Immer wieder werden Aufzeichnungen, Ausschnitte aus Tagebüchern oder was sonst so geht auf diesem Blog veröffentlicht. Sie ermöglichen einen Einblick in das Leben in den Baumhäusern des Hambacher Waldes.
Zurück im Hambacher Forst
02.11.2016 / Hambacher Forst….Schon bevor ich ankam, erfuhr ich von dem für Mittwoch früh ausgerufenen Räumungsalarm. So war das Ankommen keine Wiedersehens- und Neu-Kennenlernparty, sondern ich landete im Plenum. OK, wir stellen uns auf den schlimmsten Fall ein: die Baumhäuser werden “geräumt” und in der Zeit die Wiese umstellt und abgeriegelt. Für den anstehenden Feiertag genug zu tun. Ein paar Lebensmittel werden auch gebraucht, was auf den Feiertag nicht so leicht zu bewerkstelligen ist.
Das Plenum läuft gut. Alle haben das gleiche Ziel. Danach lasse ich mir eine Baumhausbaustelle zeigen, auf der ich die erste Nacht verbringen werde.
Im Liegen kann ich einige Sterne am Himmel erkennen. Ich versuche Kontakt mit Mutter Erde und anderen Naturwesen herzustellen und bitte diese, den Verantwortlichen durch persönliche Erlebnisse klarzumachen, das die Zerstörung der Erde stoppen muss.
Am nächsten Morgen scheint die Sonne und beleuchtet die herbstlichen Kronen. Es gibt viel zu tun und der Tag rauscht vorbei. Nachmittags komme ich dazu zu frühstücken und eine längere Pause in der Sonne zu verbringen.
Unterstützer bringen Räumungsessen, was unser Einkaufsproblem löst. Es fügt sich.
Später kommen Unterstützerinnen, die für uns gekocht und gebacken haben. Ich esse erneut und nach dem superleckeren veganen Apfelkuchen geht kein Krümel mehr rein.
Eine Rentnerin kommt mit dem Fahrrad, erzählt mit bewegter Stimme das wir, das die Besetzungen im Hambi ihr und ihrer Partnerin Hoffnung geben, das sich endlich etwas ändert. Sie wären zu alt und zu krank als das sie in dieser Weise für die Erhaltung unserer überlebenswichtigen Natur und für eine andere Gesellschaft kämpfen könnten. Stattdessen haben sie von ihren schmalen Renten etwas abgespart und spenden es uns. Es sind bewegende Momente.
Als der Abend anbricht ist es wieder Zeit fürs Plenum. Danach ist noch ein Workshop angesetzt, damit Menschen ohne Erfahrung von Erfahrenen Tipps und Tricks im Räumungsfall und allgemein übernehmen können.
Der Adrenalinspiegel war den ganzen Tag schon hoch aber jetzt steigt er noch einmal. Ich habe mich entschieden im Räumungsfall ein Lock-On (LINK) zu nutzen. Dafür wechsele ich das Baumhaus, doch vorher muss ich meine Sachen von der Platform von letzter Nacht holen. Blöd, das ich meine Fussprusik (LINK) oben vergessen habe…
Mit einem etwas feuchten Schlafsack gehts dann zum anderen Baumhaus, was in Oaktown (Eichenstadt) steht. Es wird 1.30h bis ich zum Schlafen komme.
Am nächsten Morgen bekomme ich Nachrichten von den Scoutern (Menschen, die um den Wald herum aufpassen was geschieht). Es sind nur 10 Wannen (Gruppenbusse der uniformierten staatlichen Handlanger) und ein Kamerawagen aufgetaucht. Sie stehen bei den Securities von RWE, an anderen strategischen Positionen rund um den Wald und sie fahren Streife rundherum.
Bald beginnt der Lärm. Ein sogenannter “Mulcher” zerstört alles “kleine” Leben am Boden.
Es ist schon pervers, wie Menschen den positiven Begriff des Mulchens (den Boden schützen und anreichern durch Auftragen von organischem Material) für eine Maschine benutzen, die alles zerstückelt, zerhackt, zerreisst, zerstört. Alles. Alles, was nicht großer Baum ist, inklusive der oberen Bodenschicht. Danach ist der Wald “aufgeräumt” und vorbereitet für den Harvester/ Holzvollernter. Eine Maschine, die im Minutentakt Bäume greift, absägt und ablegen kann.
Die Menschheit kann nicht mal die Photosynthese der Pflanzen nachmachen, aber sie baut Maschinen, die gesamte Ökosysteme zerstören.
Nach den ganzen Adrenalinschüben vom Vortag und der Nacht falle ich in ein tiefes Loch. Ich höre die ganze Zeit das Gemetzel nebenan. Ich habe keine Kraft aufzustehen. Leise Tränen, eine enge Kehle und negative Gedanken statt Motivation. Ich denke an die “Friedensgespräche” und stelle fest, das RWE Krieg führt.
Ich verstehe, ja vielleicht bewundere ich die Menschen, die in dieser Situation unser aller Lebengrundlagen schützen wollen und mit Gewalt gegen Sachen den Zerstörungsprozess aufhalten.
Endlich schaffe ich es aus dem Loch zu kommen und stehe auf. Spreche mit Menschen. Und entschliesse mich, das alles aufzuschreiben.
Letzte Woche kam eine Info, das jetzt ein neues Verfahren gefunden wurde, was Strom und CO2 in Alkohol wandeln kann . Damit ist auch das Speicherproblem gelöst und wir können alle Atom- und Kohlekraftwerke sofort abschalten.
Zuerst natürlich die ältesten Kraftwerksblöcke aus den 60ern und 70ern des letzten Jahrtausend. Dann hätte RWE jetzt schon genug Kohle freigelegt, um die nächsten 15 Jahre den restlichen Kraftwerkspark zu betreiben, ohne dass dafür noch ein Baum, ein Strauch, ein Feld, ein Haus zerstört würde.
Aber diese geldkranken Leute dürfen Umweltgesetze brechen und werden von den staatlichen Handlangern dabei auch noch beschützt.
Weitere Interessante Texte:
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Ausschnitt aus den Aufzeichnungen eines BaumbesetzA (Oktober 2016)
Erlebnisberichte der Neulandbesetzung (Dezember 2014)
Der Kampf um den Wald (März 2014)
Tagebuch: Ausschnitt aus den Aufzeichnungen eines BaumbesetzA (November 2013)
link Nachtrag
-lock on http://www.projektwerkstatt.de/hoppetosse/dan/besetzung.html#lock
Blockadefibel Download http://www.projektwerkstatt.de/da/download/blockadefibel_html.zip
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