Reflexion zur Polizeistrategie

Im Wald heißt es: Wir reden nicht mit Cops! Und dann sind da immer wieder diese netten, mittelalten Männer in Zivil, die bei Waldspaziergängen mitlaufen und einfach nur reden wollen. Mit allen reden. Und reden kann ja nicht schaden, oder?
Es wird Zeit, dass wir nicht nur unseren Ausruf „wir reden nicht mit der Polizei!“ wiederholen, sondern erklären, wie wir zu dieser Entscheidung kommen. Denn eins ist klar: Wenn die einen mit der Polizei reden, die anderen sie am liebsten aus dem Wald werfen würde und wieder andere einfach nicht verstehen, warum wir bloß so unhöflich zu älteren Menschen sind, dann sind wir alles andere als ein geeinter Widerstand. Und in dieser Handlungsunfähigkeit spielen wir der Polizei und allen anderen Parteien, die den Braunkohleabbau immer noch schützen und fördern, in die Hände. Wir wollen hier nur versuchen eine Position die in der Besetzung oft vertreten wird zu erklären. Wir wissen, das viele Menschen im Braunkohlewiderstand das anders sehen und wollen niemand verurteilen, der oder die mit der Polizei redet. Statt dessen wollen wir einen Austausch und Diskurs fördern, bei dem wir alle von einander lernen können.

Diese netten, mittelalten Herren haben eine Bezeichnung: Kontaktbeamte. Und in letzter Zeit scheinen die sich immer weiter zu vermehren, überall Kontaktbeamte, überall nur reden, das tut ja schließlich niemandem weh. Die Frage ist nicht, wie viele Polizist*innen es braucht um eine Glühbirne zu wechseln (1 Kontaktbeamten), sondern was sich die Polizei dabei denkt.

Kontaktbeamte, die im Zuge der Polizeiarbeit bei politischen Bewegungen eingesetzt werden, haben mehrere Funktionen.

Erst einmal verbessern sie das Image der Polizei. Sie zeigt sich verständnisvoll und kompromissbereit, um dann nach vermeintlichen Fehlern unsererseits ihr Verständnis und ihre Verhandlungsbereitschaft öffentlichkeitswirksam zurückzuziehen. Bevor die Strategie der Polizei sich auch im Zuge der Übernahme der Verantwortlichkeit durch die Polizeistelle Aachen geändert hat, kursierten Bilder und Berichte von massiver Polizeigewalt rund um den Hambacher Forst und der Aktionen von Ende Gelände (v.a. 2015). Viele Menschen in der Umgebung hatten begonnen, an der Legitimität der Gesetzeshüter*innen zu zweifeln. Darüber, ob die Polizeigewalt sich verändert hat, seit Aachen die Verantwortlichkeit übernommen hat, gibt es verschiedene Sichtweisen. In jedem Fall kam und kommt es noch immer zu traumatisierenden Gewaltanwendungen gegen Aktive. So wurde zum Beispiel letztes Jahr bei einer Barrikadenräumung ein Aktivist mit Kabelbindern so eng gefesselt, dass das Gefühl in seinen Fingern bis jetzt nicht zurückgekehrt ist. Ein Filmmacher wurde im Wald krankenhausreif geprügelt, und zu seiner Strafanzeige wurde bis heute noch nicht ermittelt. Trotz dieser Vorfälle hat sich aber die Wahrnehmung der Polizei in der Öffentlichkeit geändert. Denn die Polizei hat jetzt Gesichter bekommen. Und zwar die Gesichter der Kontaktbeamten.
Mitunter erzählen die Kontaktbeamten bei Treffen mit Involvierten von ihren Gefühlen. Sie erzählen, was ihnen Angst macht und was sie sich wünschen. Dass sie hier sind, um Straftaten zu verhindern und sich sehr wünschen, dass alles friedlich abläuft. Dass sie außerdem Wälder gerne mögen und junge Menschen, die sich für etwas einsetzten. Dadurch gelingt es ihnen, dass Menschen Mitgefühl entwickeln. Für die Polizist*innen, die ja schließlich Räumungen und Einsätze im Hambacher Wald durchführen „müssen“. Unverständnis entsteht für die jungen, ungezähmten, unvernünftigen Besetzer*innen, von denen ja die Gewalt ausgehen muss, wenn die Polizei sich doch so sehr eine friedliche Lösung wünscht.
Im krassen Gegensatz dazu steht das Bild, das die Polizei in den Köpfen der meisten Waldbesetzer*innen hinterlassen hat. Volluniformierte, maskierte, schwerbewaffnete menschliche Mauern mit vorgezogenem Visier, die Gesprächsversuche mit Pfefferspray und Schlagstöcken beantworten. Wenn die Polizei in den Wald kommt, um „Straftaten zu verhindern“, dann hat sie kein Gesicht, nicht einmal Dienstnummern, die sie ausweisen würden. Gleichzeitig hat NRW als erstes Bundesland begonnen, Maschinengewehrfeuern wieder in die Polizeiausbildung aufzunehmen. Die Polizei, die in den Wald kommt, kommt mit Schusswaffen.
Interessanter Weise versucht die Polizei wiederum ein Bild von uns zu zeichnen, welches dem, das sie selbst im Wald hinterlassen, gleicht. In dieser Darstellung sind wir maskierte, gesichtslose, gewaltorientierte Anarchist*innen, entmenschlicht und eine Bedrohung für alle „normalen“ Leute.
Stell dir vor, ein schwarz vermummter Polizist mit Helm und Schlagstock unterhält sich mit den besorgten Anwohner*innen oder der Presse und erklärt ihnen er wäre nur zu ihrem Schutz da. Das funktioniert nicht. Deswegen die Kontaktbeamten.

