Verschärfung des Polizeigesetzes

Update: Donnerstag, 26.4.2018 Protestkundgebung 9:30-13:30 vor dem NRW-Landtag in Düsseldorf https://www.facebook.com/NoPolGNrw/

Auch in NRW ist eine Verschärfung des Polizeigesetzes in Arbeit. CDU und FDP brachten vor kurzem einen ersten Gesetzentwurf ein. Wenn alles so läuft wie geplant, wird das neue Polizeigesetz Ende Sommer in Kraft treten. Das würde gravierende Einschränkungen unserer Grundrechte bedeuten, Aktivismus eine Menge neuer Hindernisse in den Weg stellen und geht uns deswegen alle an

Künftig sollen Menschen für bis zu einem Monat ohne Tatbestand eingesperrt werden können. Dafür reicht es, wenn du als „Gefährder“ eingestuft wirst. Als Gefährder werden Personen bezeichnet, bei denen kein konkreter Hinweis vorliegt, dass sie eine Straftat planen, aber bei denen „bestimmte Tatsachen die Annahme der Polizeibehörden rechtfertigen, dass sie Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen“ könnten. Wie diese „bestimmten Tatsachen“ aussehen bleibt unklar. Reicht es, mal im Hambacher Forst gewesen zu sein? Solidarität mit kämpfenden Kurd*innen zu bekennen? Oder hat es, wie zunehmendes racial profiling in der letzten Zeit gezeigt hat, etwas mit deiner Hautfarbe zu tun?

Gleichzeitig soll es der Polizei gestattet werden, vorbeugend Handys und andere Telekommunikationsmedien abzuhören. Zur Zeit geht das nur bei sehr schwerwiegenden Tatvorwürfen wie Totschlag, wenn andere Ermittlungsverfahren unmöglich sind und vor allem, wenn ein richterlicher Beschluss vorliegt. Dass die Polizei nun Befugnisse haben soll, die bislang nur der Inlandsgeheimdienst hatte, und die es ihr erlauben, ohne Anweisung eines Gerichtes unsere Persönlichkeitsrechte einzuschränken, ist eine alarmierende Bedrohung der Gewaltenteilung. Schutzmechanismen, die beim Schreiben der Verfassung verhindern sollten, dass die Verbrechen des Nationalsozialismus wiederholt werden, werden ausgehebelt. Verdachtsunabhängige Kontrollen und Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen sollen zum Standard werden. Zusätzlich soll die Möglichkeit geschaffen werden, Kontaktsperren und Aufenthaltsverbote präventiv zu verhängen und letztendlich mit elektronischen Fußfesseln durchzusetzten. Es scheint, als sei es mit dem Grundsatz „unschuldig bis zum Beweis der Schuld“ endgültig vorbei.

Das neue Polizeigesetz enthält auch eine direkte Antwort auf die Praxis des Personalienverweigerns, die sich in der Waldbesetzung und bei Ende Gelände als extrem hilfreich erwiesen hat. So sollen Menschen zukünftig zur Personalienfeststellung bis zu sieben Tage in Gewahrsam genommen werden können. Bisher mussten Unbekannte Personen spätestens um Mitternacht nach ihrer Festnahme freigelassen oder einer*m Haftrichter*in vorgeführt werden. Das oft unsere Personalien nicht festgestellt werden können, verhindert vor allem eine zivilrechtliche Klage von RWE. Wenn Personalien festgestellt werden können, dann werden Aktivist*innen oft dazu gezwungen, Unterlassungserklärungen zu unterzeichnen, wodurch versucht wird, weiteren Protest einzudämmen. Als Begründung für diesen neuen Abschnitt im Polizeigesetz wird unter anderem das Verweigern von Personalien auf politischen Großveranstaltungen aufgeführt.

Eine letzte Änderung des Polizeigesetzes, die Protestierende schon diese Rodungssaison betreffen könnte: die Polizei soll mit Elektroteasern ausgestattet werden, die Menschen aus zehn Metern Entfernung in die Bewusstlosigkeit befördern.

Begründet werden die neuen Reglungen mit wachsender internationalen Terrorgefahr. Wie diese Terrorgefahr aussieht, ist nicht definiert. Trotzdem behauptet NRW-Innenminister Herbert Reul, es handle sich um „ein kluges und zeitgemäßes Update des Polizeigesetzes“, das „längst überfällig“ sei. „Zeitgemäß und klug“ ist es also, Grundrechte auszuhebeln. Und „längst überfällig“, Gewaltenteilung abzubauen. Statt die Einschränkungen unserer Freiheit mit der diffusen Angstmacherei durch Terrorgefahr weiter zu zu sehen, wollen wir selbst entscheiden, in was für einer Zeit wir leben wollen. Wir wollen nicht in einer Zeit leben, in der jetzt schon Schwarze Menschen, Kurd*innen und viele Andere rassistischer Polizeigewalt ausgesetzt sind und es macht uns Angst, dass ebenjene rassistische Polizei nun mehr Befugnisse erhält und weniger Kontrolle erfährt. Wir wollen nicht in einer Zeit leben, in der neoliberale Wirtschaftsinteressen von einer zunehmend militarisierten Polizei durchgesetzt werden. Wir wollen nicht in einer Zeit leben, in der wir oder Freund*innen auf Grund von Annahmen Polizeibeamter ihrer Freiheit beraubt werden können.

Mehr denn je ist es also an der Zeit gemeinsam, kreativ und entschlossen für eine Welt zu kämpfen, die keine Kontrolle braucht.

