Waldbesetzung umsonst? Von Gerichtsurteilen und Widerstand

„Jetzt haben wir sechs Jahre den Wald besetzt und es hat nichts gebracht. Ein Gericht hat die Rodung gestoppt, nicht wir.“ – Meinungen in dieser oder ähnlicher Form haben wir von einzelnen aus dem Wald gehört und waren doch eher erschrocken. Was auf den ersten Blick logisch klingen mag, verkennt die Wirkung von Widerstand und die Wechselwirkung mit der öffentlichen Meinungsbildung. Unsere Überzeugung ist, dass es ohne die Waldbesetzung niemals zu dem Gerichtsurteil gekommen wäre, welches die Rodung vorerst gestoppt hat. Diese These werden wir anhand historischer Beispiele und grundsätzlicher Überlegungen zu Herrschaftssicherung näher begründen.

Historische Beispiele

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Wyhl: In den 70er Jahren sollte in Wyhl (Baden-Württemberg) ein Atomkraftwerk gebaut werden. Das Verwaltungsgericht Freiburg veranlasste einen Baustopp und die Bauarbeiten wurden 1977 eingestellt. Warum gerade hier? Warum nicht an einem der zahlreichen anderen Atomkraftwerks-Bauplätze? Und warum überhaupt diese Gerichtsentscheidung gegen den parteiübergreifenden Konsens für Atomkraftwerke? Schon kurz nach der Bekanntgabe, dass ein Atomkraftwerk gebaut werden sollte, begannen Menschen in Wyhl gegen den Bau zu protestieren, in den umliegenden Ortschaften gründeten sich Bürger*innen-Initiativen. Sie sammelten innerhalb eines Monats 89.000 Einwendungen gegen den Bau Dann ging eine Volksabstimmung für das AKW aus und die erste Genehmigung wurde 1975 erteilt. Der Bauplatz wurde besetzt von einer bunten Mischung aus lokaler Bevölkerung, Winzer*innen, Bäuer*innen und Angereisten. Am nächsten Tag wurde er direkt von der Polizei mit einem großen Aufgebot geräumt unter der Beschwerde, dass die Polizei „ganz schön verheizt“ werde. Am nächsten Tag war der Bauplatz wieder besetzt – kommt euch das bekannt vor? Einen Monat später verhängte das Gericht einen vorläufigen Baustopp, die Platzbesetzung dauerte weiter an. Die juristischen und politischen Auseinandersetzungen zogen sich noch Jahre hin, aber am Ende wurde das AKW nicht gebaut – letztendlich 1987 durch eine politische Entscheidung.

Wackersdorf: In Wackersdorf wurde in den 80er Jahren mit dem Bau einer Wiederaufarbeitungsanlage für Atommüll begonnen (mit der auch Plutonium für Atomwaffen hätte gewonnen werden können). 1988 erklärte ein Gericht die Bauplanung für nichtig. Wieder ein Gericht – passt das zu eurer Erinnerung, dass es in Wackersdorf um eine juristische Auseinandersetzung ging? Zu meiner nicht. Wackersdorf war einer der Kristallationspunkte der Anti-Atom-Bewegung. Der Protest ging los mit lokalen Bürger*innen-Initiativen (wie lange sind die „Buirer für Buir“ und ähnliche Gruppen schon aktiv?) und friedlichen Demonstrationen mit bis zu 50.000 Menschen, noch einige Monate vor Tschernobyl. Nach der juristischen Genehmigung durch das Bayerische Verwaltungsericht zur Rodung des Taxöldner Forsts entstand das erste Hüttendorf, zwei Tage später durch Tausende Polizist*innen geräumt mit fast 900 Festnahmen. Wenige Wochen später stand die nächste Besetzung, damals noch nicht auf den Bäumen – nach Weihnachten wieder geräumt. Zusätzlich wurden die Anwohner*innen durch Polizeimaßnahmen immer mehr eingeschränkt (erinnert ihr euch an das „Gefahrengebiet Hambacher Forst“?), Demonstrationsverbote und Hausdurchsuchungen wurden Normalität, ebenso wie militanter Widerstand, der auch von der lokalen Bevölkerung unterstützt wurde. Immer wieder kam es am Bauzaun zu heftigen Auseinandersetzungen mit Steinen, Stahlkugeln und Seilen mit Widerhaken zum Einreißen des Zauns auf der einen Seite, Wasserwerfern mit CS-Gas, Blendschockgranaten und Gummigeschossen auf der anderen. Zwei Menschen starben im CS-Gas-Nebel und mitten in den Kämpfen explodierte das AKW in Tschernobyl. Auch ein Resultat: Es wurden neue Polizeieinheiten gegründet, Gerichtssäale terrorsicher ausgebaut und die Polizeigesetze verschärft (eine weitere Parallele zur Gegenwart). Die Gegner*innen der Wiederaufarbeitungsanlage glaubten schon, sie hätten verloren, dann kam die Gerichtsentscheidung. Allein eine Folge juristischer Bewertungen?

