Immer wieder werden Aufzeichnungen, Ausschnitte aus Tagebüchern oder was sonst so geht auf diesem Blog veröffentlicht. Sie ermöglichen einen Einblick in das Leben in den Baumhäusern des Hambacher Waldes.
Ausschnitt aus den Aufzeichnungen eines BaumbesetzA
11.10.2016 / Oaktown / Hambacher Forst…. leicht fällt der Regen auf das Foliendach. Die Luftfeuchtigkeit außerhalb der Hütte ist hoch. Der Geruch von frisch gemahlenem zapatistischem Kaffee liegt kräftig in der Luft. Ich sitze an einem selbst gebauten Holzofen, angelehnt an den Hauptstamm des Baumes, vor mir ein Stück Papier. Seine Zeilen füllen sich erst mit Buchstaben, die zu Wörtern werden und aus denen ganze Sätze entstehen.
Ich befinde mich ungefähr 12m über dem Boden des Hambacher Waldes. Die Hütte ist um den Stamm gebaut. Die in alle vier Himmelsrichtungen ausgerichteten Fenster ermöglichen mir einen eindrucksvollen Blick auf den Wald. Ich lausche klassische Musik, die aus einem kleinen Radio läuft, den Espresso schlürfend.
Ich habe den Baum, eine Eiche, deren Behausung Floki genannt wird, seit 5 Tagen nicht wirklich verlassen. Eine kleine Unaufmerksamkeit bei einem Waldspaziergang brachte mir eine Verletzung.
Hin und her gerissen zwischen dem was ich körperlich kann und dem was einfach nicht geht.
Ich nehme mir die Zeit für jedes Detail in meinem Alltag. Bereite das Essen langsam vor und koche gerne. Auch das Eincremen, Massieren und Bandagieren meines verletzten Beines ist ein Art Ritual geworden.
Mindestens einmal am Tag kommt eine Person zu Floki, erkundigt sich nach meinem Befinden und nimmt eine Liste mit Gegenständen, die ich benötige, entgegen. Kurze Zeit später ziehe ich an einem Seil, das ich herab gelassen habe, Taschen mit Zwiebeln, Kartoffeln, Gewürzen, Öl, Batterien, Nüsse, und Obst auf die Plattform. Zusätzlich habe ich Pate_innen, die in regelmäßigen Abständen den Wald und seine Baumhäuser besuchen kommen. Sie unterstützen mich ebenfalls mit Lebensmittel und alltäglich benötigten Materialien. Das alles macht ein Leben im Baum nicht nur angenehm, sondern erst möglich. Danke. Diese Zeilen sind für euch. Wie Walter Mossmann einst besang, „Grüße an meine Radikalen Freund_innen, die brauchen wir und diese sind auch da!“.
Ich lege Holz im Ofen nach und schlürfe den letzten Rest des Espresso. Im Hintergrund vernehme ich den Lärm aus dem Tagebauvorfeld. Dieser ist seit Wochen dort morgens ab halb acht bis abends zu vernehmen. Sie zerhacken die Kronen der einst mächtigen Bäume, die der letzten Rodungssaison zum Opfer gefallen sind. Jahrhunderte werden dort in Bruchteilen von Minuten zu Kleinholz verarbeitet. Dies unter Schutz der Polizei, dem Wachpersonal, hinter Zäunen verborgen. Die Freigabe aus Düsseldorf kommend, von Politiker_innen in Berlin angeordnet. Der Hunger nach Energie treibt diese Maschinerie an. Ein Gedanke, eingebettet in Firmen und Konzern. Ausgeführt durch Tausenden an Arbeiter_innen. Stellvertretend für eine auf Gewinn orientierte Gesellschaft. Der Profit und Wohlstand von einer Stechuhr bestätigt.
Der Lärm von Maschinen, Kettensägen und dem Polizeihelikopter bestimmen meinen Schreibstil. Ohnmacht, sich diesem in den Weg zu stellen.
Ich wechsele meine Position und fange an, das Mittagessen vorzubereiten.
Aus Gemüse von Bäuer_innen, Anwohner_innen und dem Garten aus der WAA . Aus der Region.
Hier oben sitzend. Den Waldspaziergängern zuwinkend. Einen Baum besetzend.
Weitere Interessante Texte:
Habe gerade im Magazin der Süddeutschen über euch gelesen. Wärmste Grüße aus Freiburg … lasst euch nicht unterkriegen…wir allen brauchen den Wald.
Edit: Du meinst https://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/45172/Sherwood-Forest-im-Rheinland ?
Danke und liebe grüße zurück!