Außerdem versucht die Polizei, durch die Kontaktbeamten die Bewegung zu spalten. Das funktioniert ganz harmlos durch interessierte und empathische Gespräche. Denn wenn die Polizist*innen, mit denen ich als Anwohnerin rede, und die Aktivist*innen, mit denen ich rede, ganz nette Menschen sind, dann muss es ja eine dritte Gruppe geben, von der die ganze Gewalt ausgeht. Nämlich, wie sich der Polizist dann beeilt zu sagen, die „bösen“ Aktivist*innen. Hä? Naja ist doch ganz logisch. Es gibt die guten Aktivist*innen, die reden mit dir, und dann gibt es noch die gewaltorientierten, die vermummten, die aus der autonomen Szene in Hamburg, Berlin und Leipzig (die aus dem Fernsehen, die immer Autos anzünden), die Steine schmeißenden, denen es gar nicht um den Wald geht. Und die sind dann am Ende daran Schuld, dass die Situation eskaliert und der Wald gerodet und geräumt werden muss.
Moment mal. Sollte nicht der Wald wegen etwas anderem gerodet werden? Wegen Kohle, RWE, Wirtschaftsinteressen?
Und so schnell verschiebt sich der öffentliche Diskurs von einer Klimakrise, die unseren gesamten Planeten bedroht, hin zu der Frage, warum die jungen Leute auf ARD-moma eigentlich nicht ihr Gesicht zeigen und was sie denn zu verbergen hätten. Und das alles wegen dem netten Mann von der Polizei, der so freundlich und familiär vor der Kamera steht, dass die 3.000 Toten aufgrund der Feinstaubbelastung (allein in Deutschland!) gar nicht mehr so präsent und schrecklich wirken.

Dass die Besetzung noch nicht geräumt wurde, liegt unter anderem an euch allen! An allen Menschen die über das Thema auf dem Laufenden blieben, allen, die auf unserer Seite stehen, uns unterstützen, allen, die die Nase voll davon haben, dass Konzerne die Zukunft unseres Planeten verspielen. Es ist ein großes Risiko für Politiker*innen, sich die Gunst der Wähler*innen zu verspielen. Deswegen brauchen sie einen anderen Grund, um den Wald zu räumen, als banales wirtschaftliches Interesse, einen, den die Menschen verstehen. Nämlich uns, die gewaltbereiten, vermummten Krawall-touristen. Wenn der Widerstand gespalten ist, einerseits in den demokratisch legitimierten, friedlichen Protest und andererseits in den schlechten und sinnlos gewalttätigen Protest, dann erst lassen sich diese enorme Zerstörung von Natur, Umsiedlungen und Gewalt gegen Menschen rund um den Hambacher Tagebau mit gesellschaftlichem Rückenwind durchsetzen.