Widerstand und Herrschaftssicherung

Gerichtsentscheidungen sind nicht unabhängig, damals nicht, heute nicht. Richter*innen sind beeinflusst von dem, was um sie herum geschieht. Wenn auch sie sehen, wie unsinnig es ist, den Wald abzuholzen oder wie risikoreich der Bau eines Atomkraftwerks ist, werden sie davon beeinflusst. Durch Argumente, aber immer wieder auch dadurch, dass sie sehen, wie sehr sich Menschen für ihre Umwelt einsetzen, mit wieviel Kraft, Energie und persönlichem Risiko. Vielleicht etwas, was ihnen Respekt abnötigt, vielleicht aber auch etwas, bei dem sie sehen, wie hart oder nahezu unmöglich es für die Regierenden wird, diesen Widerstand zu brechen. Militärisch ist uns der Staat zwar überlegen, aber den Verlust an Legitimation und Rückhalt, den es bedeuten würde, rücksichtlos den Forst zu zerstören kann sich die Politik eben möglicherweise nicht leisten. Dann ist ein Gerichtsurteil vielleicht eine letzte Reißleine für die Regierung. Ein einziger Weg, halbwegs gesichtwahrend aus der Sache heraus zu kommen. Denn welche Regierung gibt schon zu, dass ein Haufen Straftäter*innen (oder populistischer „anarchistischer Chaot*innen“) eine Auseinandersetzung gewonnen hat?

Herrschende sind am Machterhalt interessiert, das heißt aber auch sie können nicht zugeben, dass sie dauernd außerhalb des gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen beeinflusst werden. Deshalb werden Gerichtsurteile gefällt, in denen es dann eine NGO (Nicht-Regierungs-Organisation) ist, die sich brav an den Klageweg gehalten hat, welche den Forst vorerst gerettet hat. Das passt eben einfach besser in die Geschichtsschreibung. NGOs sind weniger problematisch anzuerkennen, sie stellen nicht Herrschaft oder Gesellschaftssysteme als ganzes in Frage, sie sind Teil des Systems und eben auch dazu da, in einem solchen Fall Verantwortung und Sieg zugeschoben zu bekommen.

Aus Work (crimethinc):

Dabei verdanken Reformist_innen die erreichten Zugeständnisse häufig den Kompromisslosen. Linksliberale und Reaktionäre behaupten, dass konfrontativer Widerstand Dissens delegitimiere, aber tatsächlich zwingt er den Staat dazu, Reformist_innen anzuerkennen. Die schwarze Bürgerrechtsbewegung hätte nie diesen Erfolg gehabt, ohne die dazugehörige Bedrohung, die durch Militante wie Malcom X und später die Schwarzen Panther ausgeübt wurde. Die Befürworter_innen von Reformen erreichen ihre Durchbrüche und Auszeichnungen, während ihre ehemaligen Kamerad_innen getötet oder eingesperrt werden – tatsächlich werden diese Durchbrüche und Auszeichnungen unter der Voraussetzung eingeräumt, dass sie ruhig bleiben, während die Rebell_innen vernichtet und aus der Geschichte herausgeschrieben werden. Das gibt nachfolgenden Generationen einen falschen Eindruck davon, wie sozialer Wandel geschieht – und suggeriert, dass er nur durch Ersuche an die Mächtigen durch die richtigen institutionellen Kanäle bewirkt werden könne.

