Quelle: https://linksunten.indymedia.org/de/node/143470
In den meisten Demo- & Blockadereadern und in vielen Gruppen (z.B. Rote Hilfe) wird es als selbstverständlich angesehen Polizei und Bundeswehr seine Personalien zu geben. Es scheint ausgeschlossen zu sein es anders zu machen.
Einige Gründe, weshalb manche Menschen dies dennoch nicht tun wird im folgenden Text erklärt, sowie Tipps und Tricks gegeben. Es wird auch um die rechtliche Situation gehen. Dieser Text beinhalten Erfahrungen von einzelnen. Viele mögen andere Erfahrungen, Eindrücke oder Meinungen dazu haben, es ist ein Ausschnitt aus einem Thema, das bis jetzt nicht sehr verbreitet ist.
Was passiert?
Wer verweigert wird normalerweise mit auf die Wache genommen und erst mal in eine Zelle gesteckt. Oft werden die Gefangenen ausgezogen. Meistens reden diverse Polizist*innen auf einen ein, bisweilen mit geschulter Taktik, manchmal recht plump und/oder beleidigend. Man kann sich sicher sein Sätze zu hören wie „Deine Freunde haben alle Personalien angegeben und sind schon draußen“, „Wir werden dich hier drinnen behalten, bis wir deinen Namen haben!“ und „Du wirst dem Haftrichter vorgeführt“. Das ist bei den allermeisten Sachen völliger Quatsch und allermeistens gelogen, das werden sie allen erzählen, die mit dir drinnen sind!
Je nach Bundesland können sie einen*n zwischen 12 und 48 Stunden festhalten, das wird aber selten eintreten, meistens ist man nach spätestens 8 Stunden draußen.
Nach einer Weile wird der*die Gefangene normalerweise ED-Behandelt. Das bedeutet, dass Fingerabdrücke, Fotos, Gewicht und besondere Merkmale aufgenommen werden oder dies zumindest versucht wird.
Es gibt zwei Möglichkeiten für die Aufnahme von Fingerabdrücken: Scanner und Tinte. Es gibt auch die Fast-ED, das bedeutet, dass zwei Finger auf einen Scanner gedrückt werden, um herauszufinden, ob die Fingerabdrücke im Polizeisystem gespeichert sind.
Davor wird man vielleicht noch befragt oder soll was unterschreiben (was beim verweigern erst recht keine gute Idee ist).
Irgendwann werden sie dich rauslassen. Weil sie nicht länger dürfen, meistens aber weil sie Platz in den Zellen brauchen oder sie einsehen, dass das eh kein Ergebnis hat.
Schau noch ob du alles abgenommene zurückgekriegt hast auch wenn du im Freudentaumel bist gleich rauszukommen.
Und du kannst die meistens sehr sicher sein, dass draußen Leute auf dich warten und dich in den Arm nehmen.
Einige Gründe
1. Vermeiden von Verfahren: Wird eine Identität nicht festgestellt, so kann es auch keine rechtlichen Konsequenzen geben. Selbst wenn die Identität im Nachhinein festgestellt wird so werden normalerweise die meisten Situationen, in denen verweigert wurde, nicht zurückverfolgt.
2. Solidarität: Viele Menschen haben einen Haftbefehl offen oder sind illegalisiert. Wenn ihre Personalien festgestellt werden wartet auf sie Abschiebung und/oder Knast.
Für die Polizei ist es viel schwerer diese Menschen zu finden, wenn sie sich mit 20 statt mit 2 Gefangenen befassen müssen.
Auch wenn deine Fingerabdrücke und Personalien bereits in den Datenbanken der Polizei vermerkt und miteinander in Verbindung gebracht sind, kann Verweigern für andere also Knast, Abschiebung und weitere Repression verhindern.
3. Psychische Unterstützung anderer Aktivistis: Für viele ist es einfacher in der Gruppe Personalien zu verweigern und mit mehreren in der Gesa zu sein als allein, selbst wenn Wände zwischen einem sind, kann man trommeln, schreien, sich auf dem Weg zu irgendwelchen Maßnahmen Energie schenken…
Wiederstand und Überlebenshilfen im Gewahrsam
Es gibt vielfältige Möglichkeiten Widerstand bei den Bullen zu leisten und sich zu beschäftigen, um die Zeit zu vertreiben. Das hat zwar nichts direkt mit der Personalienverweigerung zu tun, kann im Allgemeinen aber dabei helfen, alles kann, nichts muss…
Ein paar Anregungen, was man alles machen kann:
Eine kahle Zelle macht kreativ… das Guckloch zukleben oder zerkratzen, Wände und Türen mit Dreck, oder spitzen Gegenständen verzieren, Akrobatik üben, Matratze auf den Boden knallen, schreien, singen, trommeln, Wolfgeheul anstimmen oder einfach schlafen.
