„Und ihr glaubt wirklich, dass ihr den Wald so retten könnt?“ Früher oder später kommt sie immer, diese Frage, von Journalist*innen, Verwandten, alten Freund*innen. Bei meiner Antwort wandelt sich deren bereits kritische Miene in pures Unverständnis: denn ich glaube nicht zwingend, dass wir den Hambacher Forst bewahren können – warum also kämpfe ich weiter darum, investiere Energie und Lebenszeit, riskiere juristische Verfolgung und das Erfahren von Gewalt durch Polizei und Security-Personen?
Lasst mich versuchen, es zu erklären.
Zuallererst: natürlich würde ich den Wald gerne endgültig schützen. Ich habe mich beim ersten Betreten in dieses Stück Natur verliebt und wünsche mir insgeheim, mein Leben lang immer wieder zu diesem Ort zurückkehren zu können. Doch schon jeder einzelne Tag, an dem Besetzung und Bäume fortbestehen, verändert diese Welt zum Besseren. Und Hambi ist so viel mehr als ein Stück Land mit ein paar Pflanzen und Tieren.
Seit der ersten Besetzung im Jahr 2012 hat sich der Hambacher Forst nach und nach in ein Symbol des Braunkohlewiderstands verwandelt. Große Umweltschutzorganisationen haben ihre Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet und kämpfen mit den autonomen Aktivist*innen um seinen Erhalt. Parlamentarische Politiker*innen sehen sich mit dem Thema konfrontiert und müssen sich auch allgemein mit dem Problem Braunkohleabbau auseinandersetzen.
Viele Leute besuchen die Besetzung, für Stunden oder Monate, im Alltag oder zu Veranstaltungen wie dem Skillsharing-Camp oder der Antispeziesismus-Woche, und erlernen praktische Fähgkeiten: zum Beispiel Klettern, Pressearbeit oder das Bauen von Barrikaden oder Lock-Ons. Verschiedene Personen und Gruppen begegnen einander, vernetzen sich und arbeiten zusammen.
Der Hambi bietet Menschen die Möglichkeit, Ideen und Konzepte alternativen Zusammenlebens sowie anarchistischer Selbstorganisation zu entwickeln, auszuprobieren und weiter an ihnen zu arbeiten. Wir versuchen, Verantwortung für unser Handeln und unsere Beziehungen zu übernehmen, statt blind zu gehorchen oder sozial anerzogenen Schemata zu folgen. Wir diskutieren und formulieren Bedürfnisse. Wir scheitern und fangen einander auf.
Besucher*innen und Menschen, die das Geschehen in den Medien verfolgen, kommen aus aller Welt und drücken Faszination und Inspiration aus.
Und durch all diese Dinge erfahren zahlreiche Menschen emotionale sowie praxisorientierte Ermächtigung. Sie nehmen Erlebnisse, neue Gedanken und Fähigkeiten mit und können so im weiteren Leben Kleinigkeiten im Alltag verbessern oder Wandel in größerem Ausmaß anstoßen oder unterstützen.
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Hallo Polizei, Hallo RWE. Ihr mögt unter meinem Baum stehen, doch ihr kommt zu spät.
Der Hambacher Forst als Wald wie als Projekt trägt seit Jahren kleine Körnchen von Liebe, Zuversicht, Standhaftigkeit, Vertrauen, Widerstand und Selbstermächtigung in die Welt. Sie werden nach und nach – mal früher, mal später – aufgehen; und das, was daraus erwächst, wird Menschen und anderen Tieren Lebensraum bieten, als Früchte neue Projekte tragen und mit seinen Wurzeln Herrschaft, Kapitalismus, Zerstörung und Hass untergraben. Es geschieht jeden Tag, und dafür kämpfe ich.
Hallo RWE, hallo Polizei. Was auch immer hier in der nächsten Zeit geschehen wird: ihr habt verloren. Ihr könnt räumen und roden, mit Repression arbeiten und mit Gewalt, aber ihr könnt uns nicht brechen; und in jedem*jeder von uns lebt ein Funke dessen, was an diesem Ort entstanden ist, weiter.
ein*e Hambi
Liebe hambis
Ja es ist gut und wichtig was ihr macht. Bin auf euerer seite.
Eine die sich am grossen wandel engagiert als geistige Gärtnerin
Ein schöner Text! Danke.
Und wenn vielleicht auch dieser Wald nicht zu retten ist, so trägt die Aktion dazu bei in Zukunft andere Wälder zu retten. Leider passieren Änderungen im Bewusstsein langsam. Aber sie passieren!
Werde diesen Funken für und mit Euch weiterverbreiten. Wünsche EUCH ALLEN weiterhin viel Kraft und und friedliche Energie..bin im Herzen ganz bei Euch..eine Grossmutter und Mutter
Hallo ham*bi
Ich denke, ich weiss wer du bist und kann deine Gedanken teilen. Ich glaube und hoffe noch immer auf eine friedliche und gewaltfreie Lösung. Ich möchte dazu beitragen!
Schöner Text. Schade, dass er erst jetzt geschrieben wurde, wo Euch das Wasser bis zum Hals steht.
Aber vielleicht war die Zeit bisher auch noch nicht passend genug dafür.
Als ich zum ersten Mal einen Bericht gelesen hatte, wo ein Aktivist davon sprach, dass er seinen Protest als symbolisch (er hatte exalt dieses Wort gebraucht) ansieht, konnte ich das auch erst mal längere Zeit nicht verstehen.