Umso wichtiger ist es die eigenen Erfolge auch als solche darzustellen: Lasst euch auch kleinere Teilsiege nicht wegnehmen, erkennt an, was ihr mit eurem Widerstandswillen geschafft habt: Ob friedlich oder militant, ihr habt die Rodung des Hambacher Forsts zumindest mal aufgeschoben und vielleicht schafft ihr auch noch den Tagebau dort aufzuhalten. Und auch wenn das alles nur kleine Puzzleteile sind im Kampf für eine Welt, die sich an den Bedürfnissen von Menschen und Tieren orientiert – seht sie und lasst sie euch nicht von irgendwelchen Gerichten oder NGOs wegnehmen und/ oder euch vereinnahmen. Ohne die jahrelange Besetzung im Hambacher Forst, ohne auch militante Verteidigung oder Sabotage, aber auch ohne die jahrzehntelange Arbeit der Bürger*innen-Initiativen vor Ort hätte es dieses Urteil nie gegeben.

Mehr als der Wald

Außerdem: Ihr kämpft doch um viel mehr als den Wald. Und habt auch viel mehr gewonnen. Der Aufbau eines grundlegend anderen Miteinanders ist für sich genommen bereits ein wertvoller Schritt. Der zapatistische Widerstand hat die Losung geprägt „fragend gehen wir voran“. Wie wenn nicht durch das Ausprobieren anderer Entwürfe des Zusammenlebens sollte ein solches fragendes Voranschreiten gelebt werden? Und ist es nicht auch das, was wir aus den kurdischen Kämpfen lernen können? Wenn wir eine andere Welt aufbauen wollen, dann brauchen wir genau diese Erfahrungen.

Weiter aus Work (crimethinc):

[Wir brauchen] Kampfarten, die die Macht an sich umverteilen. Um sich gegen äußere Feinde und ungleiche interne Machtverteilung verteidigen zu können, brauchen rebellische Communities vielschichtige Machtstrukturen, die untereinander für einen Ausgleich sorgen und den Aufbau neuer Hierarchien kontinuierlich untergraben. Es gibt keine Abkürzungen zur Freiheit; politische Parteien oder Führer_innen können sie nicht für uns erkämpfen, sie können sie uns nur nehmen. Wenn wir nicht aufpassen, könnten wir alle Regierungen der Welt stürzen und all ihre Fabriken besetzen, ohne der Kontrolle über unser Schicksal auch nur ein Stück näher zu kommen. Wir müssen aufhören, uns selbst und alle anderen über unsere Rollen in der kapitalistischen Gesellschaft zu definieren, und anfangen, neue Konzepte und Lebensperspektiven zu entwickeln.

Ein Gerichtsurteil allein, was den Forst vorerst vor einer Rodung bewahrt hätte so vieles nicht gekonnt, was ihr erkämpft habt. Das Sichtbarmachen von Möglichkeiten, sich zur Wehr zu setzen, die Kompromisslosigkeit, die wir als Klimabewegung an den Tag legen müssen, wenn wir unsere Überzeugung ernst meinen, die Klarheit, dass wir nicht akzeptieren werden, dass „business as usual“ weitergeht. Die Möglichkeit für bisher unpolitische Menschen an Sonntagen im Wald Barrikadenbau zu lernen. Die schmerzhafte, aber wertvolle Lehre, dass die Polizei mit unglaublicher Willkür und Gewalt ihre Befehle durchsetzt. Und nicht zuletzt: All die Abende am Lagerfeuer und in den Baumhäusern, an denen Menschen einander vorgelesen, gesungen, gelacht, geweint und somit ein Stück weit ehrlich gelebt haben.

Anti-Atom-Aktivist*innen von contrAtom an die Aktiven im Wald

https://www.contratom.de/

Dieser Beitrag hat 16 Kommentare

  1. Frau Heinrich

    Ein herzliches DANKE an die Verfasser*in dieses großartigen Artikels!
    Als ihr vor mehr als 6 Jahren eingezogen seid, habt ihr einen weiteren Wege -Stein gelegt , den wir 50tausend nun beschreiten. Euer Handeln hat Wirkung

  2. Lars

    Das geht runter wie Butter und kann es durch praktische Erfahrung nur bestätigen.
    Durch brav den Herrschenden zu folgen, hätte ich nichts Gutes erreicht.
    Alle vier Jahre ein ein Kreuzchen setzten finden leider die Meisten noch Demokratie und berauben sich damit ihrer Freiheit und die der Anderen.
    Seit stark und setzt Euch mit ganzer Kraft für eine bessere Welt ein.
    Hirngewaschene gibt es schon genug in diesem Land!!!

