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In Bolivien gibt es seit Dezember 2010 das „Gesetz der Rechte von Mutter Erde“, das unserem Planeten als lebendes System Rechte im gleichen Rang wie die Menschenrechte einräumt. Die ursprüngliche Bevölkerung dieser Bergwelt weiß immer schon, wie empfindlich die Erde ist, von der wir alle abhängig sind. Sie nennen sie darum ehrfurchtsvoll Mutter Erde: Pacha Mama. Die momentane Regierung ist die Erste, die die Kultur, Weltanschauung und Rechte der indigenen Bevölkerung anerkennt und wertschätzt.
Im Gesetz steht, dass alle „Bolivianerinnen und Bolivianer“ Teil der Mutter Erde sind und etwas weiter:
Die Ausübung der Rechte der Einzelnen wird eingegrenzt durch die Ausübung der kollektiven Rechte in Bereich der Lebenssysteme der Mutter Erde. Jeder Konflikt zwischen den Rechten muss so gelöst werden, dass diese nicht irreversibel die Funktionalität der Lebenssysteme beeinflussen.
El ejercicio de los derechos individuales está limitado por el ejercicio de los derechos colectivos en los sistemas de vida de la Madre Tierra, cualquier conflicto entre derechos debe resolverse de manera que no se afecte irreversiblemente la funcionalidad de los sistemas de vida.
Die Rechte der Lebenssysteme (Mutter Erde) haben also Vorrang. Mit einem solchen Gesetz in Deutschland wäre z.B. Tagebau gesetzwidrig, denn er zerstört nachhaltig die „Funktionalität der Lebenssysteme“.
Ley de Derechos de la Madre Tierra, Versión original. Der Text dieses Gesetzes auf Spanisch.
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Per Mail erreichte uns die Übersetzung der sieben Rechte aus diesem Gesetz:
„… Das Gesetz benennt sieben spezifische Rechte, auf die Mutter Erde und die Lebenssysteme, die Bestandteil von ihr sind, ein Anrecht haben:
Ein Recht auf Leben:
Damit ist das Recht gemeint auf die Aufrechterhaltung der Integrität von Lebenssystemen und von natürlichen Prozessen, die sie unterstützen.
Dazu gehören ebenfalls die Kapazitäten und die Konditionen für ihre ErneuerungEin Recht auf die Vielfalt des Lebendigen:
Damit ist das Recht gemeint auf die Erhaltung der Unterscheidung und Vielfalt der Lebewesen, aus denen Mutter Erde besteht;
und zwar ohne, dass sie genetisch verändert werden oder dergestalt künstlich in ihrer Struktur verändert werden,
dass es ihre Existenz, ihre Funktionsweise und ihr zukünftiges Potenzial bedrohtEin Recht auf Wasser:
Dies ist ihr Recht, die Funktionalität von Wasserkreisläufen zu erhalten, sowie deren Existenz in der Quantität und Qualität, die notwendig sind zur Aufrechterhaltung der Lebenssysteme und den Schutz vor Verschmutzung für die Reproduktion des Lebens der Mutter Erde und alle ihre KomponentenEin Recht auf saubere Luft:
Damit ist ihr Recht auf den Erhalt der Qualität und der Komposition der Luft gemeint, um die Lebenssysteme zu erhalten und sie insbesondere vor Verunreinigung zu beschützen, um das Leben von Mutter Erde und all ihrer Bestandteile zu erneuernEin Recht auf Gleichgewicht:
Damit ist das Recht auf den Erhalt oder die Wiederherstellung der Wechselbeziehungen, der wechselseitigen Abhängigkeit,
sowie der Fähigkeit zur Ergänzung und Funktionalität der Komponenten von Mutter Erde unter einander;
dies soll in einer ausgewogenen Weise erfolgen, so dass sich die Zyklen fortsetzen können und so dass sich ihre überlebenswichtigen Prozesse erneuern könnenEin Recht auf Wiederherstellung:
Damit ist das Recht auf die effektive und rechtzeitige Wiederherstellung der Lebenssysteme gemeint,die direkt oder indirekt durch menschliche Aktivitäten beeinflusst werdenEin Recht auf ein Leben ohne Kontamination:
Damit ist das Recht auf die Bewahrung von Mutter Erde und all ihrer Komponenten gemeint,
insbesondere in Bezug auf den Schutz vor toxischem oder radioaktivem Abfall, der durch menschliche Aktivitäten generiert wird.
Mit den besten Wünschen für eine lebenswerte Zukunft.
Todde Kemmerich“
Danke für diesen Beitrag!
Bei dem genannten Gesetz handelt sich meines Wissens um das „Ley de Derechos de La Madre Tierra“.
Ergänzend dazu von meiner Seite: Das sogenannte Prinzip des „Guten Leben“, „buen vivir/vivir bien“ (Spanisch), „sumak kawsay“ (Kichwa), „suma qamaña“ (Aymara)ist zentral in der Weltanschauung vieler indigener Völker der Anden.
Dieses Prinzip verfolgt – vereinfacht formuliert – das Ziel der materiellen, sozialen und spirituellen Zufriedenheit für alle Gemeinschaftsmitglieder. Keine Gemeinschaftsmitglieder und auch nicht die natürlichen Lebensgrundlagen sollen dabei benachteiligt werden.
2008 wurde „sumak kawsay“ gemeinsam mit dem Gedanken von „pachamama“ (Quechua: Mutter Welt, Mutter Kosmos) als Staatsziel in der Verfassung Ecuadors verankert.