Tierfreie Ernährung? Klar! Aber warum?

Wie schon öfters, enthält auch dieser Beitrag eine Meinung, die nicht unbedingt von allen geteilt wird. Wie immer zeigt das, wie gerade Vielfalt Diskussionen befeuern kann.

 
Die älteren unter uns wissen es vielleicht noch: die Grünen hatten mal den Vorschlag, einmal in der Woche in öffentlichen Kantinen einen Veggietag einzurichten. Alles ganz lieb und ohne Verpflichtung. Das haben sie aber gewusst! Sie haben sich bis heute nicht von diesem Schock erholt. In dem nun folgenden Shitstorm wurde besonders der Begriff Verbotspartei sehr häufig verwendet und die Grünen sind noch unverbindlicher geworden, bis auf einige erfreuliche Ausnahmen.
Dabei gehört es doch inzwischen zum Allgemeinwissen, dass der Fleischkonsum und die Tierfutterproduktion mit die größten Umweltbelastungen verursachen. Fleischsüchtige witzeln in den social Media „Die Veganer fressen meinem Futter das Futter weg!“ Das allein zeigt schon, dass alle es wissen: Eigentlich ist das Umgekehrte der Fall. Sie selbst fressen den Armen und sogar dem Planeten die Lebensgrundlagen auf.
Die Klimagase der Rinder selbst, die Überdüngung mit Gülle, die Fütterung mit Soja etc. sind schädlicher als der Verkehr (https://www.br.de/klimawandel/kuh-kuehe-rind-rinder-methan-klima-landwirtschaft-treibhausgase-100.html), die Abholzung vieler großen Waldflächen wie im Amazonasgebiet geschehen zu Gunsten der Viehzucht oder des Futtermittelanbaus. Diese Waldflächen binden nicht nur CO2 sondern auch Energie. Wälder kühlen die Erde. Der massenhafte Genuss von tierischer Nahrung in den reichen Länder zerstört so die Lebensgrundlagen der Menschen und der gesamten Natur nicht nur im globalen Süden, sondern dadurch auch bei uns. Das wird noch dadurch weiter angeheizt, dass etwa die Hälfte der produzierten Nahrungsmittel nicht in den Magen eines Menschen gelangen, sondern auf den Müll. Wie wir von allen Seiten hören, ist das ökonomischer, ökologischer und moralischer Unfug. Aber es ändert sich nichts.
So könnte ich noch eine Weile weiter schreiben, aber all das ist ja weithin bekannt, ich erinnere nur daran. Diese Art von Konsumieren zerstört den Ast auf dem wir sitzen.
So weit zu den „vernünftigen“ Gründen dafür, den Konsum von tierischer Nahrung zumindest stark einzuschränken oder gar zu stoppen. Darüber gibt es auch unter denen, die den Hambi retten wollen, weitgehende Einigkeit.

Weit emotionaler diskutiert werden die moralischen Gründe. Sie reichen vom Unfug der tierquälerischen Haltung bis zur grundsätzlichen Infragestellung des Rechtes auf Töten eines fühlenden Wesens. Wie zum Beispiel bei einer Aktion am Dürener Schlachthof vor Kurzem.
Das verbreitetste moralische Argument gegen den Konsum tierischer Produkte ist die tierquälerische Haltung in der Agrarindustrie und die dazu gehörige tierquälerische Schlachtung. Dass diese Missstände eine Barbarei sind, finden wohl alle, denen am Hambi wirklich etwas liegt.
Aber darf man fühlende Lebewesen überhaupt töten um sich zu ernähren? Von den „Eingefleischten“ kommt darauf oft die Antwort: „Wir Menschen sind ja immer schon Sammler UND Jäger gewesen. Das ist unsere Natur.“ Das ist nur bedingt richtig. Wie die Form unseres Gebisses und unseres Verdauungskanales zeigen, sind wir tatsächlich sehr vielseitig. Wir müssen uns hier und heute nicht von anderen Tieren ernähren, wir können es. Wir könnten uns auch von Menschen ernähren, tun es aber nicht. Kühe dagegen werden krank, wenn sie zu Kannibalismus gezwungen werden. Diese Vielseitigkeit hat uns Menschen so erfolgreich gemacht, dass wir zahlreich über den ganzen Planeten verbreitet sind. Wir können auch unseren Planeten ruinieren, sollten es aber nicht.
Was sind überhaupt „fühlende Mitgeschöpfe“? Das moralische Verbot, sie zu essen, geht von der Annahme aus, dass Pflanzen nicht fühlen und dass es daher moralisch unbedenklich ist, sie zum Verzehr zu töten. Mittlerweile ist es aber wissenschaftlich erwiesen, dass Pflanzen sehr wohl fühlen und kommunizieren. Dass sie nicht nur Gefühle wie Schmerz kennen, sondern auch Solidarität, Freude und Trauer. Dass im „wood-wide-web“ genauso viel gechattet wird wie im Internet (siehe Links unten). Und wenn wir uns recht überlegen ist es ja logisch: für jedes Lebewesen sind Gefühle überlebens-wichtig um entsprechend auf Einflüsse von außen reagieren zu können. Wenn eine Pflanze von einem Käfer angeknabbert wird, spürt sie das so genau, dass sie entsprechend dieser Käferart reagieren kann, beispielsweise durch das absondern von Lockstoffen für genau die richtigen Fressfeinde. Und sie warnt die anderen Pflanzen, die dann auch diesen Stoff produzieren. Fühlende Lebewesen sind auch sie. Der Punkt ist nur, dass die Pflanzen um ein Mehrtausendfaches langsamer reagieren als wir. Die Reizübertragung erfolgt innerhalb einer Pflanze mit etwa einem Zentimeter pro Sekunde. Schön dargestellt hat Tolkien das, als er sich die Ents ausgedacht hat.
Sollten wir denn auch keine Pflanzen oder Pilze essen? Aber von irgendetwas müssen wir uns doch ernähren? Klar. Und natürlich sollen wir uns immer auch von moralischen Gesichtspunkten leiten lassen. Ich finde allerdings, dass wir unsere Moral ab und zu aktualisieren sollten, allein schon um nicht in Dogmatismus zu verfallen. Es gibt ja noch genügend andere Gründe, auf tierische Nahrung zu verzichten.
Beispiel: Für die Erzeugung von tierischer Nahrung (auch aus artgerechter Haltung) müssen wesentlich mehr Lebewesen sterben als für pflanzliche Nahrung. Für ein Sojawürstchen ist wesentlich weniger Soja vonnöten als für ein Fleischwürstchen.
Was nutzt außerdem eine tierfreundliche Haltung, wenn die Tiere quälerisch getötet werden, was ja die Regel ist? Dazu hören wir das Argument, sie hätten dann immerhin ein gutes Leben gehabt, wenn auch einen üblen Tod. Vergleichbar also mit der Hochseefischerei.