  3. Baumfreundin

    Entschuldigung, aber in der Türkei der heutigen Tage hätte es weder den Erfolg von Wackersdorf, noch den vom Hambacher Forst gegeben.

    Und warum?

    Weil es in der Türkei keine unabhängige Gerichtsbarkeit gibt! Heute weniger denn je!

    Diese Erfolge der Vergangenheit und der Gegenwart in Deutschland wären ohne eine unabhängige Gerichtsbarkeit nicht denkbar.

    Und diese ist wesentlicher Pfeiler unserer freiheitlich-demoktratischen Grundordnung, die wir immer noch haben, aller schrecklichen und unverhältnismäßigen Polizeigewalt zum Trotz und trotz aller Versuche von Lobbyisten, die Politiker in deren Interesse zu lenken.

    Wenn es also diese Gerichtsurteile gegeben hat, die Streitigkeiten beendet haben, dann natürlich auch deshalb, weil es Richter gibt, die überhaupt in der Lage sind, nach ihrer Überzeugung von Recht und Gesetz zu entscheiden.

    Die nicht um ihren Posten oder gar ihre Freiheit fürchten müssen, wenn sie eine Entscheidung treffen, die gerade nicht im Sinne der aktuellen Regierung ist.

    Und so ein Richter, so eine Richterin, ist natürlich auch ein Mensch und Teil der Gesellschaft. Er oder sie liest auch die Zeitung und nimmt wahr, wie sich das Rechtsempfinden der Bevölkerung entwickelt. Dennoch geht es darum, Recht und Gesetz anzuwenden und zu seiner Geltung zu verhelfen.

    Und ich meine: Wenn hier schon immer Recht und Gesetz korrekt angewendet worden wären, dann hätte der Hambacher Forst schon seit der Zeit, als die FFH-Richtlinie erlassen wurde, in Frieden stehen bleiben dürfen.

    Es bedurfte aber erst des Verbandsklagerechts der Umweltverbände, das zeitlich später festgelegt wurde und der Klage und der vielen Anstrengungen des BUND NRW und ja, ganz sehr, dem unglaublichen und vielfältigen Engagement der Baumbesetzer und der anderen Umweltaktivisten, um hier Öffentlichkeit und Bewusstsein für die Problematik herzustellen.

    Vielleicht hätte der BUND NRW den Hambacher Forst gar nicht auf seine Agenda gesetzt, wenn es das bürgerliche Engagement seit den 70er Jahren nicht gegeben hätte. Und vielleicht hätte er ohne Eure Baumhäuser und Eure Anstrengungen und Erfolge weniger Energie da hinein gegeben. Völlig richtig.

    Aber ohne unabhängige Gerichtsbarkeit in diesem Land hätte sich keiner von den vielen Engagierten auf den langen Weg machen brauchen.

    Denn weil wir unabhängige Gerichtsbarkeit haben,

    hat unser Ziel, eine lebenswerte Zukunft in Deutschland und auf dem Planeten Erde zu beginnen,

    überhaupt eine Chance.

    Denkt mal darüber nach. Ihr seid unglaublich toll – solange ihr gewaltfrei bleibt – aber bei Erdogan oder im Brasilien heutiger Zeit hätten wir es doch noch unendlich viel schwerer und wäre der Hambi schon weg.

    Und viele von Euch wären für immer im Gefängnis und unter noch viel schlimmeren Bedingungen und vielleicht wären einige von Euch schon nicht mehr am Leben.

    Die Politiker der Regierung und die Interessenvertreter der Großkonzerne halten sich auch im Angesicht des Umstandes, dass wir unabhängige Gerichte und eine bunte Online-Medienlandschaft haben, im Zaum.

    1. Lars

      Liebe Baumfreundin,ich finde unabhängige Gerichtsbarkeit gibt es gar nicht.

      Richter können im Rahmen der Gesetze unabängig entscheiden.
      Die Gesetze aber werden von der Politik erlassen.
      Passt dieser die Entscheidung der Richter nicht, werden Gesetze angepasst und die Richter eingeschränkt.

      In unserer sog. Demokratie ist das ein jahrelanger Prozess.
      Man siehe nur das Polizeigesetz.
      Dieses ist das schnellste Mittel der Politik.
      In zehn Jahren werden Proteste wie von EndeGelände gar nicht mehr stattfinden können.
      Ist der Politik viel zu gefährlich.

      Deinem letzten Absatz kann ich leider nicht zustimmen.