Mit der CDU und der FDP in der Landesregierung hat die Politik noch immer ein Interesse daran, RWEs Forderungen durchzusetzen. Die CDU hat damit Wahlkampf gemacht, dass sie „rechtsfreie Räume“ abschaffen will. Sie wollen die Hambacher Wald Besetzung nicht und sie befehligen die Polizei.
Außerdem ist die angebliche Verhandlungsbereitschaft der Polizei eine Farce. Denn sie hat als ausführendes Organ keinen Handlungsspielraum, sonder handelt im Willen der Regierung. Wir wollen keinem*r Polizeibeamten*in absprechen, dass sie oder er persönlich den Wald wirklich gerne mag und Kohle blöd findet. Aber Polizist*innen werden nicht aufhören, in ihrer Funktion zu handeln, so lange sie ihren Job behalten wollen, und der besteht nun mal darin, Widerstand zu verhindern und nicht, das eigene Gewissen nach einer individuellen Entscheidung zu befragen. Wir glauben nicht, dass Polizist*innen unheilbar schlechte Menschen sind. Statt dessen glauben wir, dass wir eigentlich sehr viel miteinander reden müssen, denn gegen eine bewaffnete, auf Gewalt gedrillte Polizei kommen wir mit Gewalt nicht an, wenn wir die Welt zum Besseren verändern wollen. Statt dessen muss jeder Mensch und auch jede*r Polizist*in sich einzeln überzeugen, dass eine andere Welt möglich ist. Aber mit Kontaktbeamten darüber zu reden (haben wir versucht) bringt leider nichts.

Kontaktbeamte sammeln Informationen, auch und vor allem in netten, harmlosen Gesprächen . Grade soziale Strukturen, Stimmungen innerhalb der Bewegung und zwischenmenschliche Verbindungen oder Schwierigkeiten sind von großem Interesse für die Polizei. Der Kontaktbeamte im Hambacher Forst hatte beispielsweise detaillierte Informationen darüber, wann sich wie viele Menschen in der Waldbesetzung befinden. Auf die Frage woher diese Information käme, kam die Antwort: „Ich rede halt mit allen.“ Abgesehen davon, dass wir uns sicher sind, dass die Polizei auch andere Überwachungsmethoden anwendet, ist es durchaus realistisch, dass diese Antwort stimmt. Denn ein nettes: „Na, ist grad ganz schön leer im Wald?“ als Beginn vom SmallTalk würde wahrscheinlich jede*r ganz arglos beantworten.

Und so wird unser Widerstand gegen eine riesige globale und auch lokale Ungerechtigkeit ganz still und heimlich unterwandert, ohne offensichtliche Gewalt, ohne die alten Bilder von blutenden Aktivist*innen und durchgeschnittenen Kletterseilen, nur durch ein paar nette Männer in Zivil, denen doch nun wirklich niemand misstrauen kann. Die Polizeistrategie mag sich in den letzten Jahren verändert haben, mag weniger auf rohe Gewalt und mehr auf bürgernahe Kommunikation zu setzen, doch hinter der netteren Verpackung steckt noch immer das gleiche Staatsorgan, welches wie schon vor fünf Jahren dafür Sorge trägt, dass RWE ungehindert mit seiner Umweltzerstörung fortfahren kann.

Dass die Polizei verstanden hat, dass sie uns nicht mit purer Gewalt klein kriegt, ist ein Zeichen unserer Stärke. Lasst uns auch die geänderte Strategie zum Desaster machen, indem wir zueinander stehen, Vertrauen aufbauen und gemeinsam für das einstehen, was unser Planet braucht.

