Knasttagebuch Jazzy: Teil C

Wie ging es nach der Entlassung weiter?

Ich wurde, seit dem ich nach der Räumung im September 2018 aus der Haft entlassen wurde, oft von Menschen gefragt wie es mir mit der Situation geht und wie es bei mir weitergeht/ weiter gegangen ist?

Ein Tag spielt in dem ganzen eine sehr große Rolle für mich die „Demonstration“ am 06.Oktober 2019. Es war für mich die erste Gelegenheit nach meiner Entlassung(unter Auflagen) den Wald unter dem Schutz der Masse wieder zu betreten und an den Ort zurückzukehren, der lange Zeit mein Zuhause gewesen ist und den ich gerne mein Zuhause genannt habe. Ein Ort, an dem ich mich so wohl gefühlt habe wie noch nie zuvor. Ein Ort, an dem ich viel und auch gerne ein teil meines Lebens mit vielen liebevollen und vorallem rücksichtsvollen Menschen verbracht habe. Ein Ort, an dem ich unendlich viele Dinge gelernt habe. Und ein Ort, der so wundervoll und einzigartig schön ist wie kein anderer. Diese Einzigartigkeit und gleichzeitige Harmonie der Natur und der Tiere hat mich immer mehr fasziniert und beeindruckt.

Vom Hambicamp in Manheim ging es los. Ich habe mich mit ein paar Freund*innen unter die Demonstration gemischt und wir haben uns auf den Weg Richtung Wald gemacht. Die Masse kam dem Wald immer näher und egal wo ich hin geschaut habe wurden es immer mehr Mesnschen. Alles schrie Hambi bleibt. Komisch ein paar Monate vorher wurde ich in Köln noch komisch angeschaut für einen Hambi Flyer und gefragt was das denn sein soll. Wir liefen weiter und die Massen schienen garnicht mehr aufzuhören. Als mir ein*e Ordner*in dann noch erklären wollte, wo ich langzulaufen habe wurde es mir zu viel und ich wollte nur noch in den Wald, an den Ort, den ich lange zeit mein Zuhause genannt habe. Begleitet von fröhlich trellernden Massen die in den Wald strömten und achtlos alles niedertrampelten schafften wir es nach Oaktown, wo ein paar Cops einen Samstagsspaziergang in voller Uniform machten. Nach kurzem Wortgefecht und agressiver Diskussion hatten wir uns mit den Massen in den Norden vor gekämpft. Ich kam im Norden an und es hat sich noch nie so schrecklich angefühlt wie an diesem Tag diesen Ort zu betreten. Er hatte sich so verändert. Die schönheit und die ruhe dieses einzigartigen Waldes sind komplett verloren gegangen. Ich sammelte noch ein paar Kleinigkeiten unter dem Baum auf und setzte mich unter „Kontiki“ und versuchte das alles zu begreifen. Zwichendurch wurde ich immer wieder von „Besucher*innen“angesprochen, ob ich denn hier gelebt hätte und wie traurig das alles wäre. Ich versuchte imemr noch zu begreifen, was da um mich rum grade los war. Neben mir baute ein offensichtlicher vermummter mackernder Cis-Mann eine vollkommen sinnlose Barrikade mitten im Wald aus frischem Totholz, was während der Räumung um unser Baumhaus abgesägt werden „musste“ um uns zu „bergen“. Ich fing eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit seiner ganzen Aktion an und bekomme nur die Antwort, er wüsste was er tue und ich soll ihm aus dem Weg gehen. Ich begriff so langsam, dass das jetzt nicht mehr ‚mein‘ Projekt war, sondern die NGOs und die Massen das Projekt jetzt übernommen hatten.

Eine Mission hatte ich an dem Tag allerdings noch, die Gelegenheit nutzen und mich endlich von einem guten Freund verabschieden. Also mache ich mich auf den Weg nach Beachtown. Auch dort, alles voll mit Menschen und eine ganz komische Stimmung. Auf der einen seite freudige Manschen im Wald, auf der anderen seite Menschen, die mit vorgeheuchelter trauer kerzen mit Plastik im Wald aufstellen und zurücklassen. Ich fühlte mich ein bisschen wie ein Tier im Zoo am Tag der offenen Tür. Ich wurde immer wütender auf die ganzen Menschen um mich rum und hätte sie am liebsten alle angeschriehen, wie unachtsam ihr restliches verhalten der Umwelt gegenüber ist und wie vorgeheuchelt das ganze ist. Ich brach, nicht zum ersten mal an disem Tag, in tränen aus und wollte nur noch weg, hauptsache keine Menschen, aber das war garnicht so einfach, der Hambacher Forst war zu einem riesigen Schauplatz geworden und um in der linken Szene als cool zu gelten musstest du auf einmal im Hambacher Forst gewesen sein und dich mit so vielen ‚GeSa-Nummern‘ Aufklebern schmücken können wie möglich. Egal wo im Wald, es war nicht möglich auch nur eine Stelle zu finden von der aus du keine weiteren Menschen sehen konntest. Normalerweise bin ich in so Momenten einfach in den Norden gegangen. Dort war der Wald immer so friedlich und ruhig und dort konnte ich eigentlich immer meine Ruhe finden oder einen liebevollen und rücksichtsvollen Menschen, der mich versteht und annimt wie ich bin und respektiert. Aus der Not heraus bin ich zum HambiCamp geflüchtet, aber auch dort überall Menschen und vorallem unbekannte Gesichter.