Aber nach und nach ist mir schon klar geworden, dass das alleine aus Selbstschutz erforderlich ist, weil es unmöglich ist, gegen die Unvernunft, auf die man überall in großem Ausmaß trifft, anzukämpfen, ohne sich in Gefahr zu begeben, den Optimismus und eine positive Einstellung zu verlieren.
Auch bin ich der Meinung, dass der Widerstand, wenn er zu verbissen geführt worden wäre, wahrscheinlich schon längst plattgemacht worden wäre.
Für mich hat der Protest immer viele sympathische Züge gehabt.
Nachdem ich bei Euch an der Müllsammelaktion teilgenommen hatte und nachher alleine von der Tea-Time-Tipi-Barrikade an der Shit-Barrikade vorbei zum „Tunnel“ nach Goblin-Town gegangen war, musste ich schon auch deutlich schmunzeln. Wenn die Polizei Bilder veröffentlicht, wirkt das tatsächlich so, als wärt Ihr echt bescheuert. Aber vor Ort sieht das Ganze dann doch vollkommen anders aus. Danach stand ich dann vollkommen alleine am Jesus Point und konnte so gerade noch der Versuchung widerstehen, den Tripod über die heruntergelassene Strickleiter mit Holzsprossen zu erklimmen.
Ein oder zwei Wochen später konnte dieser Tripod dann mit mehreren Hundertschaften der Polizei nicht eingenommen werden.
Da hatte ich mir echt an den Kopf gefasst.
Naja, irgendwo bin ich der Meinung, dass Euch die Kriminalisierungen und die Polizeieinsätze auch geholfen haben, weil sich sonst zu viele der Besetzung angeschlossen hätten, die nicht widerständig genug gewesen wären.
Und die Polizeieinsätze haben sicher auch Euren Zusammenhalt gestärkt.
Ich finde, dass alle, die nicht die Chance genutzt haben, Euch mal im überschaubarererem Rahmen „kennenzulernen“, etwas verpasst haben. Ich fand das immer beeindruckend, dass ich mein übliches Schrittempo ganz automatisch in Eurer Gegenwart runtergefahren hatte, weil Ihr Euch auch viel gelassener bewegt und nicht wenige von Euch vielleicht weder Geld noch Ausweis, Schlüssel oder Smartphone mit sich herumtragen (alleine weil teilweise gar keine Taschen an der Kleidung vorhanden sind).
Also ich bin schon sehr froh, dass ich dreimal etwas Mut gefasst hatte und in den Wald gekommen bin.
(Ich hätte mich ja auch irgendwo ins Cafe setzen können [,ist aber nicht mein Ding].)
V. a. mal diese „Krawalltourist*innen“ aus der Nähe zu sehen hat sich echt gelohnt.
Nach der Müllsammelaktion hatte ich mit einer eine Tasse Tee getrunken (ich stand alleine an der Tea-Time-Barrikade und sie konnte schlecht einfach an mir vorbeigehen). Und darüber, wie nett UPIII ist, brauchen wir ja auch nicht zu sprechen.
Auch wenn ich sehr zuversichtlich bin, dass es nicht zu einer Räumung kommt, kann ich es auch nicht ausschließen. Und da das sicher nicht angekündigt wird und dann sicher alles abgeriegelt wird, kann ich Euch dann auch nicht helfen. Aber ich weiß, dass Ihr das auch alleine schafft.
Ich bin mir sicher, dass Ihr all die guten Erfahrungen, die Ihr im Hambi sammeln konntet, im weiteren Leben noch gut einsetzen könnt.
Sehr schöne Texte…
Ich habe auch einen. Ein Spott- und Kampflied zu singen nach der Melodie „Thälmann-Kolonne“ – auch übrigens interpretiert von dem unsäglichen Wolf Biermann…
„Hambis Forst, den wir alle schützen
ist zur Ab-holzung angezählt!
Drüben stehn schon RWE und Polizisten
drum habn wir den neuen Kampf gewählt!
Die Dummheit ist na (so nah)
doch wir sind ja da (immer da)
zu kämpfen, zu siegen für Dich
Für Hambis Le ben!“
Herzliche Grüße
Anne Bergmann (Kleiner Kunstraum in Euskirchen)
Du sprichst mir mit Deinem Brief aus dem Herzen!
@Peter: Leider steht der gesamten Menschheit das Wasser bis zum Hals, aber die meisten Menschen haben es noch nicht gemerkt.
Vielleicht kann der Protest im Hambi dazu beitragen, dass die Bevölkerung endlich wach wird.
Ich bin Lanschaftsmaler, und lebe verbunden mit der Natur an den Quellen der Ems,,Der Wald ist mein zuhause und so erleben ich ihn auch, Ich habe lange draussen gelebt und weiss was es heist ursprünglich zu leben und was man wirklich dazu braucht, diese Erfahurngen und dieses Bewustsein ist da,, jeder einzelne hat die Möglichkeit mehr Bewustheit ins leben zu bringen.Aber nichts ersetzt die Natur, den Wald als Lebensraum als einziger Lebensraum.wieviel besser und gesuender lebe ich mit dem Wald, Keine Frage alles was auf den Erhalt und das Bewustweren der Natur zielt ist richtig.Dafür alles zu geben das dieser Lebensraum erhalten bleibt ist die einzig Richtige Reaktion,es ist viel mehr als nur demonstrieren.
Hallo Leute, es ist doch ganz einfach, effektiven Widerstand zu leisten.
Kündigt doch ganz einfach heute noch alle Eure RWE-Verträge inklusive deren Tochtergesellschaften!
Schlagt sie mit ihren eigenen Waffen.
Geld gegen Geld.
Diese Sprache wird auch RWE verstehen.
Und jagt die Kündigungswelle durch die sozialen Medien.