Erfahrungsbericht und kleine Anfrage im Bundestag zu Ende Gelände

Eine kleine Anfrage im Bundestag zur Aktion Ende Gelände findet sich hier.

Dieser Erfahrungsbericht einer Dänischen Aktivistin kam per Mail:

„Die Aktion:
Wie du sicher weißt, arbeitete die Aktion mit einer Vier-Finger-Taktik.
Die dänische Gruppe lief in der Grünen Gruppe mit, da diese der internationale Finger war. Die Grüne Gruppe bestand aus ca 300 Personen, sowohl Deutsche als auch internationale Gäste. Dieser Finger war der erste, der morgens das Klimalager verließ, als die Aktion anfangen sollte. Um über die Autobahn zu kommen, die zwischen dem Klimalager und dem Tagebau liegt, entschied die Grüne Gruppe sich durch einen Tunnel unter der Autobahn zu laufen. Der Tunnel war von drei Reihen Polizei (Beamte aus Wuppertal, falls das von Bedeutung ist) bewacht. Als die Aktivistengruppe mit der Polizei zusammenstieß, erlebten wir dass die Polizei mit ihren Knüppeln direkt auf die Köpfe der Leute ging. Gleichzeitig wurde hier viel Pfefferspray gegen die Demonstranten eingesetzt. Wir erlebten nicht, dass die Demonstranten anderes taten als durch die Polizeireihen zu gehen und sahen keine Demonstranten, die gegen die Polizei gewalttätig waren.

Im Tunnel wurden ungefähr 14 Personen festgenommen, während der Rest der Grünen Gruppe weiter gehen konnte. Mir fällt es schwer, die weiteren Ereignisse von da an zu beschreiben, aber werde versuchen, einige der anderen dazu zu bringen. Ich kann jedoch ein wenig darüber schreiben, wie der Rest der Gruppe von der Polizei nach der Festnahme behandelt wurde.

Festgenommene im Tunnel:
Unter den 14 Festgenommenen waren mehrere Dänen. Ein Teil wurde kurz nach der Festnahme mit aufs Revier genommen, während die restlichen drei bis vier Stunden an der Tunnelwand saßen mit den Händen in Kabelbindern auf dem Rücken. Während die Gruppe sich im Tunnel befand, wurden alle Taschen durchsucht und sie wurden leibesvisitiert. Darüber hinaus wurden Leute einzeln von anwesenden Beamten verhört. Es waren keine Dolmetscher zur Stelle, aber die Beamten sprachen Englisch. Die Beamten gaben den Festgenommenen sehr unterschiedliche Informationen. Mehrere erfuhren, dass sie Deutschland nicht verlassen könnten, falls sie keine Angaben zur Person machten, und einer erfuhr sogar, dass er in Haft bleiben müsse bis die Polizei ihn identifiziere. Andere erfuhren, dass die Polizei sie 12 Stunden festhalten könne, wenn sie ihre Identität nicht kenne. Darüber hinaus gab es Unterschiede, ob die Leute erfuhren, ob sie wegen etwas bezichtigt seien oder nicht.

Die Leute aus der Gruppe, die zuerst zum Revier gebracht wurden (alle wurden ins Revier in Aachen verfrachtet) wurden in Einzelzellen untergebracht. Darunter waren zwei Dänen die sich entschieden, Angaben zur Person zu machen. Der eine von diesen bekam die Möglichkeit zu
verschiedenen Anrufen, während dem anderen diese Möglichkeit verweigert wurde. Soweit ich weiß bekamen sie nach Anfrage zu Essen und zu Trinken und hatten die Möglichkeit, zur Toilette zu gehen. Die beiden Personen erfuhren, dass eine Bezichtigung gegen sie vorläge, aber ich glaube nicht dass sie genau wissen, wessen sie bezichtigt sind. Sie wissen noch nicht ob die Polizei tatsächlich die Anklagen verfolgt oder ob sie fallen gelassen werden.

In der Gruppe die drei bis vier Stunden im Tunnel sitzen blieb, waren auch mehrere Dänen. Keiner von ihnen machte gegenüber der Polizei Angaben zur Person. Im Tunnel gab es eine Person, die keine Kabelbinder an den Armen hatte und die die Möglichkeit hatte, den anderen Wasser anzubieten. Es gab ebenfalls die Möglichkeit, hinter einem Baum Wasser zu lassen. Auf dem Revier in Aachen wurden die Taschen aller erneut durchsucht und die Leute wurden nackt leibesvisitiert. Hiernach wurden die Leute aus dieser Gruppe in einem gemeinsamen Käfig mit Platz für ca 25 Personen untergebracht. Der Käfig war in einer großen Lagerhalle die insgesamt vier Käfige derselben Größe enthielt. Dieser Käfig war der erste in der Halle der gefüllt wurde. Während die Leute sich in den Käfigen aufhielten, gab es die Möglichkeit zur Toilette zu gehen und die Leute durften einmal telefonieren, wenn sie selbst darum baten. Darüber hinaus wurde den Leuten Essen und Trinken gegeben, wenn sie danach fragten. Leute aus dem Käfig wurden einer nach dem anderen zum Verhör gebracht, wo ihnen auch die Fingerabdrücke abgenommen wurden, einigen mit Gewalt. Beim Verhör erfuhren die Leute ihre Anklagen. Gleichzeitig bekamen sie die Kontaktinformationen eines Polizeianwalts [Staatsanwalt? Pflichtverteidiger?], der sie über den Verlauf ihrer Anzeige auf dem Laufenden halten könne, weil die Polizei nicht wusste wer sie waren. Bei den Verhören waren Dolmetscher anwesend. Im Laufe des Abends wurden die Leute einzeln aus diesem Käfig freigelassen so dass er zuletzt gegen 23 Uhr leer war.