Seit diesem Tag habe ich noch einige Ansätze gewagt und alles ein bisschen zur Ruhe kommen lassen, aber merke jedes mal, wenn ich mich dem Wald näher habe ich immer mehr lust mich einfach umzudrehen und zurück zu gehen, denn ich weiß, das Projekt hat sich verändert und aus meiner Subjektiven Wahrnehmung vieles leider zum negtiven. Früher war es ein schönes Gefühl, ein Gefühl des Zuhause ankommens und jetzt fühlt es sich eher wie ein Besuch an. Ich fühle mich eher wie ein* Besucher*. Alles hat sich so verändert. Ich betrat nach der Räumung zum ersten mal ein neu entstandenes Baumhausdorf und werde nach einigen Minuten von einem mir unbekannten Menschen, welcher nach eigenen Angaben zu dem Zeitpunkt im Hambi gelebt hat, als junge Frau bezeichnet und darf mich dann auch noch darfür rechtfertigen, warum ich es nicht ok fände und wurde erst mit der Aussage ‚was denn mein Problem sei, ich sei doch eine junge Frau‘ abgefertigt und am Schluss mit der Aussage ‚is halt so drinne, das kann ich nicht mehr ändern‘. Die umstehenden Menschen haben hat es auch nicht sonderlich interessiert. Die meisten dieser Menschen sind auch immernoch im Hambi unterwegs bzw. leben dort immernoch. Auch das hat mir nocheinmal deutlich gemacht, wie schlagartig sich das Projekt verändert hat. Am deutlichsten vor Augen geführt hat es mir aber der Wald selber, seit dem die Räumung vorbei ist hat sich der Zustand des Waldes dramatisch verschlechtert und das liegt zwar Teilweise auch an der Räumung, aber dass die Monokulturen mittlerweile fast leer gerodet sind und der Boden immer platter getrammpelt und immer mehr Wege und Aufenthalts-/Wohnorte entstehen und Menschen immer mehr Raum im Wald einnehmen liegt garantiert nicht an einem Polizeieinsatz, sondern dem unliebevollen und unachtsammen radikalen Verhalten der Aktivist*innen dem Wald gegenüber. Aus meiner Sicht ist die Liebe zum Wald innerhalb des Projektes leider verloren gegangen und wenn es so weiter macht, macht es sich am Ende noch selbst kaputt. Das tut mir in der Seele weh, zu sehen, wie Menschen mit diesem Wald umgehen und nur noch unter dem Slogan Hambi bleibt um ein Stück Grund und Boden kämpfen und dieser Ort nur noch als Symbol gesehen wird für den Braunkohlewiderstand und Menschen nicht mehr für dem Wald hinter dem Symbol kämpfen und nicht mehr um den Wald der sich auf diesem Grund und Boden befindet und nichts dagegen tun zu können.

Seit eineinhalb Jahren habe ich jetzt auf meinen Prozess gewartet. Aber falls es wirklich darauf hinausläuft, dass ich an diesen vermeindlichen Rechtsstaat auch noch Geld für den ganzen Scheiß zahlen soll, werde ich lieber nochmal zurück in den Knast gehen und meine Geldstrafe absitzen, als diesem System auch nur einen Cent zu geben. Was mir aber auch nach 1 ½ Jahren immernoch nicht die Möglichkeit lässt endlich mit dem Thema abschließen zu können und mich auf neue Dinge zu fokussieren. Aber ich kann versuchen die schönen Momente in Erinnerung zu behalten. Ich bin froh, dass ich das Glück hatte diese Erfahrungen überhaupt machen zu dürfen und das Glück gehabt zu haben so vielen tollen Menschen zu begegnen, egal was ich dafür auch auf mich nehmen muss/musste.

Schreibe einen Kommentar