– ein paar Aktive aus dem Hambacher Wald

Aktuell ist auch nach wie vor unser Statement zum Waldspaziergang mit dem Polizeipräsidenten:

und die Reflexionen von Ende Gelände 2017: https://www.klimacamp-im-rheinland.de/2017/11/03/legal-team-auswertung-zum-diesjaehrigen-klimacamp-und-den-aktionstagen/

Dieser Beitrag hat 13 Kommentare

  1. katja

    alle achtung, die subtilität der situation bestens in worte gefasst.

  2. Peter Günther

    Die Polizei muss sich zu 100% an Gesetze und Rechte halten und zusätzliche noch 110% moralisch korrekt sein.

    Ihr macht euch eure Gesetze selber und hindert die Polizei an ihrer Arbeit so gut ihr könnt. Wenn es dann durch diese massiv provozierten Situationen tatsächlich dazu kommt, dass einem Aktivisten ein Haar gekrümmt wird, ist der Aufschrei über „ungerechtfertigte Polizeigewalt“ groß.

    Wenn ihr ehrlich seid: Die Polizei kann nur verlieren. Egal was sie macht und wie sie sich verhält.

    1. Ines Lindner

      Sicherlich ist der hier eingesetzte Polizeibeamte in einer verzwickten Lage. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass viele von ihnen nur „ihren Job“ machen ohne davon überzeugt zu sein, dass hier eine richtige Entscheidung getroffen wurde. Jedoch haben sie einen Eid geschworen. Diese Demo richtet sich ja auch nicht gegen die Polizei, sondern gegen den Entscheid der Abholzung und Ausbau der Braunkohle. Ich bin stolz auf diese Menschen hier, die sich für den Wald einsetzen und dabei sehr viel riskieren. Die meisten Menschen akzeptieren die Entscheidungen einfach, die von der Regierung bestimmt wird. Lobbyismus und Kapitalismus wird hier vor unsinnigem Abholzen gestellt. Wir werden täglich aufgefordert unseren Müll zu trennen, mit Wasser hauszuhalten, keinen Diesel mehr zu fahren blablabla und wenn sich diese Menschen für die Abholzung einsetzen, sollte man sie, wo es nur geht, unterstützen.

  3. waldzwei

    Seitdem die aachener Polizei die „Akte Hambach“ koordiniert, ist das Zauberwort in der Kommunikation mit der Presse: Deeskalation. Wie im Artikel schon angemerkt wird: die Polizei hat gar keinen Spielraum, sie muss einfach die Ziele von NRWE durchsetzen. Und zwar möglichst reibungslos und preiswert. Genau das ist mit diesem scheinbar sympathischen Wort Deeskalation gemeint. Kontaktbeamte loten die Stimmung aus, registrieren, wie viel Leute da sind, stiften Verwirrung über ihren eigenen Ermessungsspielraum etc.
    Schon Julius Caesar hat in seinem Propagandabuch „Über den gallischen Krieg“ geschrieben: „Teile und herrsche“. Gallien ist nicht umsonst auch der Name eines Baumhausdorfes. Wir lassen uns nicht teilen.
    Ein weiterer Blick in die Geschichte könnte auch sehr nützlich sein. Schauen wir uns mal die Black Panthers in den USAmerikanischen Ghettos der 1960er und 1970er Jahre an. Bevor jemand mir zuruft, ich dürfe rassistische Gewalt der US Polizei nicht mit der doch deeskalierenden deutschen Polizei vergleichen und eine Bewegung die teilweise zum bewaffneten Widerstand aufrief, sei ja nicht die Waldbesetzung, da sage ich: klar, die Unterschiede sind evident.
    Trotz dieser Unterschiede können wir aber aus deren Geschichte lernen. Gerade in diesem Punkt: auch die Panthers hatten erklärt, die Anwesenheit von Polizei in den Ghettos sei unerwünscht. Aufgrund der vielen Übergriffe verständlich. Sie wüssten gleichzeitig aber auch, dass eine offene Konfrontation unmöglich war. Also was tun?
    Sie bildeten mobile Trupps, die eventuell auftretende Cops sofort umringten und bei ihnen blieben, bis sie das Viertel wieder verlassen hatten. Möglichst schweigend. Es wurde nur mitgeteilt, dass ihre Anwesenheit unerwünscht war und dass man sie, auch zu ihrem eigenen Schutz, (hinaus) begleiten würde. Auch Kontaktbeamte wurden auf die gleiche Art und Weise aus dem Viertel begleitet…