      Man siehe die täglichen Skandale in Politik und Wirtschaft.
      Die nemen die Gerichte immer weniger ernst.
      Im Schuldfall zahlt man eben oder schlichtet den Streit und nach kurzer Zeit hat die Masse alles vergessen.

      Die Menschen werden ja gerade durch die sog. sozialen Medien von Skandalen überschüttet und finden diese fast schon Normalität.

      1. Baumfreundin

        Was die Änderungen der Polizeiaufgabengesetze betrifft, bzw. die beabsichtigte Verschärfung dieser:

        Wenn ein Gesetz gegen die Verfassung verstößt, indem es den Behörden ermöglicht, auf unverhältnismäßige Weise bzw. eklatant unverhältnismäßige Weise in Rechte der Bürger*innen einzugreifen, dann ist es verfassungswidrig.

        Und wenn es damit den Kern der freiheitlichen – demokratischen Grundordnung verletzt – und ich meine, wo Körperverletzungen durch Polizisten rechtlich erlaubt werden, die zur Erreichung des Zweckes entweder nicht erforderlich sind oder aber in einem völlig Missverhältnis zum zu erreichenden Zweck stehen, ist das der Fall –

        dann greift das Widerstandsrecht.

        Widerstandsrecht?

        Genau. Unsere eigene Verfassung gibt uns ein Widerstandsrecht.

        Artikel 20 Abs. 3 und 4 des Grundgesetzes:

        „(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden. (4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“

        Ich würde mir von knochenbrechenden Polizisten nichts gefallen lassen. Und von Polizisten, die Journalisten bei deren Arbeit festnehmen, sie ihrer Freiheit berauben, sie entwürdigend behandeln und ihnen die Kameras wegnehmen (und nicht wieder zurückgeben), ebenso wenig.

        Meiner Ansicht nach ist die verfassungsmäßige Ordnung in Gefahr, weil die Behörden NRWs meinen, Gewalt anwenden zu dürfen, wie es ihnen passt und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einfach ignorieren.

        Das ist der echte Skandal.

        Aber scheinbar sind wir alle – einschließlich der Mainstream-Medien – schon so daran gewöhnt, dass kaum eine/r darüber schreibt.

    2. Rebekka Knoch

      Dem stimme ich aus ganzem Herzen zu.
      Ich bin dankbar für all das, was ich in der Support-Gruppe erleben darf,
      aber ein bisschen weniger Gewalt wäre auch schön, weil ihr mir gewaltfrei noch viel besser gefallt!

    3. contrAtom

      Zur Unabhängigkeit und Neutralität von Gerichten vielleicht auch mal diese Erfahrung, dass Urteile gegen Aktivist*innen oft schon schon vor Verhandlungsbeginn feststehen: https://nirgendwo.info/blog/2018/10/29/anti-atom-prozess-am-ag-hh-harburg-urteilsentwurf-existiert-vor-prozessbeginn/

      Wichtig ist doch nicht, was legal ist, sondern was richtig und angemessen ist in unserer spezifischen Situation (unabhängig davon wer es als gewaltfrei einstuft oder nicht).

      Ohne legitimieren zu wollen, was in der Türkei passiert, war es nicht die Türkei, sondern Bayern, wo ein Gesetz beschlossen wurde, was es ermöglicht Menschen ohne Vorwurf und Anklage für immer einzusperren.

  4. Waldfrieden

    Also liebe Baumfreundin,

    dein Engagement und deine vielen guten Argumente in allen Ehren, aber dein Weltbild bzgl. unabhängiger Gerichtsbarkeit/ unabhängige Gerichte sowie bunter Medienlandschaft scheint doch sehr von Erfahrungsmangel geprägt oder vllt. auch dem Umstand geschuldet zu sein, keinE Nestbeschmutzer*in (als Jurstin lt. eigenen Angaben) sein zu wollen.

    Zwischen dem, was eigentlich sein sollte/ müsste und was defacto systembedingt IST, sollte Mensch schon unterscheiden und zugestehen können! Dass unangenehme Erkenntnisse und Wahrheiten nicht gerne zur Kenntnis genommen werden, ist für mich zwar verständlich, rechtfertigt aber in keinster Weise, solcherlei Mißstände herunterzuspielen oder gar komplett auszublenden/zu verdrängen!

