Resümee HambiBatsActionGroup

Alle Baumhöhlen sind wieder offen!

Ein persönlicher Bericht von Christiane, 19. November 2018

5 Wochen intensiven Engagements fürs Baumhöhlen Öffnen liegen hinter uns – jetzt ist das Ziel erreicht!

Ein RIESENGROSSES DANKE an alle, die mit Herz und Hand dabei waren: Aktivisten, Freunde, Besucher, Biologen. Alle haben dazu beigetragen, Fledermäusen, Vögeln und Haselmäusen wieder mehr Lebensraum zu schenken und den Hambi lebendiger zu machen.

Für mich, Christiane, Mitgründerin der HambiBatsActionGroup, ein guter Grund für ein persönliches Resümee.

Anfänge: Einfach Baumhöhlen öffnen

Alles begann Anfang Oktober nach dem Rodungsstopp

  • mit der Frage: Was können wir tun für den Hambi? Was ist dringend?
  • Und dem Gedanken: Ohne die Bechsteinfledermaus kein rechtlicher Einwand gegen die Rodung.
  • Dem Fakt: in der gesamten nördlichen Hälfte des Waldes sind bei über 500 Bäumen die Höhlen mit Plastikfolie verschlossen. Lebensraum für Fledermäusen und Vögel.
  • Und unserer Konsequenz: Wir öffnen so schnell wie möglich diese Höhlen für die Tiere. So bleiben die guten Gründe zur Erhaltung des Waldes bestehen.

Gesagt – getan: Drei Menschen begannen mit der Organisation unter typisch hambianischen Bedingungen: erst einmal ahnungslos mit viel Enthusiasmus, im Spannungsfeld zwischen Chaos, Strukturfindung, autonomer Selbstorganisation mit ständig wechselnden Akteuren, dem Ringen um mehr Information, mehr Überblick, kontinuierliche Unterstützung.

Unterstützung kam tatsächlich von allen Seiten in überwältigendem Ausmaß: Aktivisti, für die eigentlich das Errichten neuer Baumhäuser zentrales Anliegen war, legten ihr Werkzeug beiseite und kletterten auf viele Höhlenbäume. Die, die nicht klettern konnten, warfen die Steinsocken für die Seile, machten Notizen, Fotos und halfen bei der Dokumentation. Kletterer aus der Umgebung, aus In- und Ausland kamen angereist, um beim Höhlenöffnen mitzuwirken. Ein Informatiker erstellte eine Datenbank zur Kartierung. Biologen und Hobby-Biologen boten Rat und Tat an.

Für mich waren die Menschen sehr beeindruckend: so verschieden, individuell und eigenwillig sie waren, alle zeichneten sich durch große Hilfsbereitschaft, Offenheit und Engagement aus. Mir begegnete so viel Echtsein, Besonnenheit, Reflektiertheit, Leidenschaft und Herz; viele Gesichter, Gespräche, Taten bleiben mir mit großer Freude in Erinnerung. Der Hambi zieht wohl die Idealisten in Scharen an, oder lockt aus vielen das Beste heraus.

Soweit die geradezu unwirklich anmutende Idylle an bemerkenswerten Menschen, die mit uns viele Wochen ein gemeinsames Ziel verwirklichten.

Schwierigkeiten: “RWE-Biologen” und Gerüchte

Dunkle Schatten warfen auf unsere Aktion dann die Gerüchte von toten Fledermäusen, die gefunden worden seien. Wir suchten die Quellen, suchten Beweise, fanden aber nichts Konkretes. Dennoch tauchten immer wieder Todfundmeldungen bei Twitter auf, die nicht von uns stammten.

Allerdings wiesen einige Folien, die wir beim Höhlenöffnen entfernten, Hackspuren auf, die uns misstrauisch machten. Hatten die Biologen beim Verschließen Fehler gemacht? Gab es vielleicht doch noch Todfunde zu entdecken?

Eine Person unserer Gruppe verfügte über ein Foto eines toten Vogels, wollte aber alle möglichen Beweise für eine eventuelle Klage zurück halten und warnte vor Transparenz und Veröffentlichungen.

Schließlich kamen die ITN-Biologen, die die Höhlen verschlossen hatten, zu einem Vorgespräch, das sich als schwierig erwies, denn die Biologen wollten schnell, effizient, sicher und ungestört ihre Arbeit durchziehen, wohingegen wir Vertuschung befürchteten und die Kontrolle über die Öfnnungen behalten wollten. Das kollidierte mit Sicherheitsbestimmungen; beide Seiten zogen klare unvereinbare Fronten.

Offen blieben aber auch die Fragen:

  • Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit von Todfunden?
    War es für den Wald doch das Beste, die Höhlen so schnell wie möglich zu öffnen?
  • Würden wir das alleine – langsam über viele Monate oder teuer mit bezahlten Kletterteams – überhaupt schaffen, bei über 500 Bäumen?
  • Wie könnten wir das Öffnen der Biologen kontrollieren?
  • Und musste der Einsatz des Hubsteigers sein? Wie groß waren Nutzen und Schaden?