  4. Peter

    Also ich kenne ja keinen Kontaktbeamten (von denen ich Zivilbeamte, die evtl. nur zur Sicherheit eingesetzt werden, aber schon auch unterscheiden würde).
    Aber ich könnte mir schon vorstellen, dass das durchaus gutgewillte, positive, kommunikative und umgängliche Menschen sind.
    Sie sind denke ich nur etwas unrealistisch, was ihre eigenen Handlungsmöglichkeiten angeht.
    Also ich bin mir sicher, dass die Aufgabe des Kontaktbeamten kein*e noch so erfahrene*r und kompetente*r Polizist*in weder zu seiner*ihrer eigenen noch zur allgemeinen Zufriedenheit ausführen könnte. Die Fronten sind ja klar verhärtet. Da kann man*, egal was man* anstellt, nur zusätzliche Unruhe erzeugen.
    Und dass Ihr darauf überhaupt keinen Wert legt, kann ich sehr gut nachvollziehen.

    Dass das mit der Deeskalation immer nur runtergebetet wird und der Verstand auf der Strecke bleibt, ist sicher keine gute Idee und sicher auch nicht im Sinne der Erfinder.
    Genauso wenig ist es sicher im Sinne der Erfinder des Braunkohle-Tagebaus, dass ihr Konzept, vor dem ich echt auch großen Respekt habe, ohne Sinn und Verstand bis zum (bitteren) Ende durchgeführt werden soll, oder im Sinne der Erfinder des Grundgesetztes, dass die darin verankerten Werte nur noch durch immer mehr Polizei geschützt werden und von Politikern in Gefahr gebracht werden, die allenfalls noch bis zur nächsten Wahl denken oder im Sinne der Erfinder der FFH-Richtlinie, dass da jetzt jahrelang über ein Gebiet verhandelt werden muss, was par excellence schützenswert ist.

    Die Einzigen, die in Sachen Hambacher Forst noch etwas retten können, seid echt Ihr.
    Leider wird man Euch keinen Erfolg gönnen, und am Ende lassen sich Politiker*innen, Richter*innen, Polizei oder Naturschutzverbände wahrscheinlich auch noch feiern, nachdem man* Euch, wann immer das sein mag, geräumt hat.
    Angriffspunkte, die elegant mit Zustimmung der Bevölkerung gegen Euch verwertet werden könnten, liefert Ihr durchaus ja auch manchmal momentan frei Haus.
    Aber darauf soll es nicht ankommen.
    Ich bin mir sicher, dass in der Rückschau sehr positiv über Euch berichtet werden wird.
    Allerdings bin ich auch der Meinung, dass sich die Berichterstattung doch auch schon sehr deutlich in den letzten Wochen gebessert hat. Vor der letzten Teilnahme des Polizeipräsidenten beim Waldspaziergang war die ja (völlig ungewohnter Weise selbst seitens der Polizei [mit völlig aus dem Zusammenhang gerissener Sätze aus dem Artikel „Never trust a cop“]) unter aller Sau.
    Ob Ihr momentan in der Kommunikation besser eine offensive oder defensive Strategie verfolgt, kann ich schlecht sagen.

    Die Einzigen aber, die abseits des Smartphone-Lebens noch mit der Zeit gehen, sind Menschen im Hambacher Forst.

    Respect Anarchism or expect Anachronism

  5. Franziska

    Ich habe mich soeben akut gefragt, wie das mit den Baumhäusern eigentlich ist: Darf man in einem privaten Wald, der der Öffentlichkeit zu Erholungszwecken zugänglich sein muss, in einem selbst errichteten Baumhaus übernachten?

