierung und ihr „Umwelt“-Ministerium aufgefordert hatte, die Abholzung von über 100 Jahre alten Beständen des Waldes einzustellen. Die Regierung wiederum versucht es nun mit einer schlechten Ausrede, indem sie besonders intensiv neben den Straßen fällen lässt und behauptet, dass es für die Sicherheit getan wird. Im Moment werden alte Bestände in Streifen von bis zur doppelten Höhe der Krone neben den Straßen gefällt.

Das Lager zur Verteidigung des Waldes reagierte darauf mit täglichen Patrouillen, die nach Fäll-Aktivitäten suchen und sie lokalisieren und die Lage der gefährdeten Arten im Auge behalten. Von denen sind viele auf der Liste der gefährdeten Arten und stehen unter Schutz, sowohl der polnischen als auch der europäischen Gesetze. Trotzdem sind es nur selbst organisierte Graswurzel-Aktionen, die bisher in die Abholzung dieses Biodiversitäts-Hotspots eingegriffen haben. Die klassische Katz und Maus-Taktik die auf der ganzen Erde von Öko-Aktivistis eingesetzt wird, wenn sie solche Orte infiltrieren, hat in Białowieża zu einem Rollentausch geführt. Denn es sind nun die Aktivistis, die bei den großen Maschinen die Rollen der Katze eingenommen haben, und die Fahrer, die versuchen zu fliehen, sobald Aktivistis auftauchen. Dies hat einer Gruppe von über 8 Aktivistis am Donnerstag nicht gereicht. In den frühen Morgenstunden haben sie sich an den Harvester gekettet. Sie bestanden aus zwei Gruppen. Die eine trug Lock-Ons aus Metallrohren, die mit Isomatten bedeckt waren, die zweite trug aufgerollte Isomatten, die nur so aussahen, als ob sie Rohre enthielten. Die Gruppe, die diese Attrappen trug, war leichter und ging voran und wurde von etwa 5 Waldwachen abgefangen, die sie dann festhielten und ihre persönliche Information notierten und Geldstrafen für den unerlaubten Zutritt verhingen, während sich die zweite Gruppe an den Harvester kettete. Der Harvester fuhr aber weiter, weg von der Stelle wo gefällt wurde, mit den 8 Leuten, die oben drauf geklettert waren oder von den Seiten hingen. Einige wurden auf den Boden gezerrt. Das dauerte etwa 100 Meter und wurde nur von einer Person gestoppt, die sich der Maschine in den Weg gestellt hatte. Die 5 Förster vor Ort bekamen dann Unterstützung von einem oder zwei weiteren, die die umliegenden Straßen blockierten. Etwa eine Stunde verging, bevor etwa 30 weitere eintrafen. Es gab Versuche zu verhandeln, indem sie anboten, für den Tag mit dem Fällen aufzuhören, wenn die Menschen sich losketten würden. Die Antwort war die Diskussion über die Möglichkeit dass die Forstarbeiter ja auch Streiken könnten und mitmachen beim Singen von Volksliedern, wie das in einem der Camp-Workshops geübt worden war. Medien und Aufzeichnungsgeräte wurden weggenommen, so dass ein Versuch gemacht wurde, einen Baum direkt am Harvester zu besteigen. Leider wurde ein Zaun dazwischen schnell herunter gezogen und der Aktivist am Fuß gepackt und herunter gezerrt, während er an einem Band um seiner Taille hing, das schließlich erreicht und durchgeschnitten wurde. Das Sahnehäubchen dieser Situation war, dass der selbe Aktivist, während er sich ausweisen sollte und ein Geldstrafe für unerlaubten Zutritt verhängt wurde, es schaffte, auf einen Forwarder zu klettern, der um die geparkten Polizei- und Försterfahrzeuge manövrierte.

