Bundesweiter Schulterschluss des Braunkohleprotests / Kohlelobby gefährdet Energiewende und Klimaziele / Massive Folgeschäden durch
Braunkohlentagebaue und Kraftwerke in Zeiten der Energiewende nicht mehr hinnehmbar / 10.000 Menschen von Umsiedlung durch Tagebaue bedroht
Köln, 16.5.2013: Anlässlich des Braunkohlentags in Köln protestieren Betroffene und Initiativen aus allen großen deutschen Braunkohlerevieren
gemeinsam mit Umweltverbänden und dem breiten Bündnis klima-allianz deutschland gegen die Versuche der Braunkohlelobby, die umfangreiche
Nutzung des klimaschädlichsten und schmutzigsten Energieträgers fürweitere Jahrzehnte in Deutschland fortzuschreiben. Unter dem Motto „Den Braunkohle-Irrsinn können wir uns nicht mehr leisten!“ bilden sie vor dem Tagungsgebäude eine Menschenkette und umzingeln mit einem gelben
Band, als Zeichen der Vernetzung des Braunkohleprotests und der Solidarität untereinander, symbolisch den Braunkohlentag in der Kölner
Innenstadt.
„In einem bundesweiten Schulterschluss stellen wir uns gemeinsam der Braunkohleindustrie entgegen und erteilen den Plänen für neue Tagebaue
und Braunkohlenkraftwerke eine klare Absage!“ erklärt Dorothee Berthold, Sprecherin der Bürgerinitiative Röcken, Sössen & Lützen aus dem
Burgenlandkreis in Sachsen-Anhalt. Geht es nach dem Willen der Braunkohleindustrie, werden im ‚Deutschland der Energiewende‘ weitere
10.000 Menschen in der Folge der umwelt- und klimaschädlichsten Energieerzeugung aus ihrer Heimat vertrieben. Weitere tausende Menschen
sind als Tagebaurandbetroffene von gesundheitsbelastenden Begleiterscheinungen der Tagebaue und Bergschäden direkt betroffen, so
Berthold.
Auch Dorothea Schubert vom nordrhein-westfälischen Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND NRW) betont: „Die von
der Braunkohleindustrie schonungslos fortgesetzte und großräumige Zerstörung ganzer Landstriche mit Dörfern und Jahrhunderte alten
Kulturlandschaften und der unwiederbringlichen Vernichtung von wertvollen Naturschutz- und Waldgebieten ist in Zeiten der Energiewende
weder energiepolitisch zu rechtfertigen noch hinnehmbar.“ Die gigantischen CO2-Emissionen der deutschen Braunkohlekraftwerke seien im
letzten Jahr allein für 25 Prozent des gesamten deutschen CO2-Ausstoßes verantwortlich gewesen und stünden dem Klimaschutz diamentral entgegen.
„Der baldige Abschied von dieser Dinosauriertechnologie ist unausweichlich. Dafür müssen auch bereits genehmigte Tagebaue auf den
Prüfstand“, fordert Schubert.
Für Adrian-Elias Rinnert vom Aktionsbündnis „Strukturwandel jetzt – kein Nochten 2“ aus der sächsischen Lausitz ist auch die Rechtlosigkeit der
von der Umsiedlung bedrohten Menschen und der Tagebaurandbetroffenen ein Skandal, der dringend behoben werden muss. „Die Braukohleindustrie macht
ihre Profite auf der Grundlage eines völlig veralteten Bergrechts, das die demokratischen Rechte der Bürgerinnen und Bürger noch immer mit
Füßen tritt und faktisch Enteignungen ganzer Dorfgemeinschaften gegen ihren Willen ermöglicht“, kritisiert Rinnert. „Auch die Pflicht für
Bergbauschadensbetroffene nachzuweisen, dass ein Schaden durch den Tagebau entstanden ist, steht dem allgemeinen Rechtsverständnis
entgegen. Wir begrüßen die angekündigte Bundesratsinitiative der nordrhein-westfälischen Landesregierung, das Bergrecht im Hinblick auf
diesen Sachverhalt zu ändern“, so Rinnert. Dies sei ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Karl-Heinz Ochs, Vorstandsmitglied der Initiative Bergbaugeschädigter 50189, weist darauf hin, dass die Braunkohle nicht nur das Klima
schädigt, sondern auch krank macht: „Vielen Menschen ist nicht klar, dass die von Kohlekraftwerken ausgestoßenen Schadstoffe wie
Schwefeldioxid, Stickoxide und Feinstaub – trotz Einhaltung der Grenzwerte – die Atemwege, das Herz-Kreislauf-System und das
Nervensystem schädigen.“ In der Kölner Region sei die Gesundheitsbelastung durch die Braunkohlekraftwerke und Tagebaue der RWE
deutlich zu spüren, kritisiert Ochs. Nach der Umweltorganisation Greenpeace [1] hatten kürzlich auch Mediziner und Gesundheitsexperten
der europäischen Gesundheitsorganisation Health & Environment Alliance (HEAL) vor den Gesundheitsschäden durch deutsche Kohlekraftwerke gewarnt
und die jährlichen Kosten auf bis zu 6 Mrd. Euro geschätzt [2]. Ein großer Teil davon gehe auf das Konto der besonders
gesundheitsschädlichen Braunkohlekraftwerke, betont Ochs.
Ein von der klima-allianz beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Auftrag gegebenes Gutachten kam vor kurzem
zu dem Ergebnis, dass die Braunkohle für die Energiewende trotz aktuell hoher Marktanteile nicht notwendig ist. Die Ausweitung der
Braunkohleverstromung und neue Tagebaue bezeichnen die Energieexperten des DIW als überflüssig und umweltschädlich [3].
„Die enge Verzahnung von Politik und Braunkohlelobby erweist sich als enorme Fortschrittsbremse beim Klimaschutz und gefährdet die
Energiewende“ kritisiert Daniela Setton, Referentin für Energiepolitik des Bündnisses klima-allianz deutschland, in dem u.a. auch Kirchen und
Gewerkschaften Mitglied sind. „Weil die Verschmutzung des Klimas nach der vorläufig gescheiterten Reform des EU-Emissionshandels quasi zum
Nulltarif zu haben ist, boomt das Braunkohlegeschäft in Deutschland. Mit fatalen Folgen: trotz Ausbaudynamik der Erneuerbaren steigen die
CO2-Emissionen wieder an und die für die Energiewende nötigen flexiblen Gaskraftwerke werden aus dem Markt gedrängt. Diese Entwicklung geht in
die völlig falsche Richtung“, so Setton. Nötig seien deshalb zusätzliche Instrumente wie nationale CO2-Grenzwerte oder eine Braunkohlesteuer, um
den Kraftwerkspark so klimafreundlich wie möglich umzubauen und die Energiewende sinnvoll zu flankieren. Erst kürzlich haben die Deutsche
Umwelthilfe und der BUND ordnungsrechtliche Maßnahmen gegen klimaschädliche Kohlekraftwerke und neue Tagebaue gefordert und mit
einem Rechtsgutachten deren europarechtliche Zulässigkeit prüfen lassen [4].