Auf die Massentierhaltung brauchen wir nicht näher einzugehen. Vielleicht sollten wir uns aber auch fragen, wie es manche schon tun, wie quälerisch ist denn die industrielle Produktion von Pflanzen? Und zwar nicht nur für die vielen Insekten und andere Tiere, die dabei sterben müssen, sondern auch für die Pflanzen selbst?
Was bleibt ist die Ernährung mit tierischer Nahrung in Gebieten, die für Landwirtschaft ungeeignet sind: Steppen in der Mongolei oder Oasen, wo Menschennahrung nicht (genügend) wachst und wohl Gras für die Tiere. Da ist für eine vegane Lebensweise wohl kein Platz und auch kein Bedarf.

Ich bin immer stärker zur Überzeugung gekommen, dass die bei den meisten Naturvölkern im laufe ihrer Jahrtausende alten Zivilisation entwickelte Haltung der Natur gegenüber immer noch gilt. Wir stehen nicht über der Natur, wir sind Teil von ihr und wir sind in immer stärkerem Maße von ihr abhängig. Sie braucht Respekt, so wie Kinder ihre Mutter respektieren. Darum spricht immer noch vieles für eine tierfreie Ernährung, auch wenn manche Gründe dafür dem Stand der Wissenschaft angepasst werden sollten. Allein schon aus Gründen der Glaubwürdigkeit.

Links:
How trees talk to each other. Untertitelter Vortrag der kanadischen Forstwissenschaftlerin Suzanne Simard. Sollten die Untertitel nicht automatisch angezeigt werden, dann klicke auf die Einstellungen rechts unten (Zahnradsymbol). Da kannst du die Sprache der Untertitel wählen.
In diesem Film erzählt sie so viel, so allgemein verständlich und doch wissenschaftlich belegt über das Funktionieren von Wäldern, dass er bei jedem Skillsharing gezeigt werden sollte.
https://www.youtube.com/watch?v=Un2yBgIAxYs

  • SWR – „Der mit dem Wald spricht“: Förster Peter Wohlleben empfängt jeweils zwei Prommis, diesmal Sarah Wiener & Guildo Horn, und geht mit ihnen zwei Tage und die Nacht dazwischen in den Wald.
    Dabei erzählt er zum Beispiel: Pflanzen haben (langsames) Gefühl, wie macht man ein Bett aus Fichtenzweigen, warum ist das Fällen von Fichten gut für die Renaturierung eines Waldes, Feuer machen ohne Feuerzeug.
    https://www.youtube.com/watch?v=rkDJfLi7Yo4

  • Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

    1. Redskin

      Kluge Ideen, aber dabei wäre es sooooooo einfach: Freiheit und weniger Geschwurbel über Mütter und Kinder und Respekt. Wir sind Tiere und Tiere essen andere Tiere und/oder Pflanzen.

      Familie ist die Keimzelle des Faschismus.

      1. Baumfreundin

        Ich habe immer gedacht, dass alle repressiven Systeme/ Menschen zuerst die Familien der anderen zerstören/ verfälschen wollen. Familie ist das beste, was es gibt, wenn es eine liebevolle und freiheitlich denkende ist … die meisten Menschen lieben ihre Kinder. Urvertrauen entsteht als erstes zwischen Kind und Eltern und ist die Basis für jegliches Selbstrauen des Individuums … also her mit den selbstbewussten Familien. Und wir sind zwar Tiere, aber wir sind nicht darauf angewiesen, andere Tiere zu essen. Also möglichst bleiben lassen, denn Tiere sind auch nur Menschen, äh, Menschen sind auch nur Tiere, äh… also was jetzt eigentlich? Her mit Mitgefühl, Verantwortungsbewusstsein und der Erweiterung unserer Empathie auf alles, was atmet und wächst (bevor es zu spät ist).

    2. Norman Ritter

      Vegan is best

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