Der geländegängige Forwarder mit seinem Greifarm arbeitet im Tandem mit dem Harvester beim Fällen und Abtransportieren von über 200-400 Bäume am Tag. Das andere Fahrzeug, das durch Besteigen des Greifers blockiert und gestoppt worden war, zog die Förster aus dem Harvester, was den Besetzern ermöglichte sich an besseren Stellen anzuketten. Die Fahrzeuge waren 100 Meter von einander entfernt, wodurch Blickkontakt möglich war. Der Forwarder wurde vibrierend und manchmal stotternd am Laufen gehalten, entgegen allen Regeln über Sicherheit am Arbeitsplatz, die das Stoppen aller gefährlichen Geräte verlangen, wenn Leute im Weg sind. Nachdem der Greifarm abgesenkt und der Kletterer herunter gezogen worden war, fuhr der Forwarder zurück zum Harvester und wurde benutzt, um die 3 Leute zu erreichen und herunter zu ziehen, die auf der Kabine saßen. Dann fuhr der Forwarder zu den immer noch angeketteten Aktivistis und versuchte mit Vollgas aus dem Auspuff diejenigen, die noch befestigt waren, zu räuchern und zu vergiften. Es wurden vergebliche Versuche unternommen, die Teile zu knacken, mit denen die Rohre befestigt waren, einige Armbänder wurden erreicht und durchgeschnitten, indem sie den Arm aus den kürzeren Rohren heraus zogen. Eine-r der festgelockten Aktivistis eines Paares wurde durch eine kleine Öffnung gezogen. Eine andere Gruppe war an einem runden geschlossenen Haken befestigt, der durchgeschnitten wurde. Zwei Paare wurden dann von 7 Polizisten weggetragen, immer noch zusammengeschlossen, es wurden Geldstrafen für Betreten eines nicht öffentlichen Waldgebietes verhängt und dann in ihrem Lock-on zurück gelassen. Als Folge dieser Blockade fing das Fällen am nächsten Tag schon um 3 Uhr an, und als die neue Gruppe auftauchte, verließen die ganzen Maschinen schnell den Wald.
Später am Tag entdeckten Patrouillen LKWs, die Holz aufluden um es aus dem Wald zu fahren. Die neue Blockade wurde organisiert auf einer Straße neben einem Parkplatz für Besucher* des Nationalparks, was zu einem großen Andrang von Wanderern und Radfahrer die ständig ihre Unterstützung anboten und oft klatschten. Als die Schläger der Forstverwaltung sich schließlich einige Stunden später zusammen zogen, gingen sie an der Blockade vorbei, als die Polizisten auch anwesend waren und Personalien kontrollierten, gingen zum LKW hinter der Barrikade und umstellten ihn. Der LKW wurde in den Wald gebracht, umgeben von 50 Wachen, während die Cops damit beschäftigt waren, Journalisten daran zu hindern, zu filmen und die Erklärungen aufzuzeichnen, die ihnen gegeben wurden. Als die Gruppen in das Lager zurückkehrten, trafen sie sich mit zusätzlichen Unterstützern, die Unterstützung in Form von Nahrung, Versorgung und ihrer Energie anboten.

Dies ist das Gegengewicht und die Reaktion auf die jüngsten Aussagen des Umweltministeriums, in denen es heißt, dass die Fortsetzung der Fällungen eine Frage der öffentlichen Sicherheit ist und dass ihr Stopp eine Milliarde Euro kosten würde. Vorher wurde behauptet, dass die Bäume die gefällt werden, vom Borkenkäfer befallen sind und wirtschaftlich wertlos sind. Diese Aussagen zeigen, dass das Fällen weitergehen wird und dass die Argumentation, mit der die Ausbeutung und Zerstörung dieses unbezahlbaren Biodiversitäts-Hotspots gerechtfertigt wird, sich nach Belieben ändern mag. Aber die Profitgier und die Zerstörung werden sich nicht ändern, vor allem, wenn sie unangefochten bleiben. Diese letzte Option ist nicht sehr wahrscheinlich, da der Kampf um Białowieża eine breite Koalition von ökologischen Gruppen, Projekten und vielen ungebundenen Personen aus Polen und der Welt mobilisiert hat, und sie hat viele in der lokalen Gemeinschaft elektrisiert, die einen integralen Bestandteil ihres Kerns und ihrer Unterstützung bilden.

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