    Wie folgende Nachricht zeigt, ist Erkenntnis und daraus erwachsendes Handeln auch nicht altersabhängig, was ich einerseits als Inspiration empfinde, aber andererseits auch als beschämend, dass so junge Menschen auf diese mutige, entschlossene und überzeugte Art und Weise zum Hoffnungsträger*in unserer Welt werden (MÜSSEN)…

    https://utopia.de/15-jaehrige-schwaenzte-wochenlang-schule-fuer-das-klima-rede-in-helsinki-110410/?utm_source=Interessenten&utm_campaign=78d3dc8c68-Newsletter_Do_18KW44&utm_medium=email&utm_term=0_af58dac727-78d3dc8c68-264288417

  5. Waldfrieden

    Sorry, sollte natürlich Juristin heißen 😉

    1. Baumfreundin

      Liebe/r Waldfrieden,

      ich habe mir gerade den Link angeschaut.

      Und ja, es stimmt: Es scheint, als würden die Erwachsenen auf die Zukunft der Kinder scheißen, v.a. diejenigen, die an ihren alten Gewohnheiten festhalten und einfach nichts ändern wollen, Hauptsache, sie selbst haben noch eine Rente und ein bequemes Leben.

      Und ja, es stimmt auch, dass die Baumbesetzer/innen diejenigen sind, die hier unter den größten Entbehrungen und den schlimmsten Repressionen leiden müssen, während wir, auch die Jurist*innen, im Warmen sitzen, ihre Jobs und ihr Geld haben und jede Woche ganz einfach im Supermarkt einkaufen können (noch … aber das will ich hier jetzt nicht vertiefen), anstatt klauen zu müssen und auf Lebensmittelspenden angewiesen zu sein.

      Ich finde es furchtbar, dass jetzt wieder Baumhäuser geräumt werden sollen. Das muss einfach rechtswidrig sein. Denn schließlich ist das Ziel nicht, irgendwelche Straftaten oder bauliche Gefahren abzuwenden, sondern: den Wald als Beweismittel Stück für Stück zu zerstören.

      Zeit für eine neue Petition, Zeit um aufzustehen und die Machenschaften RWEs in Verquickung mit der NRW-Regierung anzuprangern:

      Sie wollen die Beweislage zerstören. Sie wollen den Wald zerstören, weil sie hoffen, damit den Verwaltungsprozess am Ende zu gewinnen.

      Es geht nicht um die Baumhäuser. Es geht um die Zerstörung des Waldes.

      Ich muss nicht frierend die Nacht in einem Baumhaus verbracht haben, um am nächsten Tag einen Bagger besetzen zu gehen.

      Ich kann mich auch sonstwie mit anderen dazu verabreden. Das geht außerhalb des Waldes noch viel besser.

      Die Baumbesetzer sind die Waldhüter. Sie wollen die Flora und Fauna schützen.

      Es wird Zeit, dass die Gesellschaft und vor allem die zuständigen Behörden und Gerichte das endlich begreifen.

      Anstatt weiter auf die Zukunft unserer Kinder zu scheißen.

  6. Baumfreundin

    War gerade in bisschen emotional. In der Tat gibt es jetzt schon sehr viele Menschen, auch bei Behörden und vor allem bei den Gerichten, die sehr wohl an die Zukunft unserer Kinder denken.

    Ich bin weiterhin für Friedfertigkeit und Gewaltfreiheit. Ich bin für Legalität – auf allen Seiten.

    Dann bekommen wir unsere Zukunft nämlich auf friedliche Weise in die richtige Bahn und müssen uns nicht auf irgendwelche Eskalationen einlassen.

    Hier ist eine aktuelle Petition zum Erhalt des Hambacher Waldes und dessen Schutz vor Beeinträchtigungen jeglicher Art:

    https://weact.campact.de/petitions/sofortige-anordnung-eines-raumungsstopps-im-hambacher-wald-beweislage-schutzen

    1. Lars

      Emotionale Menschen tun mir immer gut, Baumfreundin!
      Und….legal ist natürlich immer am Besten!
      Ich habe dann die Petition auch gleich unterschrieben und werde sie auf Twitter teilen.
      Danke Dir 🙂

  7. Waldfrieden

    Wer für dieses schreckliche Unglück ursächlich alleinige Verantwortung trägt, ist mehr als nachvollziehbar:

    Ohne den völlig unangemessenen brutalen Einsatz der Hundertschaft(en) und den dadurch erzeugten enormen Stress und Handlungsdruck u.a. auf Presse etc., möglichst vieles zu dokumentieren und aufzuzeichnen, würde Steffen sicher noch
    leben.