    Ich habe gefunden: § 3 des Landesforstgesetzes NRW: Dort heißt es, dass Betreten zu Erholungszwecken erlaubt ist und dass man sich aber so benehmen muss, dass die Flora und Fauna des Waldes nicht beeinträchtigt werden und so dass die schutzwürdigen Interessen des Waldbesitzers nicht beeinträchtigt werden.

    Was heißt „Betreten“? Das steht da nicht. Also könnte „in einem selbst errichtetn Baumhaus wohnen, solange es keinen stört“ auch „Betreten“ sein, und damit erst einmal erlaubt.

    Weiter steht dort aber, dass „Zelten“ nicht erlaubt sei. Ist jetzt „Zelten“ gleich zu setzen mit „in einem selbst errichteten Baumhaus wohnen“?

    Hier kann es sicher mehrere Meinungen geben. Ich würde es für vertretbar – und vorzugswürdig – halten, wenn das „Zelten“ nicht dem „Wohnen in selbst errichtetem Baumhaus“ gleich gesetzt wird. Denn es gibt einen wesentlichen Unterschied: Das Zelt steht stets am Boden und stellt somit eine – wenn auch vorübergehende – Bodenversiegelung und Barriere für Tiere und Pflanzen dar.

    Das selbst errichtete Baumhaus steht nicht auf dem Boden. Es verhindert nicht das Pflanzenwachstum und das natürliche Bewegungsverhalten der Tiere.

    Also so wäre meine Meinung.

    Aber: Es gibt einen Spruch, den jeder Jura-Student gleich im ersten Semester lernt: „Zwei Juristen, drei Meinungen.“

    Und so muss ich Euch sagen: Es kann durchaus sein, dass Eure Baumhäuser da stehen, weil RWE sie duldet. Ich gehe eher davon aus, dass sowohl RWE als auch die Polizei als auch die sonst zuständigen Behörden den Begriff des „Zeltens“ nicht mit dem des „in selbst errichteten Baumhaus wohnen“ gleichsetzen, und sich daher nicht sicher sind, ob überhaupt einfach so ein Baumhaus entfernt werden darf.

    Das würde bedeuten:

    Die Baumhäuser dürfen vielleicht nur dann entfernt werden, wenn
    a) RWE das betreffende Waldstück roden will und das auch offiziell darf
    oder
    b) von den Baumhäusern eine „Gefahr“ ausgeht.

    „a)“ ist definitiv zur Zeit nicht gegeben!

    „b)“ hängt definitiv auch davon ab, wie friedlich und ansonsten legal sich die Baumhausbewohner verhalten bzw. wie sich diejenigen verhalten, die wegen der Baumhäuser in den Wald kommen.

    Das bedeutet, es könnten Euch tatsächlich diejenigen die Suppe verhageln, die gewalttätig werden wollen oder die auch „militanten“ Widerstand gut finden und die sich zur Propagierung ihres militanten Willens zwischen Eure Baumhäuser stellen.

    Bedenkt das ….

    Es sagt ja keiner, dass Ihr jetzt mit den Kontaktbeamten reden sollt.

    Aber betrachtet sie nicht von vornherein als schlecht.

    Und friedlich bleiben und klar machen: Unser Engagement ist hier friedlich, legal und öffentlich. Das wäre toll.

    Und dann werden die Baumhäuser vielleicht weiter von RWE geduldet bzw. RWE, die Polizei und die Behörden gehen weiterhin davon aus, dass sie nicht geräumt werden dürfen oder sollten.

    Und in der Zwischenzeit soll sich endlich die Öffentlichkeit mit dem Thema „Braunkohleausstieg – machbar und auf welche Weise?“ befassen und es sollen hierzu endlich alle Informationen und wissenschaftlichen Erkenntnisse – auch zum etwa erforderlichen Netzausbau oder etwaig doch zu befürchtenden Stromlücken, die es zu überbrücken gilt – auf den Tisch!

    Denn eines ist doch klar: Solange RWE es schafft, den öffentlichen Diskurs genau darüber zu vermeiden, bleibt RWE auf der Braunkohle-Profit-Schiene. Und den Diskurs kann RWE doch nur dann noch vermeiden- eigentlich geht das schon bald nicht mehr – wenn es auf Straftaten hinweisen kann, die von (vermeintlichen) Baumbefürwortern begangen werden.