Dann kam Montag, der 5. November:

Vier ITN-Biologen mit vier Kletterprofis und dem Institutsleiter, dazu Dirk Jansen und Thomas Krämerkämper vom BUND auf der einen und ein Dutzend Aktivisti auf der anderen Seite. Positionen und Forderungen wurden ausgetauscht und beide Seiten berieten sich.

Die Biologen machten auf uns alle einen gewissenhaften und glaubwürdigen Eindruck in ihrem Bestreben, die artenschutzrechtlichen Auflagen, die RWE befolgen muss, als Experten korrekt und sorgfältig im bestmöglichen Sinne für Wald und Tiere umzusetzen.

Sie gingen auf unsere Forderungen ein, eine günstigere Nähe zur Kontrolle ihrer Aktivitäten zu wählen, alle Folien und Verschlüsse wurden uns übergeben, alle Taschen waren offen einsehbar, wir konnten nach ihrer Baumbesteigung ihre Seile nutzen, um unsere einzuziehen und kontrollierend nachzuklettern, und sie gaben uns eine Liste detaillierter Informationen zu den betroffenen Bäumen.

Wir Aktivisti beschlossen im Konsens, die Biologen erst einmal begleitend zu beobachten, ein gesundes Misstrauen aber beizubehalten.

Denn wir hatten auf diese Weise keine erste und sofortige Kontrolle was IN den Höhlen zu sehen war. Wir konnten nur von unten die Kletterer beim Höhlenöffnen beobachten, uns auf scharfe Augen, Ferngläser, Zoomobjektive, die richtige Perspektive und unsere Intuition verlassen. Und das taten wir in dieser Woche. Viele Waldmenschen kamen und begleiteten die Biologen, schauten genauer hin, stellten sehr viele Fragen und erhielten auch meist ausführliche Antworten.

Blieb noch die Hubsteiger-Debatte

Hubsteiger verdichtet Waldboden – Was tun?

  1. Alternative: Klettern wo möglich
  2. Verzicht: unbedeutende Höhlen verschlossen lassen
  3. Schaden gering halten:
    • kleinstmöglichster, leichtester Hubsteiger
    • kürzester Weg
    • auf bereits verdichtetem Boden (Wald- und Forstwirtschaftswege)
    • passendes Wetter: trockener Herbstboden nimmt geringeren Schaden

Unsere Kritik am Hubsteigereinsatz wurde von den Biologen ernst genommen. Sie überdachten noch einmal Vor- und Nachteile und Alternativen. Sie setzten den Hubsteiger noch weniger und vorsichtiger ein.
Ich bin kein Experte und kann weder behaupten, dass die Biologen alles richtig gemacht haben noch dass ihnen eventuell Fehler unterliefen.
Aber bis heute sind mir keine bewiesenen Todfunde von Fledermäusen bekannt. Der einzige tote Vogel war, vermute ich – leider ein armer Pechvogel.

Ende gut, alles gut?

Im kommenden Winter werden sich Fledermäuse wie der Abendsegler und Vögel wie der Kleiber und der Specht, mitunter auch mal Marder und Eichhörnchen an den wieder geöffneten Höhlen freuen. Und die anderen Fledermäuse, mit ihr die Bechsteinfledermaus, haben ab den wärmeren Frühlingstagen die größere Auswahl an geschützten Lebensräumen.
Deshalb finde ich es gut, dass jetzt fast alle der über 900 vorher verschlossenen Höhlen wieder geöffnet sind.

Mit diesem Ziel begann unsere HambiBat-Aktion und dieses Ziel wurde mit der Hilfe etlicher sehr engagierter Menschen erreicht. Für mich unvergesslich wunderbar.
Bleibt nur zu hoffen, dass die Heimat der Hambibewohner außer Gefahr bleibt.
Und dass Wald und Tiere Schonzeit bekommen, um sich von den Strapazen der letzten Jahre zu erholen.

Hambi! Hambi! Hambi! – Bleibt! Bleibt! Bleibt! 🙂

FAKTEN zu ITN-BIOLOGEN

Diese Biologen haben 2004 die westliche und 2006 die östliche Kolonie der Bechsteinfledermäuse im Hambacher Forst entdeckt.
Seitdem untersuchten sie die Kolonien jährlich.
Die Untersuchungsberichte werden jährlich einem Arbeitskreis aus Behörden, sowie auch Vertretern von RWE und regionalen Naturschutzverbänden vorgelegt.
Diese wertneutralen wissenschaftlichen Berichte waren ausschlaggebende Grundlage für die BUND-Klage gegen die Rodung.

Seit 2011 gibt es die artenschutzrechtliche Auflage, vor einer Rodung die Baumhöhlen zu verschließen. RWE ist dazu verpflichtet und muss sämtliche Kosten tragen.
Da die Biologen des ITN bereits seit 2004 die Fledermauskolonien des Hambacher Forstes wissenschaftlich begleiten, haben sie die Arbeit des Verschließens und Öffnens übernommen.