Festgenommene danach:
Der größte Teil der Grünen Gruppe gelangte den ganzen Weg hinab in den Tagebau, wo sie von der Polizei unter aktiver Mithilfe der RWE-Wachmannschaften festgenommen wurden. Ich kann leider über das Wie keine weiteren Details geben, aber vielleicht können andere das. Die im Tagebau festgenommenen wurden im Tagebau festgehalten wo sie vier bis fünf Stunden mit Kabelbindern an den Händen saßen bevor sie weiter verfrachtet wurden.
Mehreren gelang es, die Kabelbinder abzustreifen und diese konnten die Menschen dann mit Wasser und Essen versorgen. Diese Festgenommenen wurden in Bussen ins Revier in Aachen verfrachtet. Weit der größte Teil von ihnen verweigerte Angaben zur Person. Ein kleinerer Teil von ihnen
wurde in den restlichen Käfigen in der Halle untergebracht während der größte Teil in den Bussen außerhalb des Polizeireviers sitzen blieb.
Einige der Leute, die in den Käfigen in der Halle untergebracht waren, wurden ins Verhör gerufen, aber keinem von denen, mit denen ich redete, wurden Fingerabdrücke abgenommen. Von den Leuten in den Bussen kam wohl keiner ins Verhör noch wurden Fingerabdrücke genommen. Sie wurden alle miteinander gleichzeitig gegen 23 Uhr abends freigelassen, wo die Busse sie zu verschiedenen Revieren in Aachen fuhren und sie von da aus gehen ließen.

Generelles über den Polizeieinsatz:
Unser generelles Erlebnis war, dass die Beamten die wir während der Aktion trafen, unnötig viel Gewalt einsetzten im Verhältnis dazu, dass
es keine gewalttätige Demonstration war. Darüber hinaus wirkte der Einsatz unglaublich unkoordiniert.

Die Beamten, die sich im Revier in Aachen aufhielten, waren generell hilfsbereit und entgegenkommend. Sie waren zum größten Teil aus anderen
Orten im Land einberufen und es gab verbreitete Frustration unter den Beamten darüber, wie schlecht ihr eigener Einsatz koordiniert war.
Wo sie keine örtlichen Polizisten waren, wussten sie nicht, wo etwas im Revier war oder wie die Systeme funktionierten, was den Gesamtprozess extrem verlangsamte. Die Polizisten mit denen ich selbst im Revier sprach, kamen aus Bonn.

Unmittelbar wirkt es, als sei es beliebig, wessen Personalien sie aufnehmen wollten und zu einem Zeitpunkt entschieden sie sich einfach
damit aufzuhören weil es Abend geworden war und sie keine Übernachtungsmöglichkeiten für alle 300 Personen hatten. Darüber hinaus
waren es dieselben Beamten, die den ganzen Tag auf der Arbeit gewesen waren und es waren keine Verstärkungen einberufen worden, um sie für die Nacht abzulösen.

So weit ich verstand, wurde fast ausschließlich die Grüne Gruppe festgenommen. Die übrigen Finger wurden, soweit ich es verstanden habe, im Tagebau festgehalten und zurück ins Klimalager verfrachtet. Warum, weiß ich nicht.“

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Nöll

    Hier zeigt sich wieder, wie wichtig es ist, dass auch und gerade ausländische Teilnehmer-innen an solchen Aktionen darüber informiert sind, wie die deutschen Hasen laufen. Darum erinnere ich an diesen Text, in drei Sprachen, auf dieser Site. Bitte weiter reichen:
    Warum mitspielen? Eine Erklärung zum Personalien verweigern!
    Why cooperate? A statement on the refusal to identify oneself.
    Pourquoi marcher dans cette combine ? Une déclaration sur le refus de s’identifier.

    Es sind übrigens auch die Leute vom Gelben Finger, die es bis auf den Bagger auf Ebene 2 geschafft haben, mit Bussen nach Aachen gebracht worden, bis die Busse sie auf verschiedene Bahnhöfe (bis nach Langerwehe) verteilten. In Aachen haben sie vorher stundenlang im Bus verbracht, bewacht von Polizist-inn-en die eigentlich nur nach Hause wollten. Einer sagte: „Wenn ich das sagen hätte, wären sie gar nicht hier.“ War das Anbiederei? Wer weiß. Und als er dann auf eigene Kosten aus dem Automaten eine Tüte Brötchen und was zu Trinken holte, zu wenig für alle, vielleicht aber genug für sein schlechtes Gewissen?
    Vielleicht schickt RWE das nächste Mal keine jungen Beamten mehr mit, die noch vom Rechtsstaat träumen und sich dann Fragen gefallen lassen müssen wie: „Haben Sie eigentlich Kinder?“ Nächste Mal kommen vielleicht die härteren Nüsse von der Security mit. Sie werden den Bus vielleicht heulend verlassen. Vor Selbstzweifel, warum sie immer noch keinen anderen Job haben. Aber nur Mut, Jungs. Seht euch „eure“ Aktienkurse an. Das wird euch beflügeln. Oder macht eine Nachhilfestunde im Bus! Denn eins ist sicher, eure Treue wird nicht belohnt! Die in Essen lachen sich nur kaputt über euch!

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