10 000 Menschen nehmen an der größten Konferenz der Welt teil – genauso viele Todesopfer forderte der Taifun Haiyan letztes Wochenende vermutlich auf den Philippinen. Mit der COP19 geht das Gerangel um den Klimawandel in die nächste Runde – in einem Land, das von Kohle lebt. Und die gesamte CO2-Lobby ist vertreten – nur für Umweltschützer_Innen war kein Platz mehr.
Polen ist Gastgeberland, soll vermitteln, den notwendigen Kompromiss, der schon 2009 in Kopenhagen gescheitert war vorantreiben, die Verhandlungen am Laufen halten. Letztes Jahr, als feststand, dass die Konferenz in Warschau stattfinden würde, war die Hoffnung noch groß, zumindest die europäischen Länder könnten ein Interesse am Klimaschutz entwickeln, das im Kapitalismus immer mehr zählt als Menschenwürde und Gerechtigkeit: Profit. Durch die Reduzierung der Emissionen auf minus 25 % würde der eingeschlafene Emissionshandel wieder angekurbelt.
Ein Jahr später sind die Preise für die CO2-Zertifikate weiterhin im Keller und Polens Umweltminister Marcin Korolec hat Geldgeber geladen, die am postulierten Ziel der Konferenz den Klimawandel zumindest zu begrenzen mehr als zweifeln lassen. So gehören zu den Hauptsponsoren neben BMW und der Fluggesellschaft Emirates auch die hauptsächlich vom polnischen Staat gehaltene PGE, die gerade einem polnischen Kläger den Kohl vom Acker baggert. Er ist der letzte in seinem umgesiedelten Dorf und zahlt für die langsam zum Tagebau werdende Fläche immer noch Abgaben, denn noch gehört sie ihm.
Korolec findet die Zusammenstellung der Sponsoren gleichzeitig völlig plausibel. Diese Unternehmen hätten das größte Potential zur Einsparung von Klimagasen. Das größte Interesse daran werden sie wohl nicht haben, aber ohnehin erwartet der Umweltminister eine Niederlage im ungleichen Kampf zwischen Mensch und Natur und meint damit den Klimawandel. Um noch eins drauf zu setzen findet im Anschluss an die COP19 der Internationale Kohle- und Klimagipfel der World Coal Association am 18. und 19. November ebenfalls in Warschau statt – im Wirtschaftsministerium.
So verwundert es nicht, dass Polens Regierungschef Tusk weiter auf die Kraft der Kohle setzt – „in modernster, umweltfreundlichster Weise“. 90 % der polnischen Energieversorgung basieren auf Braun- und Steinkohle. Hunderttausende von Arbeitsplätzen hingen am Ausstieg – so viel zur Positionierung der Gewerkschaften. Die Emission von Klimagasen solle schon verringert werden, „aber nicht durch die Streichung der Kohle aus unserem Energiemix“ so Tusk weiter. Der sauberen Kohle solle die Konferenz zum Durchbruch verhelfen.
Immerhin könnten die neuen Kraftwerke einen Wirkungsgrad von 45% erreichen. Ob diese Argumentationslinie auch bei sowas wie Gummistiefeln ziehen würde? Ein vergleichbarer Wirkungsgrad machte Gummistiefel quasi obsolet. Dies ist jedoch irrelevant – für diejenigen, die trockene Füße im sicheren Rettungsboot haben (vermutlich alle Länder des globalen Nordens) und für die, denen das Wasser bis zum Hals steht allemal.
Zu letzteren gehört wohl auch Yeb Sano – im grausam wahren Sinne des Wortes. Der Delegierte der Philippinen befindet sich seit Beginn der Konferenz im Hungerstreik, bis eine bedeutsame Einigung erzielt würde. Es sei Wahnsinn, dass eine 30. oder 40. Klimakonferenz nötig sein soll, um das Problem des Klimawandels zu lösen. Jeder Klimakonferenz ihre Klimakatastrophe: Letztes Wochenende fegte Taifun Haiyan mehrere Tausend Menschen in den Tod. Letztes Jahr in Runde 18 waren es „nur“ 1 000 – ebenfalls auf den Philippinen, auch ein Taifun, allerdings mit anderem Namen. „Wir weigern uns zu akzeptieren, dass unser Leben darin bestehen soll, vor Monsterstürmen zu fliehen, unsere Familien in Sicherheit zu bringen, Zerstörung und Not zu erleiden und unsere Toten zählen zu müssen“, erklärte Sano zum Auftakt am Montag. Wieviele der Delegierten aus 194 Ländern auf seiner Seite sind, wird sich zeigen.
Außerhalb der Konferenz gibt es bisher nur Berichte von Protesten durch Greenpeace. Ob das wohl daran liegt, dass die Akkreditierungen internationaler Umweltorganisationen um fast 80 % reduziert wurden? Von den unabhängigen Berichterstatter_Innen ganz zu schweigen. Oder liegt es vielleicht am Sicherheitskonzept der Konferenz, die ihren eigenen Sicherheitsbeauftragten hat. Marcin George kündigte Stichprobenartige Kontrollen an allen 126 Grenzübergängen, sowie sämtlichen Flughäfen, an um Krawallmachern aus dem Ausland, wie sie die Tagesschau nennt, schon die Anreise zu erschweren. So streng wie vor dem Schengenabkommen solle es nicht werden, aber wer da stichprobenartig kontrolliert wird bedarf wohl keiner näheren Erläuterung. Und der Sprecher der Polizei verkündet stolz: „“Wir werden die Warschauer Polizisten mit Ordnungskräften aus dem ganzen Land unterstützen. Wir bereiten schon seit langem eine sehr große Polizeiaktion vor, die alle Bereiche einschließt.“
Wer also die deutsche Tagespresse zum COP19 verfolgt erfährt einiges über Missstände und Probleme dieses bösen Kohlenachbarn. Dass es sich in Deutschland auf Länderebene auch eine angeblich Grüne Partei erlauben kann die Kohleindustrie weiterhin zu unterstützen und Frau Merkel geflissentlich die angedachten strengeren CO2-Grenzwerte für die Automobilindustrie blockiert, wird selten erwähnt. Leichtfüßig wird hier vom Fünftgrößten Klimagas-Emittent in Polen gesprochen. Dass der größte hier in Deutschland angesiedelt ist und die CO2-Emissionen auch hier wieder und weiter ansteigen tritt praktischerweise in den Hintergrund.
Bleibt zu hoffen, dass es viele trotz des angekündigten Polizeiaufgebots schaffen werden, mit direkten Aktionen ein klares Zeichen gegen die herrschende Einigkeit von Wirtschaft und Politik zu setzen, denn Klimagerechtigkeit bleibt nach wie vor und mehr denn je Handarbeit.
der artikel ist bisschen zu polemisch, wie ich finde.
aber sonst inhaltlich gut.
Hallo zu jojo,
wir leben alle unter dem selben Himmel,
haben aber nicht alle den gleichen Horizont!
Hallo, zu jojo,
wir leben alle unter dem selben Himmel,
haben aber nicht alle den gleichen Horizont!
Mehr als dass die Untergebenen den Quatsch ihrer Bosse nachplappern ist dort offensichtlich nicht passiert. Die Veranstaltung entpuppte sich als kommandowirtschaftlicher kapitalistischer Karneval ohne Nutzlast.