Nicht mitgehen, sondern schleifen oder tragen lassen.
Bei der ED mit den Händen wackeln und die Abdrücke verwischen, das Papier zerknüllen.
Bei Fotos Grimassen schneiden und die Augen zumachen, das Gesicht immer in die falsche Richtung drehen oder nach unten gucken. Wenn es einen Drehstuhl für die Fotos gibt kann man Kreisel spielen.
Die Tintenfinger an einer blütenweißen Bullenweste abwischen (das kann aber Sachbeschädigung sein) oder mit dem Händewaschwasser Alles und Alle nass spritzen…
Aus wunderschönen Gedanken einen Palast bauen. Draußen sind allerwahrscheinlichstens Leute, die im Herzen bei dir sind und die auf dich warten, es hilft, sich das immer vor Augen zu halten.
In jedem Fall, es gibt tausend Möglichkeiten und oft ist es das einfache Umgehen eines Gesetzes, bisweilen ohne dass die Bullen es merken was einem*einer Bertroffenen hilft – das permantente Spielen und Improvisieren mit den Situationen. Von Akten aufessen bis Gras im Auto finden und herausschmuggeln war schon alles dabei.
Was ist die rechtliche Situation?
Je nach Bundesland kann man 12-48 Stunden festgehalten werden, bis man einem Haftrichter vorgeführt muss, um länger eingesperrt zu bleiben. Das wird so ziemlich jedes Mal gedroht aber in den seltensten Fällen passiert das auch wirklich und definitiv nicht bei kleineren Sachen wie Sitzblockaden, Kontrollen, usw. Das Verweigern der Angabe der Identität an sich ist eine Ordnungswidrigkeit und kann allein nicht zu einer Untersuchungshaft führen auch wenn das gerne so erzählt wird. Selten gibt es ein Bußgeld, das beträgt dann etwa 70 Euro und setzt voraus, dass die Identität herausgefunden wird.
Das Recht einen Anwalt jederzeit anzurufen gilt trotzdem, wird aber, wie sonst auch, selten gewährt.
Wenn irgendwelche persönlichen Sachen später dabehalten werden, ist es meist sehr schwer diese ohne Personalien zurückzukriegen. In jedem Fall ist es sinnvoll auf ein Beschlagnahmungsprotokoll zu bestehen.
Manche Bullen erzählen viel, was überhaupt nicht stimmt und brechen Versprechen, bisweilen mit Erfolg. Es kann helfen sich auf Zweifel am eigenen Handeln gefasst zu machen. Diese kommen bei den meisten, denn in diesem Moment ist man den Entscheidungen der Bullen ausgeliefert. Auf lange Sicht kann es dann aber sehr frustrierend sein, wenn man seinen Namen deshalb dann wirklich angibt und dann ED-behandelt wird (was normalerweise passiert, wenn schon verweigert wurde, auch wenn das Gegenteil versprochen wurde!) und in Zukunft weiter verweigern will.
Beispiel Hambacher Forst
In der Dürener Polizeiwache sitzen oft Menschen aus dem Umfeld der Hambacher-Forst-Besetzung, die meisten verweigern im Normalfall ihre Personalien und nehmen dafür ein paar Stunden Zelle in Kauf.
Seit einiger Zeit haben sowohl die Länge der Gesa (=Gewahrsamnahme) abgenommen (von durchschnittlich ca. 8 bis auf ca. 3 Stunden) als auch die Zahl der ED-Behandlungen.
Das kann natürlich auch an anderen Dingen liegen, wie zum Beispiel einer neuen Presse-Strategie ala „Wir sind gut und die Besetzer*innen böse“, in jedem Fall scheinen die vielen Stunden und der ganze Widerstand im Angesicht von Beleidigungen, Schmerzen und Psychoterror nicht ohne Wirkung gewesen zu sein.
Wichtig!