    Es darf einfach keine Straftaten geben.

    Nur dann nimmt der öffentliche Diskurs richtig Fahrt auf….

    Er hat doch schon Fahrt aufgenommen. Bloß jetzt nicht bremsen.

    Friedlich sein, abwarten und endlich die Fakten und die Wissenschaft sprechen lassen.

    Dann hat die Braunkohle keine Chance mehr – daran glaube ich.

  6. Franziska

    Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald vertritt übrigens, dass das freie Übernachten in einem Schlafsack erlaubt sei, „dagegen ist das Bauen fester Unterstände, von Hütten und das Aufschlagen von Zelten verboten bzw. genehmigungspflichtig.“ Hierbei benennt die Schutzgemeinchaft aber keine Norm oder konkrete Rechtsprechung für das Land NRW.

    Es ist also durchaus zu überdenken, ob der Wald tatsächlich einfach so mit einem Baumhaus „bewohnt“ werden darf.

    Möglicherweise werden die Baumhäuser einfach nur geduldet. Das Geduldetwerden begründet dann aber definitiv kein Recht.

    Und wenn die Baumhäuser geduldet werden, dann muss man doch auch sagen, dass RWE, die Polizei und die zuständigen Behörden in diesem Punkt wirklich moderat sind.

    Warum sollte sich RWE, warum sollte sich die Polizei den Stress mit der Räumung antun, wenn der Wald sowieso nicht gerodet werden soll und wenn es im Wald friedlich zugeht?

    Warum sollte es denn nicht einfach so bleiben, wie es ist?

    Die Baumhäuser könnten dann einfach stehenbleiben und Deutschland redet endlich richtig – und friedlich – über den Braunkohleausstieg.

    Und dann muss man ja auch sehen: Die Baumhäuser sollten an sich stabil und sicher sein. Es sollte dort keine Brandgefahr bestehen. Es sollte dort vor allem um die Sicherheit der – geduldeten- Bewohner und der Besucher gehen.

    So ein Walddorf kann ja von jedem besucht werden. Wer sagt, dass die Besucher alle friedliche Absichten haben? Und ist es da nicht gut, dass die Besucher wissen: „hier passen alle aufeinander auf und wer weiß, vielleicht gibt es den einen oder anderen Polizisten in Zivil“? Dann sind die Besucher auf jeden Fall friedlich…

  7. Franziska

    … eines Tages wird es vielleicht von RWE und den Behörden die offizielle Erlaubnis oder Bestätigung geben, dass im Hambacher Forst in Baumhäusern genächtigt werden darf.

    … und eines Tages darf man dort vielleicht sogar seinen Wohnsitz anmelden?

    Dann haben wir endlich ein Walddorf.

    Wäre das schön.

    Imagine.

  8. Kito

    Falls der Wald stehenbleiben darf, dann steht einer Nutzungsform des sanften Tourismus auf Baumhäusern nur FFH/Natura2000 entgegen. Ich würde insofern überlegen, ob sonstige in Bäume brütende Vögel, wie bsp. Mittelspecht, Waldkäuzchen etc. nicht durch die Benutzung der Baumhäuser gestört werden…

  9. Waldfrieden

    Interessante Überlegungen, Mutmaßungen, Spekulationen, Gedankenspiele hin oder her. Die gesetzlichen und rechtlichen Ausführungen sind eindeutig und damit verbindlich! Änderungen/ Neuerungen sind dagegen in anderen Bereichen z.B. bzgl. des dringend zu überarbeitenden Bergrechts unerläßlich.
    Im Übrigen stellt sich die grundsätzliche Frage, weshalb
    ständig auf Gesetze und Vorschriften oder Richtlinien verwiesen wird
    oder werden muss, weil die naturgegebene Veranlagung für ethisch
    vertretbare und gerechte, faire Verhaltensweisen immer mehr zur Inhumanität verkommt und sich überwiegend ALLES auf Profitgier,
    Konkurrenzstreben sowie Egoismus/ Egomanie fokussiert…

    http://www.wald-prinz.de/das-bundeswaldgesetz/174

    https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_text?anw_nr=2&gld_nr=7&ugl_nr=790&bes_id=3830&aufgehoben=N&menu=1&sg=0

    https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_detail?sg=0&menu=1&bes_id=3830&anw_nr=2&aufgehoben=N&det_id=376266