Nach dem Rodungsstopp Anfang Oktober wollten sie die Höhlen sofort öffnen, wurden aber aufgrund der noch unsicheren Lage vorläufig davon abgebracht.
Nach der Kartierung durch die ITN-Biologen waren rund 800 Höhlen verschlossen. Anfang November 2018 haben sie davon 700 geöffnet. 100 Höhlen waren zuvor von anderen Menschen (HambiBatsActionGroup mit Aktivisten, helfende Besucher) und einige von Spechten geöffnet worden.

Im Dezember 2018 wird das Untersuchungsprogramm zum Vorkommen der Fledermäuse für 2019 mit dem Behörden-Arbeitskreis festgelegt.

(Quelle: Gespräche mit den ITN-Biologen)

Siehe auch:
https://hambacherforst.org/blog/2018/10/11/fledermausaktion/
und
bedrohte Tierarten/, mit mehr Info über die Bechsteinfledermaus

Dieser Beitrag hat 9 Kommentare

  1. Andrea Bensing

    Ganz herzlichen Dank für den Bericht über diese überwältigende Aktion danke dass du dir so viel Mühe gemacht hast alles bis ins Detail zu beschreiben

  2. Andreas Frommhold

    Ein toller Bericht, sachlich und allgemeinverständlich. Es ist schön, dass hier gewaltfrei und mit Bedacht agiert wurde.
    Danke, Christiane.
    Danke an alle Beteiligte.

  3. Fuchs102018

    Vielen Dank, allen Helfern, für euren Einsatz für die Tiere!

  4. schn Uppe

    wunderbarer bericht.herzlichen dank dafür, und auch für die rettung des lebensraumes. danke!

  5. Hugi

    Liebe Christiane, und alle die mit geklettert sind, geholfen haben Material zu schleppen, Fotos zu machen und Daten zu erfassen.
    Herzlichen Dank. Für die sinnvolle Kletterarbeit.

    Liebe Grüße, HAMBI BLEIBT
    HUGI

  6. Christoph Pschorn

    Vielen dank für den tollen einsatz.

  7. Nöĺl

    Was mir fehlt – und zwar hier – ist eine Stellungnahme der Biologen. Denn vieles ist mir und sicher vielen anderen noch schleierhaft. Was war z.B. mit den Bechsteinfledermäusen,als die Höhlen verschlossen wurden? Sie sollten, wenn ich die Äußerungen von RWE richtig deute, auf diese Weise gezwungen werden, in die Steinheider Bürge auszuweichen. Angenommen, sie hätten das trotz der freien Flächen dazwischen gefunden, dann wären sie in ein Gebiet gekommen, das vermutlich schon lange einen hohen Populationsdruck hat, eben durch die Rodungen. Wenn das so ist, und das diesen Biologen bekannt war, warum haben sie dann an diesem Vertreibungsprojekt mit gearbeitet statt RWE klar zu sagen, dass das so nicht geht? Ich vermute, sie haben sich von der Unabwendbarkeit der Entwaldung überzeugen lassen und wollten mit dem Verschließen wenigstens ein paar Fledermäuse retten. Meine wichtigste Frage ist jetzt natürlich: wo sind sie jetzt? Verendet, weil sie keinen Platz zum Überwintern gefunden haben? Für die, die schon drin waren, als die Höhlen verschlossen wurden, ist diese Aktion natürlich die Rettung gewesen. Sie wären. fast mit abgeholzt worden. Diese und andere Biologen möchte ich nur bitten, beim nächsten Mal nicht zur Verfügung zu stehen. Sollen sie doch ihre natur- und umweltfeindlichen Aktionen alleine machen. Wir dürfen auf das nächste Frühjahr gespannt sein, wie.viel Schaden dieses Verschließen wirklich angerichtet hat.

  8. Nöĺl

    Ach ja, und was ich noch sagen wollte: Hambi Bleibt ja, also gibt es kein nächstes Mal. Und über den obigen Kommtar, wie schön gewaltfrei diese Aktion doch war: fast alles, was die Leute in den Baumhäusern bisher gemacht haben, war gewaltfrei. Ganz im Gegensatz dazu das, was RWE macht, denn da geht NICHTS ohne Gewalt, und wenn es die Vertreibung von geschützten Tieren ist. Sie stellen sich selbst als die höhere Gewalt dar, der alles weichen muss. Darum wird RWE weichen müssen. Ich gebe denen noch zwei Jahre. Dann werde ich eine Kerze am Grab des Heiligen Arnold von Arnoldsweiler zünden und ihm sagen: „Immerhin, einen Rest konnten wir noch retten.“

  9. Kito Pjenk

    Immer schön wach bleiben!
    Schöhne Weihnachten und ein stressfreieres Jahr 2019.

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