Es ist sinnvoll sich vorher gut zu überlegen, ob man verweigert, denn wenn es einmal nicht durchgezogen wird und somit die ED (Fingerabdrücke, Fotos, etc.) und der Name in Verbindung miteinander gebracht sind, ist es eher unwahrscheinlich, dass eine Verweigerung der Personalienangabe und der ED-Behandlung ohne Indentifizierung der*des Betroffenen in Zukunft möglich ist.
Es ist wichtig permanent auf sich selbst und die anderen Gefangenen zu achten! Wenn eine*r Terz macht und ein*e Mitgefangene*r hat damit ein Problem, kann das den eigenen Leuten schaden. Das nach Möglichkeit mit den anderen Mitstreiter*innen vorher absprechen oder kurz fragen ob ein Verhalten für die anderen okay ist kann sich selbst und anderen eine Menge Stress ersparen. Das gilt nicht nur für Situationen, in denen Identitäten verweigert werden.
Wenn man sich verausgabt ist niemandem wirklich geholfen. Es ist manchmal leichter es vorher abzuwägen wie viel Widerstand man leistet und wann man „mitmacht“. Das Risiko von einer schlechten Behandlung ist da, auch wenn man keinen Widerstand leistet, die Wahrscheinlichkeit dafür ist aber höher je mehr man nervt.
Oft ist stumpfe Gewalt ein Zeichen absoluter Hilflosigkeit der Bullen.
Bereitet euch mental darauf vor, dass ihr je nachdem wie viel ihr Widerstand leistet körperliche Schmerzen, Psychogelaber und (Selbst)zweifeln ausgesetzt werden könnt.
So manche*r Polizist*in nimmt es persönlich und verkraftet es nicht, wenn der*die Gefangene „gewonnen“ hat.
Wenn die Bullen eine*n an einem Ort eh schon kennen sollte man vorher abwägen, ob es sinnvoll ist zu verweigern, wenn sie die Fingerabdrücke noch nicht haben, denn dann können sie ED und Identität verknüpfen, wenn sie einen erkennen. Dann kann man sich an anderen Orten möglicherweise keine Verfahren mehr ersparen, in dem man verweigert.
Auch wenn man nicht verweigern möchte ist es sehr schön, solidarisch mit den Verweigernden zu sein, ob man nun (mit Essen, Trinken und Musik) vor den Wache wartet und die Mitstreiter*innen empfängt, für Leute mit beschissenen Erlebnissen da zu sein versucht usw. Für einen Passt-auf-einander-auf-Widerstand ist das auch sehr wichtig! Es kann sich ziemlich heftig anfühlen aus einer Wache zu kommen und komplett alleine zu sein, gerade nach einer gemeinsamen Aktion oder Demo.
ABER…
…nur Mut! Das klingt wahrscheinlich alles ziemlich heftig. Das Verhalten von Staat und Polizei ist heftig, anstrengend und zermürbend, bisweilen traumatisierend.
Für mich ist das ein Grund dagegen zu kämpfen und so viel wie möglich zu stören.
Aus einer Extremsituation kann man aber auch unglaublich viel Kraft ziehen und oft sind es nur winzige Dinge, die man nie vergisst, die in einem auch lange danach weiterbrennen: ein kleiner gelungener Trick, ein Lächeln und ein starker Spruch auf dem Gang, ein Spruch in der Zellentür, eine Umarmung, wenn du wieder rauskommst…
In jedem Fall kann das Verweigern eine wirklich wirkungsvolle Aktion sein.
Wenn schon wieder kontrolliert wird, warum denn immer mitmachen?
Vor einer Aktion, einer Demo oder einfach mal in einer Aktions-/Bezugsgruppe darüber diskutieren, ob man das Verweigern ausprobiert, um sich oder anderen ein nerviges Verfahren, Knast oder Abschiebung zu ersparen.
Wenn du Fragen hast, besuche doch einfach mal die Hambacher Forst Besetzung oder frage in deinem Umfeld herum.
…ein Rädelsführer hauen die zu Brei, für Hundert ist kein Kittchen frei…
Mit den Tips fürs störende Verhalten im Gewahrsam hat man sehr gute Chancen, von den Bullen aufs Maul zu kriegen. Der Text appelliert an die Solidarität und ist doch selbst so unsolidarisch, die physischen Gefahren zu verschweigen, die mit so einem Verhalten verbunden sind.