  10. Dirk

    Wie lange möchte sich die CDU NRW noch als Handlanger von RWE einsetzen,um unser „ALLER“ Umwelt zu zerstören.Wo ist die Regierung denn jetzt wo bereits vor dem 1.Oktober Bäume gefällt werden?Oder hat RWE jetzt bei allem freie Willkühr?Die Polizei hat scheinbar auch schon vergessen,das sie nur behüten und nicht helfen sollen.Oder muss erst jemand sterben!!!!

  11. Wölfin

    Das klingt für mich sehr vereinfacht. Meiner Erfahrung nach gibt es sowohl bei den Waldbewohnern als auch bei der Polizei die verschiedensten Charaktere. Da bringt ein schwarz-weiss Denken nichts. Und es braucht auch keine Kontaktbeamten um Menschen auszuspionieren, denn das können auch „normale“ Besucher, die vielleicht Polizisten sind. Viel wichtiger finde ich, dass mensch sich doch letztendlich genau auf diese spaltenden Ambitionen einlässt, indem mensch fordert, bestimmte Menschentypen aus der Kommunikation auszusperren. Feindbilder entstehen genau dadurch, dass Mensch nicht mehr Mensch ist, sondern Ding/Befehlsempfänger/Gewalttäter etc.. Das versucht die Industrielobby mit den Aktivisten und die Aktivistinnen mit anderen Menschen, z.B. Polizisten. Únd durch Feindbilder verhärten die Fronten, Kommunikation ist dann nicht mehr möglich. Wachstum und Menschlichkeit auch nicht. Ich persönlich bin mehr als froh darüber, auch im Wald, auch bei den Räumungen, auf Menschen unter den Polizisten getroffen zu sein. Oder besser gesagt, auf Menschen unter den Polizisten, die mich als Mensch gesehen haben und nicht direkt drauf los geknüppelt haben, sondern mehr als einmal ein oder auch 2 Augen zugedrückt haben und gegen ihre Dienstanweisungen oder sagen wir ins grosszügiger Auslegung ihrer Dienstanweisungen gehandelt haben. Das war in den 80ern (Wackersdorf, Startbahn West, Brockdorf, Gorleben) anders. Da gab es das von meiner Erfahrung her nicht, dass ein Kontakt aufgebaut werden konnte; dass es sowas wie Menschlichkeit gab. Du hattest da tatsächlich unbewegliche Mienen wie Roboter vor Dir, die auch nach Stunden nicht auf Kommunikationsversuche reagierten und Du musstest Dich schon sehr bemühen, da noch den Menschen zu sehen, vor allem, weil direkt drauf los geknüppelt wurde und Wasserwerfer und Tränengas im Dauereinsatz waren. Natürlich hatte ich Glück, dass ich im Wald u.a. auf uniformierte Menschen getroffen bin, die nicht so waren. Viele andere hatten dieses Glück nicht und es gab auch die Erfahrung, dass Mensch sich in einem Moment „nett“ mit einem Polizisten unterhielt und im nächsten von eben diesem geknüppelt wurde, weil der Einsatzbefehl dazu kam. Dennoch, trotz solcher krasser Rückschläge, sehe ich die offene Kommunikation von Mensch zu Mensch als eine grosse Chance. Das System lässt sich nicht mit den Mitteln des Systems verändern. Das hat schon die französische Revolution gezeigt. Es geht nur, indem wir das, was wir uns als neue Form des Miteinanders wünschen auch leben. Ausgrenzung und ein „Verbot“ oder eine Empfehlung zur Ausgrenzung gehört für mich nicht dazu.

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