Es ist an uns, zu verhindern, dass dieses Gesetz in Kraft tritt!

#NoPoGNRW #NoPAG

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Peter

    Toller Artikel. Schön, dass auch nochmal in dem ganzen Trubel ein politisch motivierter Artikel hier geschrieben wird.

    Sicher wird so ein Polizeigesetz nicht gemacht, damit die Polizei nicht auch Gebrauch davon machen könnte.
    Aber bisher hat die Polizei ihr gesamtes „Waffenarsenal“ gegenüber Euch auch noch nicht ausgenutzt. Ich halte das auch für realistisch, dass sich das nicht zwangsläufig ändern müsste. Ist im Zweifelsfall aber auch nur meine bescheidene Meinung.

    Mit dem Polizeigesetz bin ich aber auch alles andere als glücklich.
    Also dass jetzt irgendwie ein Zusammenhang zwischen zunehmender Überwachung und abnehmender Gewalt bestehen würde, das scheint mir nun wirklich nicht der Fall zu sein. Wenn irgendwo Überwachungskameras an Kriminalitätsschwerpunkten installiert werden, führt das zwar an den Orten zu einem Rückgang an Straftaten, aber die finden dann halt woanders statt. Und nicht einmal die Body-Cams sollen ja zu einem Rückgang der Angriffe auf die Träger*innen geführt haben.
    Auf der anderen Seite nimmt der Staat den Bürgern damit auch immer mehr Eigenverantwortung ab.
    Ich finde das schon sehr problematisch.
    Irgendwann engagiert sich ja auch keine*r mehr ehrenamtlich, meinetwegen bei den Tafeln, wenn sich dann jede*r denkt, dass das ja auch der Staat machen könnte.
    Also dass das eine lebenswertere Welt sein soll, meine ich nicht.
    Bestes Beispiel ist wahrscheinlich der Fall, wo im Vorraum einer Bank vor einem Geldautomat mehrere Personen über einen Mann, der einen Herzinfarkt erlitten hatte, gestiegen sind, bevor glaube ich der sechste Bankkunde den Notarzt gerufen hatte. Und Amok-Läufe und Mobbing nehmen ja auch stetig zu. Und eine subtilere Gewalt wie z. B. beim Mobbing muss ja nicht harmloser sein, als wenn es mal zu einer Prügelei kommt.

    Und wenn die Befugnisse des Staats immer weiter ausgedehnt werden und mal in falsche Hände kommen, dann könnte die Nazi-Zeit wirklich demgegenüber, was uns erwarten könnte, noch harmlos gewesen sein.
    Problematisch ist natürlich, dass nach jedem Terror-Akt der Ruf nach dem Staat laut wird und die Politiker*innen sich dann auch genötigt fühlen zu handeln.
    Und bei Bandenkriminalität, Drogenringen, Menschenhandel usw. gibt es auch nur sehr wenige Menschen, die gegen eine harte Verfolgung etwas einzuwenden haben.

    Wenn ich sehe, wie viele Menschen absolut gedankenlos eine „Überwachung“ ihrer Daten durch Internetkonzerne hinnehmen, dann habe ich leider nur wenig Hoffnung, dass das Polizeigesetz nicht durchkommt.

    Irgendwo sind für mich auch keine freien Wahlen mehr gegeben, wenn jede*r Wahlkandidat*in absolut gläsern sein kann, weil Google und Facebook die ganze Lebensgeschichte kennen.

  2. katja

    Ich fühle mich ein wenig in die Zeit Ende der 30 er versetzt. Diese Gesetzesänderung ist eine gute Vorlage für die AFD, falls sie wider Erwarten noch mehr Macht erlangt( damals hat auch keiner geglaubt, dass Hitler das Rennen macht). Ein Polizeistaat, ein Überwachungsstaat ist kein demokratischer,lebenswerter, freier Staat. Vielleicht sollte man da besser schon mal überlegen, wohin man auswandern kann. Mir fehlt da fast jede kampfeslust, denn für mich ist das unglaublich,und es macht mich traurig, dass das soweit gekommen ist. Wir haben scheinbar nichts aus der geschichte gelernt.

  3. Nöll

    Lest oder hört mal auf WDR 5 das Feature „Täter in Uniform – Polizeigewalt in Deutschland“ (Dok 5 – Das Feature | 22.04.2018 | 53:00 Min. https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/dok5/polizeigewalt-104.html.) Dann spätestens werdet ihr sicher sein: die Polizei soll nicht auch NOCH mehr Macht bekommen. Was den Aktiven im Wald und anderswo längst klar ist, können sich andere oft nur erst dann vorstellen, wenn sie für zehn Monate ins Krankenhaus geprügelt werden, von uniformierter Polizei. So geschah es einem türkischen Taxifahrer, der sich im vollen Vertrauen auf den Rechtsstaat an die Polizei wandte, weil sein Sohn verprügelt worden war. Eine Stunde Horror, in der gezeigt wird, dass das keine bedauerlichen Einzelfälle sind, sondern System hat. Nicht für empfindliche Nerven. Ich habe ein Download gemacht, denn wer weiß, wie lange das noch online ist.

  4. Heike

    Schärfere Gesetze haben noch nie geholfen. Politisten brauchen nicht nur eine körperliche Eignung. Auch muss die Psyche stimmen. Das wird leider bei der deutschen Polizei nur zu gern, auf Grund Nachwuchsmangel, unter den Tisch gekehrt.

Schreibe einen Kommentar