    6 Jahre lang gab es im Hambi weder Tote noch stürzten irgendwelche Baumhäuser zusammen oder brannten ab.
    Unglaublich, wie vernagelt und mit welchem Tunnelblick etliche Menschen unterwegs sind…

    https://twitter.com/ParkPilger/status/1058692293308399616

  8. Baumfreundin

    Also um es noch einmal klar zu stellen: Alle haben die Rodung gestoppt, die sich hier engagiert haben.

    6 Jahre Baumbesetzung haben überhaupt erst dazu geführt, die Öffentlichkeit wachzurütteln und vom Sofa wegzubringen!

    Aber ohne unabhängige Gerichtsbarkeit wäret Ihr vielleicht wie Tontauben von den Bäumen heruntergeschossen worden … in einem Land ohne unabhängige Gerichte gerät die Polizeigewalt außer Rand und Band, und zwar noch viel schlimmer als gegenwärtig, obwohl mensch sich das vielleicht kaum vorstellen kann oder möchte.

    Es wird Zeit, dass sich die Gerichte endlich auch mit der unverhältnismäßigen gegenwärtigen Polizeigewalt befassen.

    Dass gegen unverhältnismäßiges Polizeihandeln derzeit praktisch kein Rechtsweg besteht – weil es keine entsprechende neutrale Aufnahme der Strafanzeigen gegen Polizisten gibt und auch nicht gewährleistet ist, dass es eine Sachverhaltsaufklärung und angemessene Anklage gibt – ist eigentlich ein Fall fürs Bundesverfassungsgericht.

    Genauso wie die Fälle, wo RWE jetzt Häuser abreißen will, anstatt den Rückübertragungsanspruch der enteigneten Eigentümer zu respektieren, den diese haben werden, wenn NRW und RWE den Verwaltungsgerichtsprozess im Jahr 2020 verlieren.

    Es ist nämlich eklatant unverhältnismäßig, Zerstörungen anzurichten, die jetzt noch nicht erforderlich sind für die Braunkohleförderung und bei denen nicht sicher ist, ob sie in Zukunft überhaupt erforderlich sein werden.

    Die Verhältnismäßigkeit des Verwaltungshandelns ist ein Verfassungsgrundsatz!

    Wo immer die Behörden ein Handeln ausüben oder unterstützen, welches unverhältnismäßig in die Rechte der Bürger*innen eingreift, dort wird das Grundrecht der Menschen auf allgemeine Handlungsfreiheit verletzt.

    In Betracht kommt auch eine Verletzung des Eigentumsgrundrechts der Enteigneten (hinsichtlich ihres künftigen Rückübertragungsanspruchs).

    Warum nicht gleich – im Eilverfahren – Verfassungsbeschwerden einlegen???

    Das sollten sich die Dörfler, die gerne ihre alten Häuser zurückhätten, einmal überlegen …

    Wozu gibt es Rechtsanwälte und Rechtsschutzversicherungen?

    1. anonym

      Das Gerichte nach politischer Lage entscheiden, lässt sich auch aus einem Urteil von 2007 erkennen, bei dem Braunkohleabbau erlaubt wurde, obwohl dadurch Umwelt zerstört wurde:
      http://www.naturschutzrecht.eu/ovg-berlin-brandenburg-beschluss-v-572007-ovg-2-s-2507-lakomaer-teiche/

      Es gibt doch Menschen, die jahrzehntelang gegen die Enteignungen klagen, teilweise bis zum Bundesverfassungsgericht, das ist keine neue Erfindung – nur immer erfolglos.

      Gerichtsverfahren sind vielleicht ein Baustein zu einem vielfältigen Widerstand, aber als einziges völlig isoliert und wirkungslos. Und wir sollten dabei nicht den Fehler machen, auf Gerichte zu vertrauen. Welchen Grund haben wir denen zu vertrauen, die uns und unsere Freund*innen in den Knast sperren, Polizeigewalt schützen und immer wieder auch Umweltzerstörungen durchsetzen um den Kapitalismus zu erhalten? Keinen!

      Deshalb: Verlasst euch nicht auf Gerichte, sondern legt selbst Hand an!

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